Kultur:"Geld allein ist nicht alles"

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Christina Claus und Günter Sigl fördern die Kultur im Landkreis - von zwei Seiten. Sie aus der Politik, er aus der Verwaltung. Ein Gespräch über Kunst und wie viel sie kosten darf

Interview von Ekaterina Kel

SZ: Frau Claus, Herr Sigl, wie oft kommen Sie überhaupt zusammen?

Christina Claus: Wenn wir die Kreiskulturtage organisieren, dann sind wir ein halbes Jahr vorher oft zusammen, bis das alles steht, der Arbeitskreis gegründet ist, das Motto gefunden ist. Ansonsten sehen wir uns zu den Sitzungen.

Und immer, wenn es darum geht, zu entscheiden, wofür man wie viel Geld ausgibt?

Claus: Wir sind ja kein Kulturveranstalter im eigentlichen Sinn. Aber wir haben kulturelle Einrichtungen wie den Jexhof oder die Furthmühle und den Kunstpreis, den wir vergeben.

Günter Sigl: Es gibt einen kulturellen Dreiklang. Aus Einrichtungen, die wir selber betreiben, aus Zuschüssen und aus eigenen Veranstaltungen oder Aktionen. Der Jexhof ist die zentrale Einrichtung im Kulturbereich, die der Landkreis selbst trägt, mit dem kompletten Personal, den Mietkosten und so weiter. Das ist im Prinzip ein kleines Unternehmen mit ungefähr 30 Mitarbeitern.

Claus: Das war am Anfang ein klassisches Bauernhofmuseum. Mit der Zeit wurde das auch Spielstätte und noch viel mehr, da passiert ja unglaublich viel. Man könnte eigentlich sagen, der Jexhof ist unser eigenes Kulturzentrum.

Gibt es da eine Profitorientierung?

Claus: Das hätten wir gern. Wir wollen ja nicht so furchtbar viele Miese machen.

Sigl: Profitorientierung... (lacht). Man schaut halt, dass man das Defizit im Griff behält.

Geben Sie immer mehr aus als Sie einnehmen?

Sigl: Im Prinzip schon. Aber irgendwo muss es ja wieder herkommen.

Woher denn?

Sigl: Zum großen Teil über die Kreisumlage von den Gemeinden.

Bleiben wir bei den Kreiskulturtagen. Wenn Sie einen Finanzplan erstellt haben, legen Sie ihn dem Kreistag vor?

Claus: Nein, das müssen wir eigentlich nicht. Wir bekommen vom Kreistag Geld für die Kreiskulturtage zur Verfügung, das wird in den Haushalt eingestellt. Und wie wir das Geld dann verteilen, ist letztlich auch unsere Sache.

Sigl: Wenn wir ein wiederkehrendes Projekt auf den Weg gebracht haben, dann müssen wir das Geld jedes Mal für den Haushalt neu anmelden. Im Zuge der Haushaltsberatungen wird es vom Kreistag mitbeschlossen.

Claus: Und es hat auch noch keiner gemotzt, dass wir das Geld falsch eingesetzt hätten.

Hat sich nie jemand dagegen gestellt?

Claus: Die Kreiskulturtage habe ich schon vor 20 Jahren versucht zu etablieren, aber das war eine ziemlich zähe Geschichte. Aber dann hat es geklappt und 2007 haben wir die ersten Kreiskulturtage gehabt. Wichtig war mir von Anfang an, dass diese Veranstaltung den Landkreis verbindet. Der Landkreis ist ja für viele doch ein ziemlich anonymes Gebilde, aber bei den Kreiskulturtagen gibt es diese Möglichkeit, die einzelnen Orte zu verbinden.

Genauso wie Claus ist Günter Sigl seit 1996 im Amt - als Leiter des Referats Schule, Sport, Kultur. Mit seinen Mitarbeitern schaut der Verwaltungsbeamte Jahr für Jahr, dass die Zahlen für den Kulturhaushalt stimmen. (Foto: Johannes Simon)

Die Kultur hat manchmal den Ruf des unerwünschten Cousins...

Claus: Es gibt einen schönen Spruch, die Kultur sei wünschenswert, aber nicht notwendig. Das ist oft der Tenor.

Man könnte da ganz nüchtern betrachtet eigentlich zustimmen, oder? Keiner braucht Theater zum Überleben.

Claus: Seh' ich anders. Der Mensch lebt nicht vom Brot allein.

Sigl: Ich sehe das auch anders. Das Wort unerwünscht würde ich so auch nicht unterschreiben. Für die Dinge, die wir im Kulturbereich machen, gibt es im Kreistag einen großen politischen Konsens. Als unerwünschtes Anhängsel wird Kultur meiner Ansicht nach nicht verstanden.

Claus: Aber wenn es um Geldverteilung geht, steht die Kultur in der Politik nicht an erster Stelle. Die Einschätzung, was es noch braucht, ist unterschiedlich. Im Kulturausschuss sitzen viele, die eine persönliche Vorliebe für solche Dinge haben. Vieles muss dann durch den Kreisausschuss und durch den Kreistag und da wird's dann schon anders gesehen.

Sigl: Der Kulturausschuss ist für die ganze Palette von Schule, Sport und Kultur zuständig. Da gibt es unterschiedliche Wertungen, Gewichtungen und Bedürfnisse. Ich würde trotzdem nicht das eine gegen das andere ausspielen, zum Beispiel Sport gegen Kultur.

Haben Sie denn das Gefühl, dass es trotzdem manchmal geschieht?

