Landgericht:Teurer Türöffner

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Schlüsseldienst vom Vorwurf des Wuchers freigesprochen

Von Andreas Salch, Germering

Ein Moment der Unachtsamkeit und schon war es passiert. Die Wohnungstüre war zugefallen. Der Schlüssel steckte - innen. Vincent K. ( Name von der Redaktion geändert) hatte sich ausgesperrt. Der 32-Jährige, der allein in einer Wohnung in Germering wohnt, klingelte bei seinem Nachbarn und bat ihn, einen Schlüsseldienst im Internet zu suchen. Vincent K. weiß heute, dass er das besser nicht hätte machen sollen. Er hätte sich so jede Menge Ärger und 414,12 Euro sparen können. So viel nämlich verlangte Mohamed H. von Vincent K. für das Aufsperren der Wohnungstüre mit einem "Drähtchen". Die Arbeit dauerte knapp drei Minuten. Für das Amtsgericht Fürstenfeldbruck war der Fall klar. Im Januar verurteilte es Mohamed H. wegen Wuchers unter anderem zu einer Geldstrafe in Höhe von 900 Euro (30 Tagessätze à 30 Euro). Gegen diese Entscheidung legte der 22-Jährige jetzt vor dem Landgericht München II Berufung ein und hatte damit auch noch Erfolg. Obwohl Mohamed H. für das Öffnen der Wohnungstür einen laut Staatsanwaltschaft "etwa vierfach überhöhten Preis" verlangte hatte, sprach ihn das Gericht frei.

Entscheidend für Richterin Sabine Klemt war, dass sich Vincent K. am Spätnachmittag des 16. Juli 2016, einem Samstag, nicht in einer "Zwangslage" befand, als er den Schlüsseldienst beauftragte, für den Mohamed H. damals arbeitete. Auch der Vertreter der Staatsanwaltschaft kam in seinem Plädoyer zum selben Ergebnis. Es bestand keine Zwangslage. Deshalb forderte auch er einen Freispruch. Ebenso natürlich der Verteidiger von Mohamed H. In der Wohnung von Vincent K. hatte es keinen Rohrbruch gegeben und auch der Herd war nicht an, argumentierte Rechtsanwalt Chapar Golkar. Außerdem sei Vincent K. studierter Jurist und überdurchschnittlich begabt. Er hätte ja einfach einen anderen Schlüsseldienst rufen können, meinte der Verteidiger.

Wenn man bei Google "Schlüsseldienst Germering" eingibt, erscheine als erstes der Anbieter, den er beauftragt habe und kein ortsansässiger, so Vincent K. Dieser hat seinen Sitz in Essen und eine 0800er-Nummer. Die Mitarbeiter des Unternehmens arbeiten bundesweit. Mohamed H. habe sich damals zufällig im Raum München befunden, so sein Anwalt. Deshalb sei per SMS von Essen aus beauftragt worden, nach Germering zu fahren.

Vincent K. wartete fast drei Stunden, ehe Mohamed K. kam. Er habe auf die Toilette gemusst, so K. Als er die 414,12 Euro gezahlt habe, habe er sich gedacht, "das ist schon heftig". Noch am selben Abend recherchierte er die Preise von Schlüsseldiensten im Internet. Ergebnis: 150 bis 200 Euro seien angemessen.

"Ich fühlte mich hopsgenommen", so der 32-Jährige in der Verhandlung vor dem Landgericht. Er habe sich in einer Notlage befunden und Mohamed H. habe das ausgenutzt. Warum er nicht über den Preis verhandelt habe, fragte der Verteidiger von Vincent K. Das sei ihm erst später eingefallen, erwiderte der. "Ich kenne einen Menge Leute, die zeigen den Stinkefinger und zahlen nur die Hälfte oder gar nichts", sagte Rechtsanwalt Golkar zu Vincent K. Der entgegnete: Er sei Beamter auf Lebenszeit und wolle nicht auffallen.

Der Inhaber eines Aufsperrdienstes aus Germering, den das Gericht als sachverständigen Zeugen geladen hatte, sagte, bei ihm hätte das Aufsperren mit Samstagszuschlag alles in allem rund 120 Euro gekostet. Aber es gebe eine Grauzone. Vor Kurzem sei er in einem anderen Verfahren als Sachverständiger geladen gewesen. In diesem Fall habe der angeklagte Schlüsseldienstmitarbeiter für das Öffnen einer Tür 2800 Euro verlangt.

© SZ vom 07.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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