Literatur:Braune Fiktion und Satire

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Günter Mayr hat Texte gesammelt, die sich mit Fürstenfeldbruck als Heimat beschäftigen

Von Peter Bierl, Fürstenfeldbruck

Heimat ist angesagt. Im Fernsehen, in der Musik, in der Literatur, in der Politik. Als Heimatpartei buhlt nicht bloß die CSU um die Wählergunst sondern inzwischen auch die Grünen. Heimat klingt nach heimelig und geborgen, dazu gehören und sich wohlfühlen. Das wärmt das Herz in einer verrückten Welt und lässt einen vergessen, dass im Regelfall nicht die Hunnen die Idylle bedrohen, sondern heimische Unternehmen, Landwirte und Kommunalpolitiker für Umgehungsstraßen, Gewerbegebiete oder Aussiedlerhöfe sorgen. Günter Mayr, der Vorsitzende des Fördervereins Jexhof, hat sich angeschaut, wie sich Autoren die einen Bezug zum Landkreis haben, in den vergangenen knapp 150 Jahren mit dem Thema Fürstenfeldbruck als Heimat auseinander gesetzt haben.

Der Begriff an sich hat eine belastete Vergangenheit, die viel weiter zurückreicht als bis zum Nationalsozialismus. Seit der frühen Neuzeit war es ein juristischer Begriff und regelte, dass Arme von der Dorfgemeinschaft unterstützt werden mussten. Gleichzeitig schloss das Heimatrecht Fremde in Not rigoros aus, Dörfer wehrten sich gegen Zuwanderer, besonders zur Zeit der frühen Industrialisierung. Die kleinen Orte wären mit dem Pauperismus, wie man es damals nannte, wohl auch oft überfordert gewesen, etwa mit den tausenden von Eisenbahnarbeitern und Torfstechern im Haspelmoor. Seit der Romantik wurde der Begriff Heimat dann emotional aufgeladen. Aus der Heimatliebe sollte die Liebe zum großen Ganzen, zu Volk und Nation erwachsen. Die Heimatschutzbewegung, die nach 1900 entstand, war entsprechend braungrün.

Einen Eindruck davon vermittelt eine Passage aus dem Roman "Das Zimmer der Jugend" von Hans Brandenburg aus dem Jahr 1920. Brandenburg kam aus der Lebensreformbewegung, quasi den ersten Grünen, und entwickelte sich immer weiter nach rechts. Der Abschnitt, den Mayr zeigt, handelt von einer Wanderung, die der Ich-Erzähler in Begleitung von zwei Frauen zur Kaisersäule und zur Grabstätte des Antisemiten Julius Langbehn unter der Linde der heiligen Edigna in Puch unternimmt. Es ist ein schwülstiger Mix aus verklemmter Erotik und Blut-und-Boden-Ideologie. Zu diesem Zweck verfälschte Brandenburg die reale Geschichte, verfremdet die Namen.

Kaiser Ludwig der Bayerr starb bei der Bärenjagd in Puch, wo es bis heute ein Denkmal gibt. (Foto: Johannes Simon)

Langbehn heißt in dem Stück Sebastian, Puch wird zur schicksalsträchtigen Walstatt, auf der Kaiser Ludwig der Bayer "die furchtbare Flut der östlichen Barbaren" stoppte und dafür sein Leben gab. Fast tausend Jahre später hätte Langbehn sich extra deshalb diese Grabstelle ausgesucht, "auf steiler Höhe über dem Lande, das durch gemeinsames Blut erkauft worden war". Alles Quatsch: Eine solche Schlacht hat in Puch nie stattgefunden, der Kaiser erlitt einige Jahrhunderte nach dem Einfall von Hunnen und Ungarn auf der Bärenjagd einen Herzinfarkt und Langbehn wollte unter der Edigna-Linde begraben werden, weil er sich zu einem fundamentalistisch-mystischen Katholizismus bekehrt hatte.

Eher bieder sind die Texte, die Mayr von Ludwig Queri gefunden hat. Derbe Geschichten über Pfarrer, die es mit dem Zölibat nicht so genau nehmen, oder eine alte Ratschkathl, der auf dem Weg durch den Markt Bruck die Hunde in den Einkaufskorb pieseln. Die Nachbarin trocknet die dabei aufgeweichten Rohrnudeln am Ofen, damit der Bezirksamtmann - der Vorgänger des Landrats - nicht auf den Genuss verzichten muss. Die Lektüre macht deutlich, warum Queri nie so bekannt wurde wie etwa Oskar Maria Graf. Den Figuren fehlt der Tiefgang, es sind Geschichten zum Augenzwinkern und Schenkelklopfen. "Es ist nicht sozialkritisch, es wird nichts hinterfragt", sagt Mayr. Von ähnlicher Güte sind einige Stücke des frühpensionierten königlich-bayerischen Amtsrichters Erwin Schmidhuber, der sich über Sommerfrischler aus der Großstadt lustig macht, oder die Schnurre "Der Hosenknopf" des Oberpostrates Hermann Franz, der in den Zwanzigerjahren zu den Stammgästen im Hotel Post zählte.

Distanziert gegenüber den Einheimischen verhielt sich Hans Blaich alias "Dr. Owlglass", der bis zu seinem Tod einige Jahre in Bruck lebte. Den Bruckern wiederum blieb der Lebensstil des Lungenfacharztes fremd, wie Mayr berichtet. Man müsse aus Hagebuchenholz sein, schrieb Blaich in dem Gedicht "Lamento" über die Zeitgenossen: "Nur so behauptet man sich/in unseres Herrgotts gebenedeiten Tiergarten/Wo die Wildsau die erste Geige spielt". Blaich selbst agierte indes auch nicht immer hasenrein. Er war Redakteur als der Simplicissimus im Sommer 1914 dem Hurrapatriotismus verfiel und wirkte später, obwohl Gegner des Nationalsozialismus, an der Gleichschaltung der Zeitung mit.

Günter Mayr (Foto: Günther Reger)

Das einzige moderne Stück in Mayrs Sammlung ist ein Auszug aus dem Roman "Bierblick" von Helmut Eckl (1984). Darin gibt es eine Passage über einen Stammtisch, dessen Mitglieder aufs Korn genommen werden, darunter ein "Hörbach Toni", der unschwer als der Kreisheimatpfleger zu identifizieren ist. Eckls selbstkritisches Resümee lautet: "Die Stammtischler müssen einen gesunden Geldbeutel haben, eine verhältnismäßig gesunde Leber, viel Sitzfleisch und die Fähigkeit, sich meistens gegenseitig den gleichen Krampf anzuhören".

Für Mayr, gebürtig aus Ingolstadt, der seit mehr als fünf Jahrzehnten in Bruck lebt, ist allenfalls der Stammtisch seiner alten Schulkameraden in München so etwas wie Heimat. Ansonsten versteht er darunter einfach den Ort, an dem man geboren ist und an dem das Elternhaus stand. Besondere Gefühle für Ingolstadt hegt er deswegen nicht, verwurzelt fühlt er sich mit den Plätzen im Landkreis Fürstenfeldbruck, wo er engagiert war und ist.

© SZ vom 09.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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