Landgericht:Mit der Spielzeugpistole durch Germering

Lesezeit: 2 min

Ein 36 Jahre alter Akademiker verhält sich auffällig und steht nun vor Gericht. Ihm droht die geschlossene Psychiatrie

Von Andreas Salch, Germering/München

Inzwischen fühlt er sich "ruhig und ausgeglichen". Das war nicht immer so im Leben von Guido F. ( Name geändert). In den vergangenen Jahren fiel er immer wieder durch, "komische Aktionen" auf. So nennt es der 36-jährige Diplomsoziologe. Bei seinen Mitmenschen kamen diese "komischen Aktionen" jedoch alles andere als gut an. Unter anderem bedrohte F. den Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter oder lief, wie am 5. Januar vorigen Jahres, mit zwei Spielzeugpistolen durch Germering, wo er früher zur Schule gegangen war. In der Unteren Bahnhofstraße hatte er in der Auslage eines Geschäftes die beiden "einladend drapierten" Spielzeugpistolen gesehen. Guido F. kaufte sie. Anschließend sei er "viel rumgewandert", so der 36-Jährige, der sich seit Dienstag vor dem Landgericht München II verantworten muss.

An jenem Tag hatte Guido F. sein Gesicht mit einem Filzstift bemalt. In der Filiale einer Bank fragte er nach einer Mappe für Kontoauszüge. Beim Verlassen tat er so, als würde er auf die Überwachungskameras in der Bank schießen. Die Angestellten hätten darauf "lässig" reagiert, behauptete F. bei seiner Vernehmung vor der 1. Strafkammer. Anschließend betrat er einen Backshop. Dort richtete er eine der beiden Pistolen auf eine Verkäuferin und forderte sie auf, ihm eine Butterbreze zu geben. Die Angestellte behielt die Nerven. Sie warf den Diplomsoziologen kurzerhand aus dem Geschäft. Danach wollte sich der 36-Jährige in einem Wirtshaus eine leere Bierflasche mit Bier füllen lassen. Als sich die Bedienung weigerte, hielt ihr Guido F. eine der Spielzeugpistolen vors Gesicht und drückte zweimal auf den Abzug. Auch die Bedienung wollte den Diplomsoziologen daraufhin vor die Tür setzen. Doch F. blieb und setzte einem Gast eine Pistole auf den Hinterkopf und betätigte erneut den Abzug. Danach verließ er das Wirtshaus, um kurze Zeit später in einer Bäckerei noch einen farbigen Kunden mit dem Tode zu bedrohen. Erst da wurde er festgenommen.

Seit diesen Vorfällen ist Guido F. im Isar-Amper-Klinikum in München-Haar aufgrund eines Beschlusses des Oberlandesgerichts München einstweilig untergebracht. Ärzte haben bei ihm eine paranoide Schizophrenie diagnostiziert. Da der 36-Jährige aufgrund seiner Erkrankung strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden kann, hat die Staatsanwaltschaft beantragt, F. dauerhaft in einer geschlossenen psychiatrischen Einrichtung unterzubringen. Es sei zu erwarten, dass er auch in Zukunft "erhebliche rechtswidrige Taten" begehen werde. Der 36-Jährige sei somit für "die Allgemeinheit gefährlich".

Guido F. redet ruhig und bedächtig bei seiner Vernehmung. Es hängt wohl damit zusammen, dass er seit seiner einstweiligen Unterbringung im Isar-Amper-Klinikum Neuroleptika nehmen muss. In den vergangenen Jahren befand er sich immer wieder in psychiatrischer Behandlung. Erstmals 2008. "Ich war durcheinander", antwortete der Diplomsoziologe, als ihn der Vorsitzende, Richter Thomas Bott nach dem Grund fragte. Zwei Jahre später verschrieben Ärzte dem 36-Jährigen Neuroleptika. Doch er nahm sie nicht regelmäßig. 2015 wurde F. drei Mal eingewiesen. Mal hatte er sich für einen Agenten des Bundesnachrichtendienstes gehalten oder war in Stuttgart zur Polizei gelaufen und hatte gefragt, ob er Schießübungen machen dürfe. An einem vor seiner Wohnung geparkten Auto zerstach er zwei Reifen und hängte mit Urin gefüllte Plastikbeutel daran. Im November 2015 bedrohte er mehrere Mitglieder der Münchner SPD mit dem Tode. F. hatte zuvor in die Partei eintreten wollen, was ihm jedoch verweigert wurde. Und auf der Facebook-Seite des Münchner Oberbürgermeisters veröffentlichte der 36-Jährige folgenden Kommentar: "Dieter Reiter ist ja bald tot, hat mir ein Vögelchen gezwitschert." Die Bedrohung wurde ernst genommen, man verstärkte die Sicherheitsmaßnahmen für den OB. Der Prozess dauert an.

© SZ vom 11.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: