Maisach:Die Schaumschläger

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Die Brauerei Maisach und zehn Wirtshäuser suchen nach Ideen, wie sie auch in der anstehenden kalten Jahreszeit für Gäste attraktiv bleiben können. So entstehen Winterbiergärten und das Stachelbier

Von Heike A. Batzer, Maisach

Der Bierstachel erzeugt Schaum. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Der Schaum. Er setzt einem kühlen Bier bekanntlich die Krone auf und ist nicht nur schön anzusehen, sondern auch Ausdruck dafür, dass das Bier noch ganz frisch im Glas steht. Aber Schaum kann man nicht nur beim Einschenken erzeugen: Man hält einen glühend heißen Metallstab in Dunkelbier, die Hitze karamellisiert den enthaltenen Restzucker, und weicher, cremiger Schaum entwickelt sich. Es entsteht sozusagen warme Crema auf kühlem Bier. Gabi Sailer macht es vor. Die Bier-Sommelière und Geschäftsführerin des Genussspezialisten "Bukanter" aus Gilching-Geisenbrunn steht im pittoresken Dampfmaschinenraum der Brauerei Maisach und zeigt den anwesenden Wirten, wie das geht mit dem Stachelbier, das in erster Linie eine Zeremonie ist und eine besondere Form des Genusses.

"Wir wollen die Leute ins Gasthaus bringen", sagt Brauerei-Chef Michael Schweinberger. Die Umtriebigkeit hat natürlich mit Corona zu tun. Der Sommer, als die Leute vor allem die Biergärten frequentierten, sei "super gelaufen", sagt er, die Wirtshäuser hätten von Juli bis September "deutlich aufgeholt, wenn auch nicht alles". Mit der einsetzenden Kälte Anfang Oktober setzte der Besucherschwund wieder ein. Ein Übriges tut die von der bayerischen Staatsregierung angeordnete frühe Sperrstunde, die für den Landkreis gilt, seit seine Sieben-Tage-Inzidenz über dem Wert 100 liegt. Die Wirte sind enttäuscht, weil sie Hygienekonzepte erarbeitet haben und die Gaststätten bislang nicht als Pandemietreiber aufgefallen sind. "21 Uhr tut uns weh", sagt Harry Faul, seit fast 14 Jahren Wirt im Maisacher Bräustüberl und Kreisvorsitzender des bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga), der SZ. Dies würde den Gastronomiebetrieben "extremst schaden", ist sich Faul sicher: "Wer normalerweise um halb acht essen geht, der kommt jetzt nicht." Es sei "ein versteckter Lockdown".

Der Lötbrenner erhitzt das Arbeitsgerät. (Foto: Carmen Voxbrunner)

So ähnlich hatten sich auch die Wirte des Marthabräus in Fürstenfeldbruck jüngst geäußert und angekündigt, dass sie ihr Gasthaus "in den Winterschlaf" versetzen würden. Über den extremen Schritt wundert man sich zwar in der Branche, doch Anfang der Woche verkündete auch Florian Droglauer vom Dorfwirt in Landsberied, von 4. November an nur noch Essen zum Abholen anzubieten. Die Wirte, die am Montag zur Stachelbier-Verkostung nach Maisach gekommen sind, wollen Corona trotzen und überlegen, gemeinsam mit der Brauerei Maisach, die ihnen das Bier liefert, wie sie die Menschen trotzdem für einen Besuch im Wirtshaus begeistern können. Da "die Leute momentan lieber draußen als drinnen sitzen", sagt Schweinberger, will man die Idee des Winterbiergartens etablieren, wo sich die Menschen unter Einhaltung der Corona-Regeln treffen könnten. Wie dies im einzelnen ausgestaltet werde, sei Sache der jeweiligen Wirte: mit Heizpilzen, Feuerschalen, Strohballen, Fleecedecken. Harry Faul nennt den vorigen Sonntag, den letzten Sonntag im Oktober, als Beispiel, als viele Menschen bei angenehmen Spätherbsttemperaturen und Sonnenschein das Bedürfnis hatten, sich draußen aufzuhalten.

Winterbiergärten wollen der Gasthof Eberl in Hattenhofen, das Wirtshaus Gröbenzell, der Alte Wirt in Emmering, die Vereinsgaststätte Volvere in Geiselbullach und die Alte Brauerei in Stegen am Ammersee einrichten. Winterzelte soll es beim Oberen Wirt in Biburg und beim Bauernhofmuseum Jexhof in Schöngeising geben. Zur Winterterrasse funktioniert das Maisacher Bräustüberl seine Terrasse um, und eine Winterhütte will der Gasthof Feldl in Günding (Kreis Dachau) aufstellen. Und auch die Schwarzmüller Stubn in Roetgen nahe Aachen, die ebenfalls von der Brauerei Maisach beliefert wird, möchte sich an der Aktion beteiligen.

Maisachs Brauerei-Chef Michael Schweinberger. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Als äußeres Zeichen der Winter-Gastronomie lässt die Brauerei 200 000 neue Etiketten für ihre "Maisacher Perle", das Helle, drucken: mit der eingeschneiten Brauerei drauf. Auch das Stachelbier soll Publikum bringen, "als Lockvogel", wie Michael Schweinberger gerne zugibt: "Es ist ein Erlebnis, und es schmeckt einfach gut." Verwendet dafür wird dunkles Bockbier mit sieben Volumenprozent Alkohol. Wichtig für das Schäumen ist, dass das Bier viel Malz enthält. Das Stacheln sei eine "uralte Tradition", erzählt Gabi Sailer noch, während sie den mit Bunsen- oder Lötbrenner erhitzten Bierstachel nach und nach in jedes Glas hält. Die Technik stamme von den Schmieden, die vormals, weil das gelagerte Bier bisweilen zu kalt zum Trinken war, einen glühenden Schürhaken hineintauchten und es so auf Trinktemperatur brachten. Aus kleinen Glaspokalen wie jetzt bei der Verkostung haben sie das Stachelbier damals aber noch nicht getrunken.

© SZ vom 28.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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