Konversion:Klage als letztes Druckmittel

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Ein erster Teil des Fliegerhorstes wird bereits seit Jahren von BMW zivil, sowie von der bayerischen Polizei für Fahrsicherheitskurse genutzt. Das Bild mit dem neuen Tower im Hintergrund entstand beim Überflug deutscher und israelischer Maschinen zum Gedenken an die Opfer des Olympiaattentats. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Fürstenfeldbrucks Nachbarn Olching, Maisach und Emmering wollen sich nicht damit abfinden, dass die Kreisstadt vom neuen Stadtteil Fliegerhorst profitiert, während sie durch den Verkehr zusätzlich belastet werden

Von Ingrid Hügenell, Stefan Salger und Erich C. Setzwein, Fürstenfeldbruck

Wenn alles sich so fügt, wie sich das die Große Kreisstadt Fürstenfeldbruck vorstellt, dann werden in ihrem neuen Stadtteil auf dem dann ehemaligen Fliegerhorst einmal bis zu 5000 oder 6000 Menschen leben und ebenso viele dort arbeiten. Die Konversion - also die Umwandlung von militärischem Gelände in ein ziviles Wohn- und Gewerbegebiet - soll vom Jahr 2026 an geschehen, wenn nach heutigem Stand die Bundeswehr die Kaserne verlassen hat. So ist der Plan.

Die Anzahl der Pendlerfahrzeuge wird auf 21 000 pro Tag geschätzt

Aber welche Auswirkungen dieser neue Stadtteil für Fürstenfeldbruck selbst, vor allem aber für die Anliegergemeinden Olching, Maisach und Emmering hat, das erfahren momentan zuerst die Bürgermeister immer nur scheibchenweise. Jetzt hat Fürstenfeldbruck ein erstens Verkehrsgutachten in interner Runde vorgelegt, und dessen Zahlen haben die Bürgermeister Andreas Magg (SPD), Hans Seidl (CSU) und Stefan Floerecke (CSU) quasi überrollt. Denn wenn die Zahlen einigermaßen zutreffen, dann erwartet den Norden von Fürstenfeldbruck noch in diesem Jahrzehnt eine zusätzliche Verkehrsbelastung von 21 000 Fahrzeugen pro Tag. Verständlich, dass sich die Gemeinden das nicht bieten lassen wollen und nun gemeinsam ein Gegengutachten in Auftrag geben.

Eine gemeinsam erarbeitete Lösung, ein interkommunal geplantes Gebiet für Wohnen und Wirtschaft wird von den Nachbarn Fürstenfeldbrucks als sinnvoll angesehen, um Belastungen so gering wie möglich zu halten und auf alle gerecht zu verteilen. Doch ein solcher Zweckverband ist bislang nicht zustande gekommen, Fürstenfeldbruck ist dagegen.

Emmerings Bürgermeister Stefan Floerecke hat dieses gemeinsame Gremium von Olching, Maisach und Emmering mit der Stadt Fürstenfeldbruck noch nicht aufgegeben. "Wir sollten alle an einem Tisch überlegen, wie wir dieses einmalige Gelände entwickeln können", sagt er. Er könne sich dort ein interkommunales Gewerbegebiet vorstellen. "Ich setze mich nach wie vor für den Zweckverband ein, weil der auch rechtskräftig beschließen könnte." Es müsse ein Gremium geben, in dem auch die Anrainerkommunen ein Stimmrecht hätten, ohne allerdings Bruck überstimmen zu können. "Wir wollen nicht nur angehört werden, sondern mitentscheiden."

Natürlich müsse die Stadt Fürstenfeldbruck selbst bestimmen können, was auf ihrem Hoheitsgebiet geschieht. Es gehe aber nicht, dass Bruck alleine die Vorteile habe und die Anrainer nur die Probleme wie mehr Verkehr. Floerecke spricht sich deshalb für ein eigenes Verkehrsgutachten aus, wie Maisach es bereits beschlossen hat, "mit verlässlichen Zahlen und Modellrechnungen". Denn die brauche man, um weitere Entscheidungen treffen zu können. Im ersten Quartal des neuen Jahres will er das Thema im Emmeringer Gemeinderat zur Diskussion stellen.

Sollten die Anrainer-Gemeinden nicht einbezogen werden, könnte sich Floerecke auch eine Klage gegen das Bauleitverfahren vorstellen - als letztes Mittel, wie er betont. Fürstenfeldbruck habe den Prozess umgekehrt und wolle planen und entwickeln, "ohne uns einzubeziehen". Floerecke spricht sich für den Bau von Straßen aus, die das Gelände auf dem früheren Fliegerhorst mit Maisach und Emmering verbinden.

