Kommunalwahlen im Landkreis Fürstenfeldbruck:Rollentausch

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Wenn langjährige Bürgermeister aus dem Amt scheiden, gehen sie oftmals nicht in den Ruhestand. Sie lassen sich in den Gemeinderat wählen und bringen ihre kommunalpolitische Erfahrungen weiter in das Gremium mit ein

Von Erich C. Setzwein, Fürstenfeldbruck

Twentyfourseven oder in Zahlen 24/7, ist der englische Ausdruck für "rund um die Uhr". Er wird immer dann gerne von Entscheidern gebraucht, wenn sie sich absolut sicher sind, dass jeder jede Minute seiner Arbeitszeit in ein Projekt investieren sollte. Auch wenn der normale Arbeitstag keine 24 Stunden hat. Das ist nicht neu, nur weil es einen Anglizismus dafür gibt. Jeder, der sechs Jahre lang oder sogar mehrer Perioden als Bürgermeister tätig war, bestätigt, wie Amt und Privatleben ineinanderflossen und wie schön es war, als dieser Rund-um-die-Uhr-Job wieder vorbei war. Doch ganz loslösen konnten sich einige Gemeindechefs dann doch nicht von der Kommunalpolitik. Sie wurden in den Gemeinderat oder den Kreistag gewählt und von den Gemeinderatskollegen mit dem Ehrentitel Altbürgermeister ausgezeichnet. Eine Altersgrenze gibt es nur für die hauptamtlichen Bürgermeister, ein Altbürgermeister kann in der Politik mitmischen, bis sie ihn, ganz salopp formuliert, mit den Füßen voraus aus dem Sitzungssaal tragen.

Dass es so weit nicht kommen soll, dafür hat Johann Thurner vorgesorgt. Er kandidiert nach sechs Jahren kein weiteres Mal für den Gemeinderat. Nach 20 Jahren als Bürgermeister von Mammendorf hat er 2014 Jahren zwar als Bürgermeister aufgehört, aber sowohl für den Gemeinderat als auch den Kreistag kandidiert und ist auch in beide Gremien gewählt worden. Im Kreistag wurde er der Finanzreferent, in Mammendorf übernahm er den Posten des Personalreferenten. Dass er nun quasi "auf der anderen Seite" des Tisches saß, "hat mir nichts ausgemacht", sagt der 69-Jährige. "Mir hat's immer Spaß gemacht, es war ein gutes Miteinander im Gremium, und ich bin nicht mit Widerwillen hingegangen", bilanziert Thurner seine Gemeinderatsarbeit. Die Belastung sei auch nicht mehr so groß gewesen, allerdings seien die Möglichkeiten als Gemeinderat auch weniger geworden, sagt Johann Thurner, der den Freien Wählern angehört und früher Sprecher der Bürgermeister im Landkreis war.

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(Foto: privat)

Den Titel "Altbürgermeister" tragen Johann Thurner (links, mit Nachfolger Josef Heck)...

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(Foto: Günther Reger)

... Sebastian Niedermeier (links, mit Nachfolger Hubert Jung)...

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(Foto: Günther Reger)

... Gerhard Landgraf (rechts, mit Nachfolger Hans Seidl)...

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(Foto: Günther Reger)

... und Hartwig Hafenguth mit seiner Frau Dietlind.

"Als Bürgermeister kann man steuern und gestalten, als Gemeinderat muss man sich seine Mehrheiten suchen." Das ist auch im Kreistag so, dort hat Thurner als Finanzreferent mehr Einblicke in die Arbeit aller Ausschüsse bekommen als andere Kollegen. "Finanzen ziehen sich durch alle Bereiche", sagt Thurner, und mit seiner Kandidatur auf Platz elf der aktuellen Kreistagsliste der Freien Wähler signalisiert er, gerne noch einmal sechs Jahre dem Gremium angehören zu wollen.

