Konkrete Kunst:Faltung in Perfektion

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Das Brucker Kunsthaus zeigt eine sehenswerte Ausstellung mit Werken von Peter Weber

Von Florian J. Haamann, Fürstenfeldbruck

Falten. Das klingt erst einmal nach Zetteln und Papierfliegern, vielleicht ein bisschen Origami. Doch wer die aktuelle Ausstellung im Kunsthaus Fürstenfeldbruck besucht, der erlebt auf beeindruckende Weise, was für eine komplexe und wissenschaftlich getriebene Kunst das Falten sein kann. Zu sehen sind dort Werke des Maisacher Künstlers Peter Weber, der weltweit zu den gefragtesten Vertretern seines Stils gehört. Anlässlich seines 75. Geburtstags widmet ihm die Kulturstiftung Derriks im Kunsthaus eine Retrospektive.

Die Ausstellung zeigt auch frühe Werke aus dem umfassenden Schaffen des Künstler. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Weber, 1944 in Kollmar an der Elbe geboren, lässt sich dem Spektrum der Konkreten Kunst zurechnen. Nach einer Lehre zum Schriftsetzer hat er an der Hamburger Fachhochschule Gestaltung studiert. Linie und Form stehen bei ihm im Mittelpunkt, klassische Motivmalerei findet nicht statt. Im Früh- und Spätwerk Webers zeigt sich ein intensiver Einsatz von Farbe, dazwischen hat er viele Jahre komplett auf Farbigkeit verzichtet. Die Ausstellung zeigt Werke aus 50 Jahren und zeichnet so die Entwicklung des Maisachers, der auch als Jazzmusiker erfolgreich ist, geradezu minutiös nach, von seinen ersten gestalterischen Bildern 1968 über kinetische und optische Kunst bis hin zu den Faltungen, die Weber Anfang der Neunzigerjahre für sich entdeckt hat. All das ist so hervorragend kuratiert und gehängt, dass es dem Besucher möglichst leicht gemacht wird, in die komplizierte und schwer zu erfassende Materie einzudringen. Denn Konkrete Kunst ist immer auch intellektuell, fordert den Betrachter mindestens genauso heraus wie den Künstler selbst.

Der Maisacher Künstler Peter Weber lässt sich der konkreten Kunst zurechnen. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Dass es der Besucher bei Weber nicht ganz so schwer hat, dazu trägt der 75-Jährige selbst einiges bei. Ihm ist es ein Anliegen, dass der Betrachter auch versteht, was er präsentiert bekommt. Deutlich wird das beispielsweise in der Serie "Wandlung der 9 Quadrate B1 bis B7". Zu sehen ist nicht nur das, was man vielleicht als "fertiges Werk" verstehen kann, nämlich eine Faltung mit vier mal vier Quadraten. Mehrere ergänzende Bilder zeigen, wie sich die komplexe Faltung aus einer Baumwollleinwand entwickelt und in den verschiedenen Stadien aussieht. Und am Ende steht noch einmal die gleiche Arbeit, allerdings ist diesmal die Rückseite zu sehen. Es ist erstaunlich, wie komplett anders sie aussieht. Statt der 16 Quadrate sind nur noch neun zu sehen, viel kleiner und um 45 Grad gedreht. Dem Betrachter wird verdeutlicht, das beides einander bedingt, untrennbar zusammen gehört - damit vorne X zu sehen ist, muss bei der Faltung hinten Y passiert sein. Denn, und das ist ein Kennzeichen von Webers Faltungen, es gibt keine Schnitte oder sonstigen Manipulationen. Jedes Werke entsteht ausschließlich durch die Faltung einer großen Fläche - egal ob aus Papier, Baumwolle, Filz oder gar Metall. Damit das gelingt, muss sich Weber ausführliche Skizzen machen und Berechnungen anstellen. Einen Einblick in den Prozess geben auch mehrere Werke die im gefalteten und entfalteten Zustand zu sehen sind. Der Betrachter kann daran gut nachvollziehen, welche Arbeitsschritte der Künstler vollzogen hat.

Der Künstler ist weltweit für seine Faltungen bekannt. (Foto: Carmen Voxbrunner)

In gewisser Weise, auch das macht die Ausstellung klar, sind die Faltungen eine konsequente Weiterentwicklung von Webers frühen Werken. Denn schon immer geht es bei ihm um die Darstellung und Entwicklung von Räumen. In der Anfangsphase schafft er diese durch kinetische Bilder. Vor die streng geometrischen Linien setzt er Riffelglas. Dadurch sieht der Betrachter nicht mehr die ursprünglich geraden Linien, sondern Flächen und scheinbar krumme Linien. Je nach Standpunkt entsteht etwas Neues. Und je nachdem, in welchem Winkel das Glas geriffelt ist, wirken die "Bewegungen" beim Vorbeigehen schneller oder langsamer.

Auch in seinen optischen Experimenten schafft es Weber durch Linienführung und Farbverläufe, den Raum quasi zu biegen. So etwa in einem titellosen Großformat. Steht man als Betrachter nah davor, sieht man, dass der Künstler ausschließlich mit geraden Linien arbeitet. Bewegt man sich aber ein paar Schritte weg, wirkt es, als sei das Bild voller schwarzer Kreise.

Insgesamt präsentiert die Ausstellung 100 der etwa 1700 von Weber geschaffenen Werke. Für die Besucher gibt es also einiges zu entdecken. Egal, ob sie sich viel Zeit nehmen wollen, um sich intensiv mit den Bildern und der Theorie dahinter zu beschäftigen, oder ob sie sich erst einmal einen schnell Überblick über einen außergewöhnlichen Künstler verschaffen wollen.

Ausstellung "Fläche - Raum - Faltung", Retrospektive zum 75. Geburtstag von Peter Weber, Kunsthaus Fürstenfeldbruck, zu sehen bis 10. März, jeweils mittwochs bis sonntags von 13 bis 17 Uhr. Zur Ausstellung ist auch ein umfassender Katalog erschienen

© SZ vom 12.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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