Landschaftsaufnahmen:Brachvogel vertritt Bambi

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Der Brucker Naturfilmer Florian Guthknecht wollte ein Rehkitz durch die Jahreszeiten begleiten. Obwohl ihm die Natur zunächst einen Strich durch die Rechnung macht, entsteht doch noch eine sehr sehenswerte Doku übers Ampermoos

Von Stefan Salger, Grafrath

Insgesamt sechs Monate lag Florian Guthknecht mit seinem Kamerateam an den Ufern der Amper auf der Lauer - frühmorgens, mittags, bei Dämmerung, nachts. Es hat sich gelohnt: Am Montag ist im dritten Programm von 21 Uhr an in der Reihe Bayern erleben die 45-minütige Dokumentation "Zuflucht Ampermoos" zu sehen. Entstanden ist seit Anfang Januar ein dichter Film mit wunderschönen Landschaftsaufnahmen sowie Einblicken in die Tier- und Pflanzenwelt dieses einzigartigen Niedermoors.

1982 wurde das Ampermoos zum Naturschutzgebiet erklärt. (Foto: Florian Guthknecht)

Der Streifen ist ein Plädoyer für den Erhalt der Umwelt - ohne erhobenen Zeigefinger, allein durch die Kraft der Bilder, durch Nebelschwaden im Morgenlicht oder Momentaufnahmen, in denen ein ins Mondlicht getauchter, kaum sechs Kilometer langer und ein paar Hundert Meter breiter Streifen völlig von der Zivilisation verschont geblieben zu sein scheint. Die Probleme durch Torfabbau, Überdüngung, einen sinkenden Grundwasserspiegel oder die Bedrohung durch immer mehr Siedlungen und Gewerbegebiete werden einen Moment lang ausgeblendet, nicht ohne sie an passender Stelle um so eindringlicher in Erinnerung zu rufen. Der 48 Jahre alte, in Fürstenfeldbruck aufgewachsene Dokumentarfilmer gelangte noch zu einer erschreckenden Erkenntnis: Das Insektensterben ist keine ferne Vision mehr, wie dies vor zehn Jahren noch der Fall gewesen sein mag, als Guthknecht bereits an gleicher Stelle bei einem Dreh dicht umsurrt war. "Diesmal haben wir nur ganz wenige Insekten angetroffen, das ist wirklich schlimm, eine Katastrophe."

Das Ampermoos aus der Luft. (Foto: Florian Guthknecht/oh)

Nicht alles lief nach Plan bei den aufwendigen Arbeiten. So war zunächst geplant gewesen, ein Rehkitz durch seine ersten Lebensmonaten und die sich wandelnden Jahreszeiten zu begleiten. Tierwelt und Natur aber sind unberechenbar. Die Temperaturstürze im zurückliegenden Winter waren aber so heftig, dass kein Kitz überlebten. Das Glück war dem Filmteam dann doch noch hold, flog ihm doch ein recht seltener Gast buchstäblich vor die Linse und bot sich an zur Begleitung aus der Distanz: der Brachvogel, ein Exot unter den 60 Brutvogelarten. In den Fokus genommen wurden unter intensiver Betreuung des Biologen Christian Niederbichler und der Grafrather Vogelschützerin Susanne Hoffmann zudem Kornweihen, Rohrammern, Hasen, Rot- und Schwarzwild, Schnecken, vereinzelte Libellen oder seltene Bachmuscheln am Grund der Amper. Auch ein ebenso schlauer wie ungebetener Gast tauchte hin und wieder auf: der (springende) Fuchs, der die Gelege der am Boden brütenden Brachvögel regelmäßig ausplündert und dem die Biologen mit Hundehaaren, Geruchsspray oder als Ultima Ratio sogar der Umzäunung der Nester mit Elektrodraht beizukommen versuchen. Vor fünfzehn Jahren gab es dort keine Brachvogel-Brutpaare mehr, heute sind es wieder acht. Der Vogelturm bei Kottgeisering diente dem Team als Aussichtswarte und buchstäblich "als Fenster ins Ökosystem".

Guthknecht zahlte für die einzigartigen Einblicke in das Naturrefugium freilich einen hohen Preis: Die Freude darüber, das ihm ein namhafter Kamerahersteller ein 80 000 Euro teures Spezialtele mit 1200 Millimeter Brennweite zur Verfügung stellte, wurde getrübt durch den Crash zweier hochauflösender 4K-Kameradrohnen. Einem der ferngesteuerten Flieger ging vermutlich wegen der Kälte der Saft aus. Gerade noch auf Augenhöhe mit der Graf-Rasso-Kirche, ging es ihm und der teuren Technik nass rein - er stürzte in die Amper. Dort gesellte sich auch sein Nachfolger zu ihm, der einen dünnen Ast "übersehen" hatte. Eine dritte Drohne, die nicht mehr auf Steuersignale reagierte und drei Meter über dem Schilf schwebte, pflückte ein auf Guthknechts Schultern sitzender Kameramann aus dem Himmel.

Im Flussbett der Amper spüren Florian Guthknecht und sein Kamerateam den seltenen Bachmuscheln nach. (Foto: Florian Guthknecht)

Ende Februar bricht Florian Guthknecht zu seinem nächsten Filmprojekt nach Brasilien auf, um am Amazonas das Training ausgewilderter Seekühe zu dokumentieren.

© SZ vom 15.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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