Kunst:Gebundene Meisterwerke

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Das Stadtmuseum Fürstenfeldbruck zeigt in seiner aktuellen Ausstellung Kunstbücher aus der Sammlung von Reinhard Grüner. Dabei wird deutlich, wie breit das Spektrum dieses ganz besonderen Genres reicht

Von Florian J. Haamann , Fürstenfeldbruck

Es ist die Dokumentation einer absolut außergewöhnlichen Sammlung: Das Museum Fürstenfeldbruck zeigt in einer beeindruckenden Ausstellung 60 Werke aus der über 1500 Ausgaben umfassenden Kunstbuch-Sammlung von Reinhard Grüner, darunter eine Reihe von Unikaten, die teilweise eigens für Grüner angefertigt worden sind. Von diesem Donnerstag an ist die Schau im Kunsthaus neben dem Museum zu besichtigen.

Empfangen wird der Besucher von einer Auswahl an den Sammler gewidmeter Exemplare. Schon das erste Werk eröffnet die Debatte darüber, was unter einem Kunstbuch eigentlich zu verstehen ist. Da Grüner lexikalische Definitionen egal sind, bezeichnet er alles, was einem Buch ähnlich ist und von einem Künstler geschaffen wurde, als Kunstbuch. Wie eben die umgestaltete Karte eines Brucker Pizzadienstes, die im Laufe eines Abends mit Künstlern und Rotwein in Grüners damaliger Brucker Wohnung entstanden ist. Neben einem Text befinden sich darauf mit einem schwarzen Filzstift gezeichnete Skizzen der Anwesenden und ein gefaltetes Papierboot. Das ist natürlich erst einmal relativ banal, aber ein guter und erheiternder Einstieg. Denn der Großteil von dem, was sonst noch zu sehen ist, ist von beachtlicher künstlerischer Qualität und eigentlich hätte jedes einzelne Buch eine eigene Ausstellung und Würdigung verdient. Und so ist es auch unmöglich, die ganze, sehr klug und ansprechend konzipierte Ausstellung bei einem einzigen Besuch zu verfassen. Aber glücklicherweise sind die Werke zwei Monate lang zu sehen, genug Zeit also, um gleich mehrfach dort vorbei zu schauen.

Die Ausstellung ist in neun Bereiche unterteilt. "Der Sammler Reinhard Grüner" zeigt die erwähnten persönlichen Exemplare, "Verrückte Bücher" präsentiert Werke, die meist nur wenig mit einem klassischen Buch zu tun haben. Sehenswert hier: "Bibel" von Zbigniew Jeż, bei dem eine Bibel zwischen Holzräder montiert und somit nicht mehr lesbar ist. Das Buch verliert somit völlig seine Funktion und wird zum Teil einer künstlerischen Aussage. Mit der Geschichte, sei es der persönlichen oder der Europas, beschäftigen sich die Bücher der "Erinnerungsräume". Sie reichen von einem von Henrich Förster neu gestalteten und damit in seiner Bedeutung völlig umgedrehten Propagandabuch über den Autobahnbau der Nationalsozialisten bis zum Tagebuch von Grüners Mutter Liddy.

Aus Holzschnitten besteht dieses Buch von Sergej Yakunin. (Foto: Günther Reger)

Ein gleichsam filigranes wie fröhliches Buch ist in der Rubrik "Kindheitsträume" zu finden. "Jeux d'Eté - à mon cher Max (Hommage à Max Ernst)". Pina Delvaux hat darin einen Brief aus dem 16. Jahrhundert mit Ausschnitten aus einem Biedermeier-Kinderbuch aus dem 19. Jahrhundert verbunden. Entstanden ist eine kleine, surreal anmutenden Traumwelt, die nicht nur Kinder in ihren Bann zieht.

Da Bücher in einem Schaukasten anders wirken, als wenn man sie durchblättern kann, sind außerdem zwei Werke offen für den Besucher zugänglich. "Totentanz der Prinzipien" und "Jelena" von Gerhard Multerer laden zum genauen Hinsehen und Anfassen ein und zeigen, wie sehr sich ein Künstlerbuch in seiner Form und Gestaltung von einem klassischen illustrierten Buch unterscheiden kann.

Die Ausstellung macht deutlich, wie breit das Spektrum dieses Genres ist: Von Bildern, die einen Text begleiten, bis zum intimen Tagebuch, das mit wenig oder gar ganz ohne Text auskommt. Ein Besuch ist für alle Literaturbegeisterten genauso Pflicht wie für Anhänger der bildenden Kunst.

Ausstellung "Freundschaften und tiefe Einblicke in die Zeit", mit Werken aus der Sammlung von Reinhard Grüner im Museum Fürstenfeldbruck. Eröffnung an diesem Donnerstag, 19.30 Uhr, danach zu sehen bis zum 31. Januar 2016. Führungen mit dem Sammler 12. und 29. Dezember sowie 10. und 31. Januar jeweils um 15 Uhr. Am 31. Januar findet außerdem eine Lesung mit Texten aus den ausgestellten Büchern statt.

© SZ vom 03.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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