Kunst:Liebevoller Perfektionist

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Der Germeringer Künstler Herbert Lentz hätte in dieser Woche seinen 100. Geburtstag gefeiert. Zwei Jahrzehnte lang war er einer der gefragtesten Illustratoren der Bundesrepublik

Von Florian J. Haamann, Germering

Jeder, der schon mal in München in der Oper oder im Residenztheater war, hat den Germeringer Künstler Herbert Lentz wohl innerlich kurz verflucht - freilich ohne es zu wissen. Denn Lentz war es, der das komplexe und für manchen Schuh unangenehme Steinmuster auf dem Max-Joseph-Platz entworfen hat. Doch es ist nicht dieses Muster, das Lentz zu einem der gefragten Künstler in der ganzen Bundesrepublik gemacht hat. Vielmehr waren es die Buchillustrationen, unter anderem für Otfried Preußler, mit denen Lentz berühmt geworden ist. In dieser Woche wäre der Germeringer 100 Jahre alt geworden.

Etwa 250 Kinderbücher hat Herbert Lentz illustriert, einige davon stammen von Otfried Preußler (Foto: Günther Reger)

Entstanden sind all seine Illustrationen in einem kleinen Haus im idyllischen Nebel, einem Ortsteil von Germering. Dort gibt es eine hübsche Kapelle, ein paar alte Höfe, mittlerweile eine Handvoll Neubauten - und das kleine Architektenhaus, das ein Freund für die Familie Lentz entworfen und gebaut hat. Karin, die Witwe des Künstlers, lebt dort immer noch. In den Wänden hängen einige von Lentz' Gemälde, in den Schränken finden sich einige, aber weitaus nicht alle der 250 von ihm illustrierten Bücher. Ein Museum hat Karin Lentz aus dem Gebäude aber nicht gemacht, auch das ehemalige Atelier ist zu einem Arbeitsraum umgestaltet. 2015 hat sie im Germeringer Museum eine Ausstellung organisiert, es sollte die letzte mit den Werken ihres Mannes sein. Aber nun, zum Jubiläum, hat sich die 83-Jährige von der Stadt überreden lassen, für den Herbst noch einmal eine Werkschau zusammen zu stellen.

Die Gemälde von Herbert Lentz sind fotorealistisch. (Foto: Günther Reger)

Es ist wie die Fortsetzung einer Jahrzehntelagen Arbeitsteilung. Er, der Künstler, sie, die Macherin. Nebenbei, versteht sich, im Hauptberuf war sie Lehrerin. Karin Lentz war es, die ihrem Mann überhaupt erst den Job verschafft hat. "Er hat immer viel illustriert. Dostojewski zum Beispiel. Aber immer nur für sich. Also habe ich mir eines Tages einige Illustrationen geschnappt und mich von ihm zu einem Münchner Verlag fahren lassen", erzählt die 83-Jährige, "während er unten auf dem auf dem Roller gewartet hat, bin ich hoch und habe dem Chef die Bilder gezeigt. Der war sofort begeistert. Aber Herbert selbst hätte sich das nie getraut". Das war Anfang der Sechzigerjahre. Gut 20 Jahre lang, bis zu einem tragischen Unfalltod 1985, hat Lentz dann wie ein Besessener gearbeitet. "Er war von morgens bis abends im Atelier", erinnert sich Karin Lentz. Unterbrochen hat er die Arbeit nur für seine tägliche Laufrunde. Zehn bis 15 Kilometer. Eines seiner bekannten Bilder ist ein Selbstporträt, das Lentz mit einem Stirnband, tiefen Falten, erschöpftem, aber kämpferischem Gesicht zeigt.

Herbert Lentz in seinem Atelier. (Foto: Ortwin Scheider)

Die Malerei war Lentz dabei genauso wichtig wie das Illustrieren. Nur das eine war sein Brotjob, das andere sein Hobby. Viele Jahre hat es gedauert, bis er dafür die richtige Ausdrucksform gefunden hat. Angefangen hat es im Stil der alten Meister, wie ein Porträt von Lentz' Mutter zeigt, und geendet im Fotorealismus. Darin hat er es dann zur absoluten Meisterschaft gebracht. Erst wenn man näher als einen Meter an seine Werke Bilder herantritt, kann man überhaupt sagen, dass es sich um ein Gemälde und nicht um eine Fotografie handelt. Beispielhaft dafür steht eine zerrissene Coladose, die Lentz in Italien gemalt hat.

Wie sehr er Perfektionist war, lässt eine Geschichte erahnen, die Karin Lentz erzählt. Einmal seien sie im Urlaub in Südfrankreich gewesen. Herbert habe sich auf einen Felsen an der Küste gesetzt und ein Haus gemalt. Der Besitzer habe den Künstler entdeckt und das Bild kaufen wollen. "Mein Mann hat ihm gesagt, dass es noch nicht fertig ist, er solle doch in einer Stunde wieder kommen. So ging es dann mehrere Stunden immer wieder. Am Abend hat uns der Mann ins sein Haus eingeladen. Plötzlich erklärte Herbert, er kann das Bild so nicht hergeben, er habe gerade einen minimalen Wasserfleck entdeckt, wahrscheinlich von einer Welle, die gegen den Felsen gebrandet ist". Also habe er noch einmal eine ganze Weile weiter gearbeitet - bis der Fleck auf dem Aquarell auch nicht mehr zu erkennen war. Erst danach durfte der neue Besitzer sein Werk endlich in Empfang nehmen.

Die Bücher, die der unermüdliche Herbert Lentz illustriert hat, sind heute nur noch antiquarisch zu bekommen. Bis auf wenige Ausnahmen. "Die dumme Augustine" von Lentz und Preußler etwa ist gerade in der 43. Auflage bei Thienemann erschienen. Die erste Auflage stammt aus dem Jahr 1972. In den Illustrationen steckt alles, was seinen Stil ausmacht: Präzision in jeder Bewegung und Proportion, liebevolle Details - und die kugelrunden Köpfe der Menschen - Lentz' Markenzeichen.

© SZ vom 06.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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