Landrat Thomas Karmasin:Streit um Geflüchtete

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Asylhelfer werfen dem Landrat vor, Arbeitsgenehmigungen "unverändert restriktiv" zu erteilen. Karmasin widerspricht der Darstellung, sein Spielraum habe sich durch neue Vorgaben des Ministeriums erweitert

Von Peter Bierl, Fürstenfeldbruck

Die Asylhelfer bleiben bei dem Vorwurf, dass Landrat Thomas Karmasin (CSU) zu viele Flüchtlinge nicht arbeiten lässt. Neue Vorgaben des bayerischen Innenministeriums hätten den Spielraum sogar erweitert, würden aber in Fürstenfeldbruck nicht ausgeschöpft, klagen sie. Der Landrat wies die Vorwürfe zurück. Er sprach von pauschalen Behauptungen. Die Ehrenamtlichen wiederum widersprachen einer Darstellung Karmasins, er habe mit ihnen zusammen Richtlinien entwickelt, die angewendet würden. "Es gab mehrere Gespräche, aber keine Absprache", betonte Hans Sautmann vom Helferkreis in Eichenau.

Anfang 2017 schlugen die Asylhelfer Alarm, weil das Landratsamt die Arbeitsgenehmigung von etwa 150 Geflüchteten nicht verlängerte. Zuvor hatte die Staatsregierung verfügt, dass nur Flüchtlinge mit guten Chancen auf Anerkennung arbeiten dürften. Seitdem halten die Ehrenamtlichen dem Brucker Landrat vor, er würde die Vorgaben noch härter auslegen als mancher CSU-Amtskollege. Damals erklärte Karmasin, jeder Einzelfall und insbesondere Härtefälle würden in seinem Haus sorgfältig geprüft. Aber er plädiere für eine harte Linie. "Arbeit führt zur Integration, und das ist das Gegenteil von Heimreise".

Im vergangenen Jahr gingen laut einer Statistik des Landratsamtes 437 Anträge von Flüchtlingen ein, davon wurden 336 abgelehnt. Das Nachsehen hatten vor allem Afrikaner und Pakistani sowie 22 Afghanen. Im ersten Halbjahr 2019 wurden bisher 120 Anträge abgelehnt und 101 genehmigt. Von 41 Ausbildungsanträgen wurden im Vorjahr 21 abgewiesen.

Im März erließ das Ministerium neue Vollzugshinweise. Darauf bezog sich Gudrun Brendel-Fischer (CSU), Integrationsbeauftragte der Staatsregierung, neulich bei einem Besuch in Puchheim. Demnach würde etwa die Klärung der Identität "nicht mehr so scharf gesehen". Mit einem Ja antwortete die CSU-Politikerin auf die Nachfrage, ob sie die restriktive Praxis in Fürstenfeldbruck überraschend fände. Als sich darüber eine Diskussion in den sozialen Medien entspann, erklärte Karmasin, die Vorgaben hätten sich nicht entscheidend verändert. Im übrigen habe er mit den Asylhelfern zusammen Richtlinien entwickelt, die angewendet würden.

Dieser Darstellung haben Hans Sautmann und Bernhard Harles vom Puchheimer Helferkreis widersprochen. Von gemeinsamen Richtlinien könne keine Rede sein. "Das ist nicht korrekt, nicht nur wir haben die Praxis unseres Landratsamts immer wieder kritisiert", betonte Harles. Es habe konstruktive Gespräche gegeben, aber Karmasin keine Veranlassung für ein Entgegenkommen gesehen, sagte Sautmann. Bei einem Koordinationstreffen der Asylhelferkreise des Landkreises am Dienstag hätten alle berichten, dass sich an der Praxis nichts geändert hat. "Es ist unverändert restriktiver als anderswo."

Das Landratsamt bezeichnete die Vorwürfe als pauschal. Die Frage sei, ob man unterschiedliche Fälle in verschiedenen Landkreisen gleichsetzen könne, sagte Pressesprecherin Ines Rollecke. Im übrigen könnten die Asylhelfer ihre Kritik nicht belegen, die Kreisbehörde allerdings auch nicht das Gegenteil beweisen.

Deutlich widersprach Rollecke der Auffassung, die Klärung der Identität würde lockerer gehandhabt. Die neue Weisung besage nicht, dass jedes Dokument akzeptiert werden müsse. "Manche Dokumente sind in keiner Weise geeignet, einen Rückschluss auf die Identität zu geben." Deshalb prüfe man jeden Einzelfall sorgfältig. Zwar können andere Dokumente wie etwa Geburtsurkunden herangezogen werden. "Aber grundsätzlich legt das Ministerium Wert darauf, dass diese Dokumente geeignet sind, einen Pass oder Passersatz zu beschaffen", sagte Rollecke. Sautmann schilderte zwei Fälle aus Eichenau: Die Betroffenen hätten ihren Botschaften Geburtsurkunden vorgelegt, aber einfach keine Pässe bekommen. Harless verwies darauf, dass Somalier keine Chance hätten belastbare Urkunden zu bekommen. Der Staat existiert faktisch nicht mehr, sondern wird von Warlords und Islamisten beherrscht. Dass die Lage in Somalia schwierig ist, sei der Behörde bewusst, man suche Lösungen, erklärte Roellecke.

Zu dem von Harles vorgebrachten Fall eines jungen Afrikaners, der trotz Mittelschulabschluss, hervorragender Sprachkenntnisse, Praktika und mehrerer Ausbildungsangeboten noch keine Genehmigung hat, konnte Roellecke nichts sagen. Der Antrag werde noch geprüft.

Dem Eindruck, das Landratsamt verfahre in eigener Sache großherziger, widersprach die Juristin. Im Freibad Mammendorf arbeitet seit fünf Jahren ein Flüchtling aus Asien, dessen Arbeitserlaubnis erlosch, als sein Asylantrag abgelehnt wurde. Das Freibad hätte aus Personalmangel die Öffnungszeiten reduzieren müssen. Der Landrat kündigte Ende Juni an, sich rasch um eine neue Erlaubnis zu bemühen. Die liegt inzwischen vor. "Wir achten darauf, dass es keine Sonderbehandlung gibt", betonte Roellecke.

© SZ vom 12.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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