Kriminalität in Fürstenfeldbruck:Geliebte wird zur Erpresserin

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Schöffengericht verurteilt 45-Jährige zu einem Jahr und sechs Monaten Haft. Die Puchheimerin hat von ihrem 89 Jahre alten Gönner 30 000 Euro verlangt, damit sie kompromittierende Aufnahmen nicht veröffentlicht

Von Ariane Lindenbach, Fürstenfeldbruck

30 000 Euro hat ein 89 Jahre alter Mann seiner deutlich jüngeren Geliebten bezahlt, damit diese kompromittierende Fotos und Videos von ihm nicht veröffentlicht. Am Dienstag mussten sich die 45 Jahre alte Puchheimerin und ihr ein Jahr jüngerer Mann wegen Erpressung vor dem Schöffengericht in Fürstenfeldbruck verantworten. Dieses verurteilte die Frau zu einer Haftstrafe von eineinhalb Jahren, die nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde, sowie zur Rückzahlung der 30 000 Euro. Ihren Mann sprachen die Richter frei, da ihm keine Beteiligung an der Erpressung nachgewiesen werden konnte.

Die beiden Angeklagten schwiegen zu den Vorwürfen. Laut Staatsanwaltschaft haben sie dem 89-Jährigen zunächst 30 000 Euro abgenommen, als Preis dafür, dass sie die Aufnahmen von ihm und der 45-Jährigen beim Sex nicht veröffentlichen. Dann hätten sie ein zweites Mal die gleiche Summe verlangt und ihrer Forderung mit der Androhung von Gewalt - sie sollen dem alten Mann das Foto eines Bodybuilders geschickt haben - Nachdruck verliehen.

"Das waren obszöne Bilder von mir", berichtet der 89-Jährige. "Sie würde alles plakatieren in der Nachbarschaft, um mich bloßzustellen." Die Aussicht, andere könnten über sein Intimleben informiert werden, hat den Rentner offenbar weit mehr beeindruckt als die unterschwellige Gewaltandrohung, an die er sich erst nach wiederholtem Nachfragen erinnert. Auch stellt sich in der Verhandlung heraus, dass er eigentlich nur ein Foto von sich gesehen hat, das ihn beim Anziehen in ihrer Wohnung zeigt. Doch seiner Aussage nach hatte ihn die Puchheimerin mündlich mit wesentlich aussagekräftigeren Aufnahmen erpresst, darunter eine, die ihn mit ihr und ihrer heute 23 Jahre alten Tochter zeigt.

Direkten Kontakt mit dem Ehemann gab es nicht, nur Telefonate, erklärt der Zeuge weiter: "Er sprach perfektes Deutsch." Das entlastet den Angeklagten, der wie seine Frau einen Dolmetscher benötigt, um dem Prozess folgen zu können. Wie sich herausstellt, kennt der Rentner die Angeklagte seit einigen Jahren, weil sie vor einem Geschäft Zeitschriften verkauft hat. Aus der Bekanntschaft wurde bald mehr, obwohl er von dem damals nicht anwesenden Ehemann wusste. Als die Erpressung schließlich nach seiner ersten Zahlung weiterging, ging er zur Polizei.

"Es war ihm wahnsinnig peinlich, das Ganze überhaupt anzuzeigen", erinnert sich der zuständige Kriminalpolizist. Er bestätigt im Wesentlichen die Aussage des Rentners: die Erpressung, die Zahlung von insgesamt 30 000 Euro, erst 20 000, dann 10 000 Euro, sowie eine weitere Forderung. "Die Aufnahmen selbst hat er nicht gesehen, hat er mir gesagt", betont der Polizist. Und dass der 89-Jährige keinen direkten Kontakt zu dem Ehemann hatte. "Er hat mir angegeben, sie hätte immer ihren Mann vorgeschoben." Tatsächliche Beweise für eine Tatbeteiligung des 44-Jährigen habe aber auch eine Wohnungsdurchsuchung bei den Angeklagten nicht erbracht. Wie der Kriminalbeamte außerdem berichtet, hatte der Rentner seine Geliebte in den Jahren davor immer wieder finanziell unterstützt, mit insgesamt etwa 15 000 Euro.

Für die Staatsanwältin ist die Schuld der Angeklagten, die mehrfach einschlägig vorbestraft ist, bewiesen durch die glaubhaften Aussagen der beiden Zeugen. Sie beantragt eine Haftstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten. Hingegen "keinerlei Anzeichen für eine Täterschaft" erkennt sie bei dem 44-Jährigen und fordert einen Freispruch. Dieser Forderung schließen sich auch die Verteidiger beider Angeklagten an. "Die Angeklagte hat den Geschädigten erpresst, indem sie gedroht hat, dass Fotos und Videos, die ihn beim Geschlechtsverkehr zeigen, veröffentlicht werden", urteilt das Gericht unter dem Vorsitzenden Martin Ramsauer. Eine Beteiligung des Mannes sieht es nicht gegeben, ebenso wenig eine Gewaltandrohung. "Der Geschädigte fühlte sich davon nicht bedroht."

© SZ vom 19.05.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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