Claus: Politiker brauchen Wähler. Und ich würd' mal sagen, dass mehr Wähler an Sport als an Kultur interessiert sind, und die will man sich nicht vergrämen.

Sigl: Wobei dieser Zwiespalt zwischen Sport- und Kulturförderung mehr auf der Gemeindeebene ausgetragen wird, weil der Landkreis im Sport nicht viel machen darf. Auch die Kulturförderung ist eigentlich gemeindliche und städtische Aufgabe. Der Landkreis kommt erst dann zum Zug, wenn es überörtlich wird.

Was entgegnen Sie hartnäckigen Skeptikern, die nicht einsehen, dass Kulturausgaben trotz Defiziten wichtig sind?

Claus: Der Mensch lebt auch von der Kreativität. Dass er auch selbst kreativ wird. Dass er Theater spielt, musiziert, malt, töpfert. Und dass er das, was andere malen, musizieren, töpfern auch genießt. Und politisch heißt es auch, Kultur gehöre zu den weichen Standortfaktoren. Das heißt, wenn jemand überlegt, wo er sein Zelt aufschlägt, dann schaut er natürlich auch, was da kulturell los ist in dem Ort. Kulturelle Einrichtungen sind auch Zugpferde.

Sigl: Ich glaube auch, dass die Kultur ein unglaublich wichtiger, weicher Standortfaktor ist. Wir haben zum Beispiel im Jexhof bei den Museumsgästen einen relativ hohen Anteil an Touristen. Die lassen auch ansonsten Geld im Landkreis. Das ist nur schwierig zu erfassen.

Claus: Und die regionale Identität ist auch ganz wichtig in diesem Zusammenhang. Die Leute wollen sich verorten, da wo sie leben. Sie wollen gemeinsam was machen. Die einen sind halt beim Sport und die anderen in einer Malgruppe oder im Chor. Das fördert das gesellschaftliche Miteinander.

Sigl: Ich würde Kritikern die Gegenfrage stellen: Was bliebe denn vom kulturellen Spektrum, wenn nur das kommerziell erfolgreiche überlebt? Das muss man sich dann mal vorstellen, was dann übrig bliebe.

Sie würden also nicht Ausgaben für die Kultur mit anderem Finanzierungsbedarf messen?

Sigl: Ich steh dazu, dass man zwischen den Belangen abwägen muss. Das gehört dazu, auch in der Verwaltung. Nur so kommt man vorwärts. Bei uns reicht die Bandbreite vom Schulaufwand über den Freizeitpark in Mammendorf bis zum Bauernhofmuseum Jexhof.

Claus: Es geht ja auch in der Kultur um die Vielfalt. Beispielsweise Subkultur, klassisches Konzert oder Willibaldsritt - dazwischen liegen ja Welten. Das wird aber alles gleichwertig von uns bedacht.

Sie begleiten das Kulturreferat schon eine Weile. Würden Sie sagen, dass sich das kulturelle Bewusstsein gewandelt hat?

Sigl: Grundsätzlich kann man das schon sagen, der Aufwand für den Kulturbereich hat sich auch mit nunmehr rund 1,2 Millionen Euro in den letzten zehn Jahren verdoppelt. Da steckt zum einen auch die verstärkte Förderung der Musikschulen drin. Und der Landkreis nimmt jetzt auch noch mehr Geld in die Hand für den Jexhof; erinnert sei nur an die Anmietung des neuen Zwischendepots in Unterschweinbach im letzten Jahr.

Das ist doch erfreulich, oder?

Claus: Ja klar. Wenn ich könnte und wenn wir das Geld hätten, dann könnte man natürlich immer noch mehr machen. Ich würde zum Beispiel neben dem Kunstpreis auch gern einen Literaturpreis oder einen Musikpreis vergeben.

Sigl: Noch mehr Geld wär schön. Aber Geld allein ist nicht alles. Sie brauchen die personellen Ressourcen.

Frau Claus, Sie sind bei den Grünen. Inwiefern spielt das eine Rolle bei Ihren Entscheidungen in der Kulturpolitik?

Claus: Der Schuh geht andersrum auf. Ich bin auch deshalb bei den Grünen, weil mir bei dieser Partei die Einstellung zur Kultur zusagt. Ich habe Kulturwissenschaften studiert und für mich ist Kultur schon auch ein wichtiger Punkt.

Das heißt, Sie fühlen sich wie ein Fisch im Wasser?

Claus: Es gibt viele Veranstaltungen, auf die ich eingeladen werde. Da gefallen mir natürlich auch nicht alle gleich gut. Aber es ist nicht meine Sache, das zu bewerten. Mir sind zwei Sachen ganz wichtig: die Freiheit und die Vielfalt der Kultur. Wenn jemand im Trachtenverein tanzt, dann ist das ok und wenn jemand experimentelles Theater macht, dann ist das genau so ok. Ganz wichtig ist, dass sich jeder kulturell engagieren kann, so wie er es mag, wie es ihm gefällt und wie er es kann.

Gibt es einen politischen Auftrag, Kultur zu fördern?

Sigl: Es gibt zwar eine klare Zielstellung schon aus der Bayerischen Verfassung, wo es heißt, dass Bayern ein Kulturstaat ist. Aber wie das in der Praxis ausgestaltet wird, ist jeder Kommune weitgehend selbst überlassen. Insofern ist der Auftrag nicht so ganz klar. Es ist immer eine Frage der Umsetzung. Kultur hat eine wahnsinnig große Bandbreite und jeder Landkreis setzt seine eigenen Schwerpunkte bei den freiwilligen Leistungen.

© SZ vom 12.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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