Maisach:Der idealisierte Verbrecher

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Kritische Führung durch das Räuber-Kneißl-Museum in Maisach

Von Anna Landefeld-Haamann, Maisach

Er galt schon zu Lebzeiten als Revoluzzer, die Damenwelt schickte ihm Liebesbriefe ins Gefängnis und der Simplicissimus verklärte ihn in Karikaturen. Mathias Kneißl (1875-1902), besser bekannt unter dem Namen "Räuber Kneißl", taugt nicht nur zum sozialrevolutionären Antihelden. Sein kurzes Leben legt auch ein spannendes Kapitel Sozialgeschichte der Prinzregentenzeit offen. Die Geschichte eines kleinen Mannes aus dem westlichen Münchener Hinterland, die nichts zu tun hat mit Schlössern und großen Männern, sondern von einem Leben in Armut und Kriminalität erzählt. Im Keller der Brauerei Maisach wird dem Räuber in einer Ausstellung mit zahlreichen Exponaten gedacht. "Leider kommen nur selten gezielt Besucher hier her", sagt Historikerin Elisabeth Lang. Meistens sind es Gäste, die den historistisch anmutenden Keller für ihre Feierlichkeiten gemietet haben. Am Sonntag, 17. April, findet deshalb nun eine Führungen durch die Ausstellung statt.

Vor rund zwanzig Jahren hatte die Brauer-Familie Sedlmayr damit begonnen, alles zusammenzutragen, was es zum auch als "Schachenmüller-Hiasl" bekannten Kneißl zu finden gibt. Ungefähr 80 Exponate hat man aufspüren können: Postkarten, Telegramme, Zeitungsartikel, Karikaturen, Fotografien, Landkarten, aber auch Kuriositäten wie die Röntgenaufnahme eines Knies mit Schrotkörnern aus dem Kneißl-Gewehr, ein Fahrrad und einen Regenschirm. Ob diese Habseligkeiten dem Räuber gehörten oder vielleicht nur aus der Zeit um 1900 stammen, lässt sich nicht nachvollziehen. Dennoch lockern sie die Dokumentenflut an den Wänden auf, genauso wie diverse Nachbauten. Gleich im Eingangsbereich steht eine Puppe in elegantem Mantel. Es ist Kneißl in voller Lebensgröße von gerade einmal 1,60 Metern. In einer stilisierten Gefängniszelle steht ein beängstigend echt wirkendes Modell der Hinrichtungsmaschine, mit der Kneißl am 21. Februar 1902 in Augsburg guillotiniert worden war. Entstanden ist so mehr ein charmantes Sammelsurium als eine durchkuratierte Ausstellung. Denn Texttafeln gibt es keine - weder zum Leben des Raubmörders selbst noch zur Prinzregentenzeit. Das macht es ungeduldigen Uneingeweihten schwer zu verstehen, um was es hier überhaupt genau geht.

"Kneißl ist ein Kind seiner Zeit", sagt Lang. Bieder und behäbig geht es in der Residenzstadt zu. Gleichzeitig trifft sich die Bohème in den Schwabinger Cafés. Im Münchener Hinterland hingegen gerät die soziale Ordnung heftig ins Wanken. Die aufkommende industrielle Revolution beginnt nun auch im Münchener Raum und beeinflusst die bäuerliche Lebenswelt. Die Spannungen zwischen Obrigkeit und Untertanen sind deutlich spürbar. Schicksale, wie das des arbeitslosen Scheiners seien nicht selten gewesen: Menschen, die aufgrund des gesellschaftlichen Wandels elendig verarmten, ausgestoßen wurden und dagegen aufbegehrten.

"Schon von seinen Zeitgenossen wurde er deswegen als Volksheld gefeiert", sagt Lang. Vor allem die Landbevölkerung verehrte ihn als bayerischen Robin Hood, der sich gegen Willkür, Not und Unterdrückung wehrte. Bei ihrer Führung möchte Lang diesen Mythos etwas relativieren: "Wir müssen vorsichtig sein mit romantischen Darstellungen." Nicht vergessen dürfe man, dass Kneißl schon im Jugendalter mit seinen Raubzügen und Erpressungen begann und auch nicht vor Gewalt zurückschreckte. In Geisenhofen schließlich ermordete er zwei Polizisten, weshalb Kneißl auch zum Tode verurteilt wurde. Mit Robin Hood habe das nur wenig zu tun, so Lang. Darüber hinaus möchte sie mit den Besuchern die Frage diskutieren, wie die Gesellschaft heute mit Typen wie Kneißl umgehe. Denn Menschen, die durchs soziale Netz fielen und auf die schiefe Bahn gerieten, gebe es heute immer noch genug.

Die Führung durch das Räuber-Kneißl-Museum findet im Rahmen des Familientages "Von Heiligen und Räubern" in Maisach statt. Sonntag, 17. April, von 14 Uhr an. Treffpunkt: Kirchenstraße 14 in Maisach. Erwachsene 6 Euro, Kinder 3 Euro. Anmeldung und Informationen unter 08141/44 995.

© SZ vom 14.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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