Leserbriefe:Die Illusion von vier Fahrstreifen

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An der Stelle, an der noch ein Kreisverkehr die Raser auf der B 471 bremst, soll ein Tunnel entstehen. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Debatte um die von der CSU vorgeschlagene Untertunnelung Grafraths

"Grafrath fordert einen Tunnel" (19. Mai)

Die Aufnahme eines vierstreifigen Ausbaus der B 471 zwischen Geiselbullach und der Buchenau in den nächsten Bundesverkehrswegeplan sorgt in Grafrath für Aufregung. Es wird zurecht befürchtet, dass diese Baumaßnahme im Osten des Landkreises auch Auswirkungen auf die Verkehrsmenge in den Straßenabschnitten zwischen Buchenau und Inning hat. Der Gemeinderat Grafrath hatte sich deshalb bereits im Oktober 2014 mit 13 zu eins gegen den vierstreifigen Ausbau östlich von Buchenau ausgesprochen und den Bürgermeister aufgefordert, bei den einschlägigen Stellen Protest einzulegen.

Schon gilt das nicht mehr! Ein Teil der Gemeinderäte hat sich nun - unter Einfluss des Sprechers der CSU-Fraktion Kurz - eines anderen besonnen. Auf deren Antrag hin soll das erwartete erhöhte Verkehrsaufkommen im Grafrather Bereich zukünftig durch eine "Tunnellösung beim Kreisel" bewältigt werden. Dahinter steckt die Vorstellung, man müsse auch auf Grafrather Gebiet den vollen Verkehr des vierstreifigen Ausbaus bewältigen. Egal, ob zwei- oder vierstreifig: Hauptsache sei, dass Grafrath nicht zur Engstelle für den überörtlichen Verkehr wird! Die in der Gemeinderatssitzung ergänzend vorgeschlagenen Lärmschutzwände und Einhausungen von Marthashofen bis südlich der Klosterkirche entsprächen dabei wohl in besonderem Maße dem Motto: "Unser Dorf soll (noch) schöner werden"!

Der Gedanke hinter dem Antrag ist auf den ersten Blick nachvollziehbar und verständlich. Es gilt jedoch zu bedenken, dass als Folge einer "Ertüchtigung" nicht weniger, sondern mehr Verkehr durch Grafrath fließen würde. Und zwar um so mehr, je breiter die Straße ist! Es wäre deshalb falsch, die aus mehrfacher Sicht bestehende "Engstelle" bei Grafrath durch einen Tunnel mit vier Fahrstreifen zu beseitigen: Davor und dahinter würden als Folge seines Baues die Belastungen für Natur, Landschaftsbild und vor allem für die Anrainer ansteigen!

Grafrath wird nicht ernst genommen werden, wenn es mehr verlangt, als seinen offensichtlichen elementaren Bedürfnissen entspricht. Von einem Antrag kann man nur dann einen Erfolg erwarten, wenn er kein illusionäres Ziel hat. Und die Führung der B 471 durch Grafrath mit vier Fahrstreifen auf der bestehenden Trasse ist eine Illusion! Den Wildenrothern und Unteraltingern ist in den Sechzigerjahren durch den Bau der B 471 schon einmal ihr Wohnort und das Barockensemble Rassokirche/Kloster mittendurch zerschnitten worden. Das Plädoyer für die Reduzierung der Forderung auf eine vernünftigere und realistischere Lösung, also einen Straßen-tunnel mit einem durchgehenden Fahrstreifen für jede Fahrtrichtung (wie jetzt!) zu beschränken, blieb von der Mehrheit im Gemeinderat unberücksichtigt. Dabei würde dies den Erfordernissen genügen und die Anrainer nicht unnötig durch erhöhtes Verkehrsaufkommen belasten.

Es sollte Grafrath nicht allein darum gehen, innerhalb seiner Grenzen kein Hindernis für den schnellen Autofahrer zu haben. Wichtiger ist doch, endlich - nach überlebten 50 Jahren Terror durch Fernverkehr mitten im Ort - eine entlastende Lösung für die davon nachteilig betroffenen Menschen anzusteuern! Eine ortsverträgliche Lösung! Kein neuer Moloch!

Burkhard von Hoyer, Gemeinderat

(Bürger für Grafrath), Grafrath

Kühner Plan

Dieser Sinneswandel ist für mich nicht nachvollziehbar. Im Oktober 2014 stimmte der Gemeinderat noch 13 zu eins gegen einen vierspurigen Ausbau der B 471. Auf die damalige Forderung kam bislang keine Antwort. Nun will Dr. Kurz diesen Ausbau mit Untertunnelung der Amper.

Da bin ich ja gespannt, ob der Staat der Initiative folgt und Millionen unter der Amper und dem Kloster versenken wird! Ich denke, Herr Dr. Kurz will einfach nur mal wieder von sich Reden machen: Der Klosterwirt interessiert ihn nicht mehr. Bei der Verhinderung der Windenergiegewinnung geht auch nichts voran. Nun hat er sich eben eine Autobahn mitten durch Grafrath in den Kopf gesetzt.

