Kultur in Fürstenfeldbruck:Perfekte Unterhaltung

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Vor Lachen gebrüllt hat das Publikum im Veranstaltungsforum Fürstenfeld bei Stefan Waghubinger (Mitte), der dann auch zum Sieger des Kabarettwettbewerbs "Paulaner-Solo+" gekürt wurde. Zweiter wurde Musik-Kabarettist Markus Kapp (links). Den dritten Platz errang der schwäbelnde Jakob Friedrich. (Foto: Leonhard Simon)

Stefan Waghubinger gewinnt den nun nachgeholten Kabarettwettbewerb "Paulaner-Solo+"

Von Sonja Pawlowa, Fürstenfeldbruck

Stefan Waghubinger ist ein Name, den man noch üben sollte. Schwer auszusprechen, viele Buchstaben und ein Nachgang wie ein starker reifer Wein. Beim verspäteten 2020er Kabarett-Wettbewerb-Finale hat er in beiden Preis-Kategorien abgeräumt, bei der Jury und beim Publikum. Da waren sich alle einig.

Das erst im Jahr 2021 ausgetragene Finale des "Paulaner-Solo+-Wettbewerbs 2020 gleicht einem Hürdenlauf mit Happy End. Die Fans haben ihre Eintrittskarten übers Jahr nicht verschlampt, den endgültigen Ersatztermin im Kalender notiert, nicht vergessen und sich mit Impfausweis und FFP2-Maske auf den Weg ins Veranstaltungsforum gemacht. Doch dort präsentiert ihnen Michael Altinger in seiner Eigenschaft als Moderator eine gute und eine schlechte Nachricht: Mit dem Finale wird zwar das 25-jährige Jubiläum gefeiert, aber 25 Prozent der Künstler fallen weg. Einer der vier Finalisten, Amir Shabazz, sei nämlich erkrankt und tritt nicht auf. Noch bevor Murren wegen des Verzichts auf ein Viertel der Unterhaltung aufkommt, tröstet Altinger das Saalpublikum mit dem Hinweis, immerhin "mehr Zuschauer als der FC Bayern in der letzten Bundesliga-Saison hatte."

Ein schwäbischer Facharbeiter mit Migrationshintergrund aus Bremen - so bezeichnet sich Jakob Friedrich selbst. Treffsicher nimmt er den Tonfall und den Dialekt seines Arbeitsumfelds aufs Korn und beweist damit seine schauspielerische Brillanz. Das macht Spaß, egal ob es um den türkischen Azubi geht, der einen langsamen GTI-Fahrer beim Verkehrspolizisten anschwärzt "Der kann nicht autofahre!", oder um den Blaumann-Kollegen Volker mit Sprüchen für jede Lebenslage von "Gehirnschmalz investieren" bis "Hast dir den Urlaub überhaupt verdient?". Der Fleiß, das sprichwörtliche schwäbische "Schaffen", ist ein dankbares Thema, aus dem Jakob Friedrich bestimmt noch viel herausholen wird. Augenblicklich landete er damit auf den 3. Platz.

Als Vertreter des Musik-Kabaretts nutzt Markus Kapp geschickt die Macht der Melodien und die Möglichkeiten der Interaktion. Am Klavier, mit der Ukulele und der Gitarre begleitet er sich selbst und animiert zum Mitmachen. Das kommt gut an. Von den Zuschauern Barbara und Wolfgang wird er als Sieger gehandelt. Besonders die unterschwellige Zeitkritik hat gut gefallen. Wenn Markus Kapp die Helden seiner Kindheit musikalisch mit ihren Erkennungsmelodien zum Leben erweckt und in seinen Liedtexten beschreibt, was aus ihnen geworden ist, rührt er nämlich an Lebensplänen, die mitunter in der Sackgasse enden. Pippi Langstrumpf endet als Waldorf-Lehrerin und Pinocchio als Bild-Chefredakteur. Skandierende Fussballfans, die vorm Museum "Expressionismus" brüllen, oder der Ballermann-Hit "Zehn nackte Friseusen", den ein schnöseliger Wiener Literaturkritiker analysiert, kappen Schichten und Vorurteile. Bei Kapp ist alles eine Frage von Rhythmus und Takt.

Bei Stefan Waghubinger wird auch gebrüllt, aber vor Lachen. Mit viel Ironie und Sarkasmus spielt der oberösterreichische Wahl-Stuttgarter einen entscheidungsschwachen müden Sack in nachlässiger Kleidung und schlapper Haltung. Besser kann man das Hier und Heute gar nicht verbildlichen. Doch Waghubinger setzt sprachlich dem Fass die Krone auf. Zögerliches und zauderhaftes Österreichisch ist natürlich perfekt für dieses Vorhaben, doch für seine minutiös geplanten Denk-Päuschen und mäandernden Wortwitze ist Perfektion eine schamlose Untertreibung. Waghubinger ist in jeder Minute ohne Anstrengung tiefgründig. Alles klingt leicht, nichts wirkt bemüht oder gar aufgesetzt. Dabei merken die Zuhörer erst später, was der doppeldeutige Sinn hinter vermeintlich harmlosen Erinnerungen ist. "Ich hatte als Kind Angst vor Geistern und hab immer unters Bett geschaut. Da hat die Mutter gesagt, das ist sinnlos. Geister sind unsichtbar." So lautet bei Waghubinger der Abschluss einer längeren Beweiskette zum Thema Zukunftsangst.

Der größte Wurf gelingt ihm zweifelsohne mit einem Bild. Das Bild eines Kindes, das sich ein Raumschiff-Enterprise-Kostüm zu Weihnachten wünscht und ein Strickensemble mit Antennen an der Mütze bekommt. Er schaut in den Spiegel und erkennt, dass er kein Captain Kirk, sondern eine Biene Maja ist. "Da träumst du von unendlichen Weiten", sagt Waghubinger lapidar und hat den Weltschmerz in Worte gefasst. So sieht es auch Constanze Lindner, die die Jury-Preise verleiht. "Ab heute wird gestrickt," kommentiert sie.

© SZ vom 09.11.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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