Landwirtschaft:Der Kreislauf der Natur

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Johann Märkl mit einem seiner Bullen. Seine Tiere kennt der Bauer gut, deshalb kann er auch den Stier hinter den Hörnern kraulen. (Foto: Johannes Simon)

Johann Märkl führt in Landsberied den ältesten Bio-Bauernhof im Landkreis. Er ist überzeugt, dass die konventionelle Landwirtschaft auf Dauer nicht funktionieren kann

Von Ingrid Hügenell

Die Wiedergeburt der Natur kann Landwirt Johann Märkl im Frühling ganz direkt auf seinem Hof in Landsberied erleben. Bei den Kälbern, die geboren werden, bei den Schafen und ihren Lämmern, auch bei den Hennen, die wieder mehr Eier legen, wenn es wärmer wird. 50 bis 60 Rinder leben auf dem Hof in Landsberied, sieben Mutterschafe und ihre Lämmer, zwei Warmblut-Pferde, 40 Hühner und einige Katzen. Die Mutterkühe sind den Sommer über auf der Weide, die Schafe beweiden ein Biotop in Jesenwang, das sie so von Büschen und Bäumen freihalten. Weil fast alle seiner Tiere auf dem Hof geboren wurden, bis hin zu den Bullen, kennen sie den Bauern gut. Sie kommen zu ihm, wenn er auf den Wiesen nach ihnen schaut.

Zu den Nutztieren kommen die Spatzen, die im Stall nisten und zu denen sich im Sommer Schwalben gesellen. Auch ein Falkenpaar brütet in dem großen Offenstall, weil die Krähen es aus dem eigentlich für Eulen vorgesehenen Kasten unterm First regelmäßig vertreiben. "Die Vögel gehören auch dazu", sagt der 61-Jährige, "nicht bloß, weil die Falken die Mäuse wegfangen. Der Kreislauf muss funktionieren." Es sei auch schön, wenn auf dem Feld der Rotmilan vor dem Schlepper herfliege. "Das gehört doch zur Welt. Ohne die Vögel haben wir nur die Flugzeuge am Himmel, ist das schöner?"

Weil Märkl die Natur und seine Arbeit darin als Ganzes erlebt, ist der Biolandbau für ihn der richtige Weg. Weil er so von niemandem abhängig ist, vor allem aber wegen seiner Grundüberzeugungen: "Wir sind nur Gast auf der Erde", sagt er, und: "Man muss nicht das Optimum erzeugen." Dafür aber müsse man die Welt erhalten für die Nachfahren: "Die sollen nicht sagen, was hat denn unser Großvater gemacht?" Dass es funktioniere, sehe man ja: "Wir machen das jetzt seit 50 Jahren."

Seit 1967 ist der Hof der Märkls, den der Großvater gekauft hatte, eine Biolandwirtschaft. Er ist damit der älteste Bio-Betrieb im Landkreis Fürstenfeldbruck. Der Vater stellte damals auf Demeter-Bewirtschaftung um, das sei seinerzeit der einzige existierende Biolandbau-Verband gewesen, berichtet der jetzige Bauer. Von Demeter ging er 2014 weg, weil ihm die strengen Richtlinien die Haltung der genetisch hornlosen Charolais-Rinder untersagen wollten, die er zur Fleischproduktion hält. Auch eine vielversprechende junge Milchkuh hätte er schlachten sollen, weil sie aus irgendeinem Grund keine Hörner bekam. Ideologie ist Märkls Sache nicht. "Das kann's doch nicht sein", sagt er, noch immer erbost. Ein gutes Tier zu schlachten wegen der fehlenden Hörner - das ging ihm nicht ein. Lieber wechselte er zum weniger strengen Bioland-Verband.

"Das kann's doch nicht sein" ist ein Satz, den Märkl häufig gebraucht, wenn es um die Landwirtschaft geht. "Güllen, düngen, mähen und dann wieder güllen, düngen, mähen - das hat mit Nachhaltigkeit nichts zu tun", sagt er über die konventionellen Kollegen, die bis zu sechsmal, teilweise sogar siebenmal im Jahr die Wiesen mähen und zwischendurch mit Gülle und Kunstdünger nachhelfen, damit schnell viel wächst - aber fast nur Gras, was den konventionellen Bauern freut, weil sein Futter so mehr Eiweiß hat und die Kühe dann mehr Milch geben.