Ich hoffe, dass ihm die Mehrheit im Gemeinderat nicht weiter folgt bei dem Vorhaben, mit Einhausungen der B 471 in Grafrath den Ort "zusammenzuführen"! Ein Tunnel "über Tage"? Allein das muss man

sich einmal bildlich vorstellen! Grafrath würde verschandelt und zum Allerweltsort herabgestuft.

Ganz zu schweigen vom Landschafts-Verbrauch, dem Dreck und Lärm als Folge eines vier- (oder vielleicht sollte man besser gleich sagen:) großspurigen Ausbaues.

Hanne Knecht, Grafrath

Die richtige Lösung

Der vierspurige Ausbau der B 471 von Geiselbullach bis zur Buchenau (FFB) ist beschlossene Sache. Unter Federführung des Ersten Landtagsvizepräsidenten Reinhold Bocklet, einem wesentlichen Initiator (siehe Leserbrief vor einigen Wochen) wird diese Gesamtlösung zur Entlastung der A 99 hin zur A 8 und weiter zur A 96 in den nächsten acht bis 15 Jahren realisiert. Zum anderen werden Gewerbegebiete ausgebaut (siehe Olching) oder entstehen in Schöngeising oder mittelfristig in Fürstenfeldbruck am Fliegerhorst. Der Verkehr wird dramatisch ansteigen auf der B 471.

Vor dem Hintergrund muss ich mich ernsthaft fragen, warum bisher die Engpasssituation Grafrath bei einer Gesamtlösung nicht beachtet wurde in den Planungen.

Fakt ist, dass in den Stoßzeiten am Allacher Tunnel und auf der A 96 die Autos dreispurig am Morgen vom Autobahnende bis über die Blumenau stehen und am Aubinger Tunnel im Block bereits abgefertigt wird. Auf der A 99 verbringen die Pendler Stunden im Auto und benötigen dringen eine Ausweichmöglichkeiten. Nun wird sicher einen löbliche Entlastungstangente (B 471) hier als überregionale Lösung eine gewisse Entlastung in Teilbereichen bringen, aber es wird bisher der kritische Engpass in Grafrath billigend in Kauf genommen. Das Verkehrschaos wird verlagert in den Westen. Ohne eine gesamtheitliche Betrachtung der B 471 als Zubringer der A 99 zur A 96 und umgekehrt, werden die Verkehrsproblem auf das Land verlagert.

Der kritische Engpass bei Grafrath mit der Einbettung zum Ampermoos und Amper erlaubt keine großzügigen Umfahrungslösungen. Der geforderte Tunnel ist zwar eine "gewagte Planungslösung", aber die richtige. Die Forderung des Gemeinderates Grafrath unter der Federführung der CSU, SPD und FLG haben exakt dieses Problem richtig thematisiert. Dieses bisherige Unterlassen der überregionalen Gesamtbetrachtung und der Engpasssituation zulasten der Region um Grafrath ist eine nicht akzeptable Fehlleistung. Oder sind Einzelinteressen von Wirtschaftszentren wichtiger als eine kleine Gemeinde im Westen?

Man kann sich das so vorstellen, als reduziere man ein Wasserrohr mit einem Meter Durchmesser auf 50 Zentimeter Durchmesser. Man braucht sich dann nicht darüber zu wundern, dass das Wasser überläuft, weil es vorne nicht schnell genug wegkommt.

Aber bei Autos ist das wahrscheinlich anders. Man kann sich sehr leicht vorstellen, wie der Effekt eines vierspurigen Ausbaus aussehen wird ohne Tunnellösung. Man kann dann gleich im Verkehrsfunk eine permanente Staumeldung bei Grafrath laufen lassen. Denn hier laufen die vier Spuren auf zwei Spuren und im Kreisel auf eine Spur. Man kann das sehr gut erkennen auf der A 96 gegen 16 bis 17 Uhr. Ein Stau bis zur Abfahrt Germering, denn dort müssen die Autos von drei auf zwei Spuren einfädeln in Richtung Gilching.

Wie geht es dann in Grafrath weiter? Wir haben nun einen Kreisverkehr, die Amper und das Ampermoos. Man kann ohne Tunnellösung mit "Einhausung" vom geplanten Verkehrschaos sprechen. Den Initiatoren aus Grafrath kann man nur danken, dass diese Betrachtung jetzt aufgezeigt wird. Hoffentlich wird die Tunnellösung berücksichtigt. Es ist die Aufgabe von Minister Dobrindt, diese überregionale Aufgabe zu lösen und einzugreifen.

Ohne die vernünftige Tunnellösung des Engpasses in Grafrath kann die überregionale Tangentenlösung auf der B 471 als Entlastungsstrecke der A 99 nicht funktionieren. Ich habe seit 40 Jahren eine Schreinerei. Ich kann nicht einfach ein Brett abschneiden, nur um etwas gemacht zu haben. Ich muss schon vorher etwas nachdenken, denn ich bin es dem Baum schuldig, etwas Ordentliches und Nachhaltiges zu bauen. Ein Schachspieler zum Vergleich, der denkt oft 30 bis 40 Züge voraus, bevor einen Zug macht. Grafrath hat den Tunnel verdient.

Michael Fischer, Grafrath

© SZ vom 11.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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