Lehrlinge an der Spitze:Vorsicht vorm Kartonmesser

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Von der Kasse übers Lager bis zur Warenbestellung lernt Samet Göz die Filiale kennen, die er zusammen mit anderen Auszubildenden leiten darf. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Auszubildende führen eine Aldi-Filiale in Fürstenfeldbruck und zeigen Mammendorfer Schülern ihren Beruf

Von Erich C. Setzwein, Fürstenfeldbruck

Wenn die Schüler der Dorothea-von-Haldenberg-Schule aus Mammendorf auch nur einen Tipp fürs Leben von ihrem Praxistag bei Aldi mitnehmen, dann den: beim Heben schwerer Lasten in die Knie gehen. Das spart, sagt Eray Ferik, der 19 Jahre alte Auszubildende in der Filiale an der Industriestraße in Fürstenfeldbruck, zum Beispiel beim Transport von Bananenkisten "Tonnen Belastung auf die Bandscheibe". Ferik ist einer von 14 Auszubildenden aus dem Gebiet von Aldi-Süd in Kleinaitingen, die drei Wochen lang in der Filiale an der Industriestraße in einem Azubi-Projekt selbstverantwortetes Arbeiten und Führung ausprobieren durften. Zum Abschluss hatten sie dazu die Gelegenheit, den Mammendorfer Schülern bei einem Praxistag zu vermitteln, was auf die Schulabgänger in einer Ausbildung beim Discounter zukommen kann.

So viele Praktika wie möglich

Arbeitssicherheit, wie sie Ferik den Schülern referiert, ist nur ein kleiner, aber wichtiger Teilbereich in der Ausbildung. Das Heben schwerer Lasten, das Öffnen der vielen Kartons mit einem scharfen Messer, die Wechsel zwischen Verkaufsbereich, Lager und Kassen - all das erleben die Schüler der achten und neunten Klassen aus Mammendorf. Die Schule ist "Bildungspartner" von Aldi Süd, wie Regionalverkaufsleiter Ralf Keckeis erklärt. Er selbst hält für die Schüler Bewerbungstraining ab, Aldi Süd bietet Betriebsbesichtigungen und Praktika an. Das kann entweder ein Schnupperpraktikum sein oder eines, das im Rahmen des Unterrichts angelegt wird und länger dauert. Keckeis rät den Schülern, so viele Praktika wie möglich in den unterschiedlichen Berufen zu machen, um den eigenen Berufswunsch herauszufinden. Am Ende der Schulzeit dazustehen und dann irgendeine Ausbildung anzugehen, sei keine Perspektive. Sein Credo: "Nach der Schule ist vor der Ausbildung, nach der Ausbildung ist vor der Karriere."

Berufsinfotag in Fürstenfeldbruck

Aldi Süd in Kleinaitingen bei Augsburg steht auf dem Ausbildungsmarkt in starker Konkurrenz. "Das Image des Kaufmanns ist sehr hoch", sagt Keckeis und verweist auf die vielen Ausbildungsrichtungen und Entwicklungsmöglichkeiten. Mit sechs Schulen sind Partnerschaften eingegangen worden, Mammendorf ist die einzige im Landkreis Fürstenfeldbruck. Keckeis erwartet, dass er auch in diesem Jahr wieder Bewerbungen von dort bekommt. Im direkten Gespräch sind die Aldi-Leute auch bei Berufsinfotagen präsent, wie etwa am 11. März in Fürstenfeldbruck.

Mit 24 Jahren Filialleiter

Ein Beispiel, wie ein Lebensweg gehen kann, wenn man die Ausbildung beim Discounter gemacht hat, ist der Leiter der Filiale an der Industriestraße, Benjamin Böhnke. Was die Azubis in der Filiale in den vergangenen drei Wochen erlebt haben, als sie in Früh- und Spätschichten die Verantwortung hatten, hat Böhnke selbst 2012 erfahren, als er in seinem dritten Lehrjahr im Azubi-Projekts der Filiale in Gilching (Kreis Starnberg ) war. Nachdem er nach seiner Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann den Handelsfachwirt draufgesetzt hatte, machte er nebenbei auch noch sein Studium und schloss als Betriebswirt ab. Seit vergangenen Juli leitet der 24-Jährige nun die Brucker Filiale.

Ein Banner klärt die Kunden über die Aktion in dieser Filiale auf. (Foto: Voxbrunner Carmen Mittelstetten)

Solche Wege haben auch Sophie Mrozek und Ramona Menzinger vor sich. Mrozek ist 20 Jahre alt und macht ihre Ausbildung in der Aldi-Filiale Kissing, die 19-Jährige Menzinger wird in Mering ausgebildet. Sie sind für drei Wochen nach Fürstenfeldbruck gependelt, um dort mit ihren Azubi-Kollegen die Filiale zu führen. Immer vier Azubis sind in der Frühschicht, die von 5.30 bis 14 Uhr dauert, und in der Spätschicht sind es zwischen 14 und 20. 30 Uhr ebenfalls vier. An Samstagen sind es, wie Benjamin Böhnke sagt, fünf Azubis.

Parcours für Hubwagen

Während Böhnke in diesen Tagen eher als Beobachter und Berater durch den Laden geht, kümmern sich die angehenden Kaufleute und Logistiker darum, dass der Laden läuft - und am Praxistag um die Schüler. Darauf haben sie sich mit besonderem Elan vorbereitet, die Freude, mit Jugendlichen, die nur ein paar Jahre jünger sind als sie selbst, zu arbeiten, und sie für den Beruf zu begeistern, erscheint echt und nicht aufgesetzt.

Freilich sind auch spielerische Elemente dabei, wie etwa die Hubwagenrallye im Lager, wo Paletten durch einen Parcours bugsiert werden müssen. Aber auch ganz reale Situationen. So sitzt nun nicht Eray Ferik an Kasse zwei, sondern eine Schülerin und zieht schon ganz geschickt einen Artikel nach dem anderen über den Scanner. Der Auszubildende Ferik schaut zu und gibt Tipps. Kein Spiel jetzt für die Schülerin aus Mammendorfer, denn die Kundin vor ihr ist echt und gleich wird sie bezahlen.

Auch Sophie Mrozek nimmt an dem Projekt der Auszubildenden teil. (Foto: Voxbrunner Carmen Mittelstetten)
© SZ vom 27.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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