Kreishaushalt:Weniger Stellen für das Jugendamt

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Die Kreisbehörde soll nicht mehr wie in bisherigem Umfang neues Personal bekommen. Davon wird auch die Jugendhilfe betroffen sein. Gleichzeitig soll es an Grundschulen neue Sozialarbeiter geben. Diese Logik will nicht jedem Kreisrat einleuchten

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

Das Jugendamt wird voraussichtlich Stellen abbauen müssen. "Nicht durch Entlassungen, aber etwa durch Nichtbesetzung", kündigte Landrat Thomas Karmasin (CSU) am Montag bei den Beratungen über den Jugendhilfeetat für 2021 an. Der Personalausschuss hatte kürzlich das Budget für die Mitarbeiter im Landratsamts auf 40 Millionen Euro für das kommende Jahr gedeckelt und will damit verhindern, dass die Steigerung der Personalkosten weitergeht. Das Jugendamt ist mit seinen 133 Mitarbeitern, verteilt auf 97 Vollzeitstellen, das größte Referat im Landratsamt. Für die Leistungen der Jugendhilfe, für deren Abwicklung das Jugendamt zuständig ist, wird der Landkreis im nächsten Jahr insgesamt knapp 29 Millionen Euro ausgeben. Es ist einer der größten Posten im Kreishaushalt.

Ob das Jugendamt, das in den vergangenen Jahren in einzelnen Bereichen personell aufgestockt wurde, seinen laufend sich mehrenden Aufgaben noch nachkommen kann, wenn Personalstellen stagnieren oder gekürzt werden, kann Kreisjugendamtsleiter Dietmar König noch nicht absehen. Er habe "noch keine konkreten Hinweise darauf, wie das umgesetzt werden soll", sagte er am Dienstag der SZ.

Gleichzeitig sollen für die Jugendsozialarbeit (Jas) an drei weiteren Grundschulen zwei neue Planstellen geschaffen werden. FW-Kreisrat Gottfried Obermair fragte deshalb nach, wie diese neuen Stellen und die damit verbundene Kosten von etwas mehr als 100 000 Euro pro Jahr zum geplanten Personaldeckel passten. An den drei Grundschulen in Maisach, Eichenau und Emmering sehen Schulleitungen und Brucker Schulamt seit Längerem dringenden Bedarf an sozialpädagogischer Unterstützung. Diese Stellen würde er ungern einsparen, antwortete Landrat Thomas Karmasin (CSU), zumal es dafür staatliche Zuschüsse gebe. Wie das Dilemma gelöst wird, ergab sich in der Sitzung des Jugendhilfeausschusses am Montag noch nicht.

Zudem könnte die Jugendhilfe von einem weiteren Vorhaben profitieren, nämlich dass jede Kreistagsfraktion trotz des 40-Millionen-Deckels für das Personal jeweils "einen Wunsch frei hat", wie Karmasin es formulierte, und ihrerseits eine Stelle in der Behörde benennen darf, die sie unbedingt eingerichtet haben möchte. Die Grünen möchten sich deshalb nach Worten von Angelika Simon-Kraus (Grüne), Referentin für Jugend- und Familienhilfe, bei den entsprechenden Verhandlungen für eine "Leitungsstelle für Sozialräume" stark machen. Simon-Kraus lobte in der Ausschusssitzung, dass der Bereich Prävention in der Jugendhilfe gut ausgebaut sei, gab aber zu bedenken, dass die Absicht, Jugendhilfe vor Ort anzubieten, mehr Personal zur Folge haben werde: "Nur mit entsprechendem Personal kommt man auch an die Familien ran."

Das Jugendamt will die Jugendhilfe künftig sozialräumlich ausrichten, wie es im Fachjargon heißt, und damit versuchen, durch frühzeitige Intervention zum Beispiel auch die Zahl der Inobhutnahmen zu reduzieren. Dazu sollen die Jugendamtsmitarbeiter "näher an die Menschen rücken", wie Dietmar König vor einiger Zeit erläuterte. Erprobt wird das derzeit bereits in dem dreijährigen Modellversuch "Jugendhilfe vor Ort" in Puchheim. Das sei ein "erfolgversprechender Ansatz", betonte Stefan Floerecke (CSU), Referent für Kinder-, Jugend- und Familienangelegenheiten, und würdigte, dass Jugendamt und Politik bereit seien, "neue Ideen zu entwickeln und Bestehendes zu hinterfragen". Selbst Landrat Karmasin, der sich zu seiner ursprünglich vorhandenen Skepsis den neuen Maßnahmen gegenüber bekannte, ließ sich selbstredend von Jugendamtsleiter König von der Sinnhaftigkeit des Projekts überzeugen: "Manchmal muss man was einsehen", gab Karmasin im Ausschuss zu. Auch SPD-Kreisrätin Petra Weber lobte das Vorgehen: "Es ist gut, wenn das Jugendamt raus geht und nicht so eine Komm-Struktur hat."

Jugendhilfe soll junge Menschen in ihrer Entwicklung fördern und Benachteiligungen vermeiden helfen, Eltern bei der Erziehungsarbeit unterstützen und dort, wo Gefahr für das Kindeswohl droht, schützend eingreifen. Dort zu sparen, ist freilich schwierig, denn den meisten Auf- und Ausgaben kann sich der Landkreis nicht entziehen. Jedes Jahr wird bei den Etatverhandlungen darauf verwiesen, dass es "kaum Spielraum" gebe, wie Floerecke auch diesmal betonte. Weil nur etwa sechs Millionen Euro durch Erträge refinanziert werden können, muss der Landkreis fast 23 Millionen Euro - erneut eine Million mehr als im Jahr zuvor - selbst tragen. "Der Bund muss an die Sozialgesetzgebung ran oder den Landkreis finanziell deutlich unterstützen", forderte deshalb Floerecke für die Zukunft.

Dennoch hat die Verwaltung bereits begonnen, bestimmte Leistungen noch einmal zu überprüfen. Das Projekt "Hart am Limit (Halt)" gegen übermäßigen Alkoholgenuss, das ohnehin demnächst ausläuft, sowie familienbildende Angebote in den Familienstützpunkten seien Leistungen, "wo wir ein Ermessen hätten", sagte ein Jugendamtsmitarbeiter in der Sitzung.

© SZ vom 18.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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