Bislang verlaufe die Haupterschließung von der Bundesstraße 471 her über Estinger Flur, erläutert Olchings Bürgermeister Magg. Er mag sich nicht an den Gedanken gewöhnen, was Fürstenfeldbruck im Alleingang vorhat. "Das ist aus der Klamottenkiste des Stadtplaners", sagt Magg, der selbst Stadtgeograf ist. Er hofft weiter darauf, dass es nicht zu einem Mischgebiet aus Gewerbe und Wohnen in dem "Satellitenstandort" kommt, sondern dass in Fürstenfeldbruck die "nationalen und europäischen Dimensionen" erkannt werden, die der Fliegerhorst biete. Wohnraum könne auch woanders entstehen, aber überörtliche Einrichtungen wie ein Bildungscampus oder bestimmte Wirtschaftscluster wären dort gut aufgehoben. Man müsse, erklärt Magg, "ein wenig großräumiger denken. Es gäbe Lösungen, die für alle Vorteile bringen."

Ein Expressbus würde direkt zum S-Bahnhof in Gernlinden führen

In Maisach haben die von Raff vorgelegten Zahlen einige Empörung ausgelöst. Nicht nur würden Maisach und Gernlinden durch den Individualverkehr belastet, sondern auch die S-Bahnstationen in Maisach und vor allem Gernlinden. Denn dorthin soll der geplante Expressbus führen, den die Pendler des Fliegerhorst-Gewerbeparks benutzen. Bürgermeister Hans Seidl ist derselben Meinung wie sein Amts- und Parteikollege in Emmering: "Ein Zweckverband wäre die beste Lösung." Maisach wäre von den Plänen Fürstenfeldbrucks wohl am stärksten betroffen, wie an der Ortsgrenze mitten durch das BMW-Testgelände zu sehen ist. Das Verwaltungsgebäude befindet sich zwar in Fürstenfeldbruck, der Handlingkurs und der ganze lärmintensive Betrieb aber auf Maisacher Gebiet. Auch die Erschließung des Fliegerhorstes, zumindest von Norden her, würde durch Maisach führen.

Die Kritik der Nachbarn trifft die Kreisstadt offenbar unvorbereitet. Den Vorwurf eines Alleingangs weisen das Bauamt und Oberbürgermeister Erich Raff (CSU) zurück. Die Stadt habe "sich nichts vorzuwerfen" sagt Raff. Man habe die umliegenden Gemeinden immer eingebunden und plane das auch weiterhin. Im Frühjahr soll der städtebauliche Wettbewerb ausgeschrieben werden. Raff: "In die Erstellung des Auslobungstextes werden auch die umliegenden Gemeinden mit eingebunden." Läuft alles nach Plan, werden Ende 2021 die Ergebnisse vorliegen.

Auch im Stadtrat am Dienstag waren die Beschwerden der Nachbarn ein Thema. Klaus Wollenberg (FDP) äußerte Verständnis. Man dürfe nicht "Claims abstecken" und dann erst mit den Nachbarn reden. Ähnlich sieht es CSU-Fraktionschef Andreas Lohde. Andere Stadträte wiesen die Vorwürfe zurück. Sollten die Nachbarn eine Beteiligung an der Gewerbesteuer im Sinn haben, so hielte Jan Halbauer dies für unbegründet. Die Argumente der Anrainerkommunen hält der Grünen-Fraktionssprecher für "vorgeschoben", zudem sei es ohnehin Ziel, den Autoverkehr im neuen Stadtviertel zu reduzieren. Andreas Rothenberger (BBV) erinnerte daran, dass die Nachbarn es gewesen seien, die eine Kooperation in Form einer Arbeitsgemeinschaft abgelehnt hätten. Er hält es für richtig, dass Bruck die Planungshoheit nicht an einen Zweckverband abgeben wollte. Christian Stangl (Grüne) kritisierte, dass da pauschal mit "Maximalzahlen" für Einwohner und Arbeitsplätze hantiert werde. Das Brucker Gutachten kommt nach SZ-Informationen zu dem Schluss, dass mit 18- bis 21 000 täglichen Fahrten zu rechnen ist. Beobachter bezweifeln, dass es sich für die Nachbarn lohnt, eine sechsstellige Summe in ein eigenes Gutachten zu investieren.

© SZ vom 18.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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