Wird so oft gemäht, können aber die Blumen einer Wiese nicht mehr aussamen. "Ein Grünland, wo was blüht, das finden Sie ja fast nimmer", sagt Märkl. Für blütenbesuchende Insekten ist das eine Katastrophe. Hinzu kommt die Mahd mit modernen Scheiben- oder Trommelmähwerken, die einen Luftsog erzeugt, dem die Insekten nicht entkommen könnten. "Auf einem Hektar kann bei der Mahd so ein ganzes Bienenvolk kaputt gehen", sagt Märkl. Das gelte für Biobetriebe genauso wie für konventionelle. Er selbst mäht dreimal pro Jahr, der erste Schnitt für die Silage erfolgt um Pfingsten herum, der zweite ergibt Heu, der dritte spätes Heu, auch Grummet genannt. Das Dürrfutter, Heu und Grummet, fressen die Tiere besonders gern. Gedüngt wird nur mit Kompost. Seine Wiesen blühen. Dennoch sagt Märkl: "Ich tät mir wünschen, das mehr drin wäre" - mehr Pflanzenarten. Der Biobauer hält wenig von der ständigen Beschleunigung in der Landwirtschaft. Nur drei oder vier Jahre lebe eine Hochleistungskuh, dann sei sie verbraucht und werde geschlachtet. Seine älteste Mutterkuh hingegen steht seit 15 Jahren bei ihm im Stall, die älteste Milchkuh seit fast 13 Jahren, sie hatte schon zehn Kälber. Dabei rechnet auch Märkl: Was kostet eine Kuh, bis sie das erste Kalb kriegt, also das erste Mal Milch gibt? Was kostet die künstliche Besamung, was das Kraftfutter, das eine Milchleistung von 10 000 Litern pro Jahr erst ermöglicht?

Seine Kühe werden auf der Weide vom Stier begattet, das Kraftfutter spart er sich, seine Tiere fressen die Silage und das Dürrfutter, das er selbst erzeugt. Seine Kühe geben nur 5500 oder 6000 Liter Milch pro Jahr, aber das rechne sich trotzdem: "Alles, was ich nicht ausgebe, brauch' ich auch nicht einnehmen." Fleisch, Eier und Kartoffeln, Mehl und Gemüse verkaufen er und seine Frau direkt ab Hof, auch die Milch vermarktet er selbst. Für kleinere Betriebe wie seinen funktioniert das gut, zumal Märkl auch noch Raumausstatter-Meister ist. Das Geschäft mit der Milch, davon ist Märkl überzeugt, machten ohnehin die Molkereien und die Futtermittelhersteller, die Landwirt trügen das Risiko.

"Das kann's doch nicht sein", sagt der Biobauer auch zur Devise des Bauernverbands, aus dem er schon lange ausgetreten ist: Wachse oder weiche. "Das funktioniert nicht. Wo sollen wir denn hinwachsen? Der Boden ist doch nicht vermehrbar!" Märkl hat eine andere Idee: "Man muss vielleicht mit etwas weniger zufrieden sein, weil man ja von dem Mehr nix mitnehmen kann." Er hofft, dass auch in der konventionellen Landwirtschaft ein Umdenken einsetzen wird angesichts der Probleme, die immer mehr sichtbar werden. Märkl denkt an das Artensterben der Pflanzen und Tiere, das längst auch Allerweltsarten erwischt hat, ebenso an übernutzte und überdüngte Böden, die ihre Fruchtbarkeit verlieren. Das per Verordnung eingeführte "Greening", bei dem ein kleiner Prozentsatz der Flächen ökologisch bewirtschaftet werden muss, sieht er als einen ersten Schritt in die richtige Richtung.

Seine Ansichten vertritt Märkl sowohl im Gemeinderat von Landsberied als auch im Kreistag. In beiden Gremien sitzt er für die Grünen, Parteimitglied ist er aber nicht. Mit seinen Ansichten hat er sich in seinem Dorf nicht unbedingt nur Freunde gemacht. Darauf führt er auch zurück, dass er den großen neuen Stall nicht bei seinem Hof gegenüber der Kirche bauen durfte, sondern ihn etwas außerhalb errichten musste. Das erschwert das Wirtschaften und ist wegen der Fahrtwege nicht direkt nachhaltig. Dennoch will Märkls Sohn Johannes den Hof weiterführen. Auch er hat einen anderen Beruf gelernt: den des Informatikers. Verbrauchern, die die bäuerliche Landwirtschaft unterstützen wollen, rät Märkl, bevorzugt Produkte zu kaufen, die in der Region erzeugt worden seien. Bio müsse nicht unbedingt sein.

© SZ vom 31.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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