Maisach:Bedürftige rücken ins Zentrum

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Eröffnen die Maisach Tafel am neuen Ort (von links): Michael Fiedler, Silvia Heitmeir, Elisabeth Weller, Normann Wenke und Hans Seidl. (Foto: Günther Reger)

Tafelladen und Kleiderkammer ziehen an den Maisacher Rathausplatz. Armut soll so mehr wahrgenommen werden

Von Ariane Lindenbach, Maisach

Als Michael Fiedler und Norman Dombo vor elf Jahren vorschlugen, in Maisach eine Tafel einzurichten, gab es zunächst Bedenken. Ob das überhaupt nötig sei in einer so kleinen beschaulichen Gemeinde wie Maisach, fragte man die beiden aus dem Vorstand der Arbeiterwohlfahrt (Awo). In Olching fürchteten Vertreter der bereits bestehenden Tafel, eine Maisacher Dependence würde sie Kunden kosten. Die Kritiker wurden damals überzeugt, 2007 öffnete die Olchinger - Maisacher Tafel. Von "Konkurrenz" ist heute keine Rede mehr: Denn leider ist die Not mittlerweile in beiden Kommunen so groß, dass die Zahl der Tafelkunden kontinuierlich steigt. In Maisach ist die Einrichtung jüngst aus Platzmangel umgezogen: von der Hauptstraße direkt an den Rathausplatz. Und die Zahl ihrer Kunden ist seither um mehr als die Hälfte gestiegen.

"Auch Menschen mit Bedürftigkeit sollten mehr in den Mittelpunkt gestellt werden", erklärt Bürgermeister Hans Seidl (CSU) bei der Eröffnung des Tafelladens den ehrenamtlichen Helfern sowie geladenen Gästen seinen Leitgedanken bei der Suche nach den neuen Räumlichkeiten. Da das Ortszentrum derzeit umgestaltet werde, sei nun der passende Zeitpunkt für einen Umzug. In den alten Räumen in der Aufkirchner Straße, der Hauptstraße, "war die Anliefersituation, die Parksituation, das alles ein bisschen beschwerlich".

Die neue Adresse, Bahnhofstraße 1, ist in dem lang gezogenen Gebäude zwischen Rathausplatz und Riedlstraße. Die Kunden betreten die Tafel, die, wie Seidl treffend beschreibt, "einen gewissen Kaufladencharakter aufweist" über den Platz, werden innen wie anno dazumal bei Tante Emma bedient und verlassen ihn wieder über die Riedlstraße. Im ersten Stock des lange ungenutzten Gebäudeteils, das nun die Gemeinde angemietet hat, ist jetzt die Kleiderkammer eingezogen. Betreten werden die beiden Anlaufstellen für Bedürftige über zwei benachbarte Türen.

"Diese Institution ist bis dato ein wesentlicher Bestandteil unseres Maisacher Soziallebens", unterstreicht Fiedler. Anlässlich des Umzugs gibt er einen Wechsel an der Spitze bekannt: Sein bisheriger Stellvertreter, Norman Wenke, wird künftig die Tafel leiten, er diesen vertreten. Prompt übernimmt Wenke und berichtet von der Enge in den alten Räumen, der tatkräftigen Unterstützung seitens der Gemeinde Maisach vom Bürgermeister bis zu den Bauhof-Mitarbeitern, die unter anderem den Umzug gemacht sowie Stromkabel und Wasserleitungen gelegt haben. Ohne die finanzielle Unterstützung der Bürgerstiftung als Träger und der örtlichen Firmen, etwa Steer Ladenbau und F + S Klimatechnik, wäre die neue Tafel Wenke zufolge nicht möglich gewesen.

Bei all dem Dank und Lob gehen die erschreckenden Zahlen, die der neue Leiter vorträgt, ein bisschen unter: Hatte die alte Tafel etwa 100 Kunden, davon 35 Familien, sind es seit dem Umzug vor wenigen Wochen 155 bis 160 Kunden, darunter etwa 55 Familien. Und das, obwohl die Tafel nun einen so prominenten Eingang hat und Insider vermuten, dass es viele Bedürftige gibt, die aus Scham ohnehin nicht zur Tafel kommen. Diese Personengruppe dürfte die neue Tafel noch eher meiden als die alte, wo man noch als Besucher des Kinderparks durchgehen konnte. Wenke beendet seine Rede mit den Worten: "Ich hoffe, die Zahlen steigen nicht weiter an." Denn schon jetzt werden die Lebensmittel in einem rollierenden System ausgegeben; die letzte Gruppe hat kaum noch Auswahl.

Lob und gute Wünsche hat Elisabeth Weller mitgebracht, die im Vorstand der Bürgerstiftung für die Tafeln im Landkreis zuständig ist. "Es ist nicht immer so, dass eine Kommune die Tafeln so unterstützt." Unlängst in Ostdeutschland habe sie erlebt, dass sogar gegen diese Einrichtung gearbeitet werde.

© SZ vom 24.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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