Schaut man nur ein paar Kilometer weiter, so blickt man von Mammendorf aus in die Gemeinde Maisach. Dort hat Gerhard Landgraf 36 Jahre durchregiert, und das ist nicht despektierlich gemeint. In diesem Jahr wird er 80 Jahre alt, schon zu seiner Amtszeit wurde er zu einer Legende. Er hat einen lockeren Ton am Leib, er geht mit den Menschen jovial um und ist konsequent. So hat er hat seine langjährigen Genossen bei der Sozialdemokratie im Landkreis sitzen lassen und ist kurz vor dem Ende seiner Bürgermeisterzeit zu den Freien Wählern gewechselt. Ein Kommunalpolitiker mit all den Ecken und Kanten, ohne die der oft stromlinienförmige Nachwuchs locker auskommt, aber ohne Politiker wie Landgraf, würden heute möglicherweise die Zivilflieger in Fürstenfeldbruck starten und landen, wie sie wollen, ohne ihn hätte es ein großes Druckzentrum im Maisacher Gewerbegebiet und die folgende Entwicklung nicht gegeben. Seinen Nachfolger durfte als gewählter Gemeinderat den Amtseid abnehmen, und auch im Kreistag wollte er nach Erreichen der Altersgrenze noch mitmischen.

(Foto: oh)

Landgraf ist seit Juni 2008 Altbürgermeister. Er war der letzte Bürgermeister der selbständigen Gemeinde Maisach und der erste Bürgermeister der neu zugeschnittenen Gemeinde durch die Gebietsreform 1978. Er sagt heute: "Einmal Bürgermeister, immer Bürgermeister" und meint damit, dass ihm immer noch Dinge im Ort auffallen, die nicht ganz in Ordnung sind. "Vergammelte Ortsschilder", zum Beispiel. Und Landgraf sagt den Verantwortlichen dann schon, was er davon hält. Auch als Mitglied im Gemeinderat bis zum Jahr 2015 hat er mit seiner Meinung nicht hinterm Berg gehalten. Seinem Nachfolger Hans Seidl von der CSU habe er angeboten, ihn zu fragen, wenn es denn Fragen gäbe. "Und er hat mich gefragt, am Anfang mehr und dann immer weniger", erinnert sich Landgraf, der in wenigen Wochen seinen 80. Geburtstag feiert. Zusammen mit Sepp Kellerer, dem früheren Fürstenfeldbrucker Oberbürgermeister, sitzt er seit 1972 im Kreistag, die beiden sind die am längsten amtierenden Mitglieder dieses Gremiums. Es sei schon "etwas anderes, alle 14 Tage oder drei Wochen im Gemeinderat zu sitzen, als ständig die volle Verantwortung zu haben". Nach seiner Bürgermeisterzeit habe er ein paar Wochen Urlaub gemacht und dann die Kommunalpolitik einfach fortgesetzt. "Man ist es ganz oder gar nicht."

So lange Bürgermeister zu sein, sechs Mal gewählt worden zu sein und dann auch immer wieder in den Kreistag zu kommen, zeugt von einer hohen Beliebtheit. Freilich weiß auch Gerhard Landgraf, dass es nicht immer harmonisch lief. "Es gab schon ein paar bösartige Angriffe", erinnert er sich, geht aber nicht ins Detail.

Landgraf, der seit 1963 in Maisach lebt und die Gemeinde Maisach und den Landkreis Fürstenfeldbruck als Beamter der Maisacher Rathausverwaltung noch aus einer Zeit kennt, als es viel mehr eigenständige Gemeinden gab, ist fit genug, um auch heute noch aus dem Stegreif über manche verästelte Entscheidung in den Gremien, in denen er Mitglied war und ist, zu erzählen. Nebenbei hat er die Arbeiterwohlfahrt (Awo) gegründet und - das verbindet ihn zum Beispiel mit dem Mammendorfer Altbürgermeister - organisiert mit Johann Thurner Reisen für Awo-Mitglieder.

Einen ähnlichen parteipolitischen Werdegang hat Sebastian Niedermeier aus Eichenau hinter sich. Wie Landgraf, hat er der SPD Jahrzehnte treu gedient, schied als Bürgermeister 1998 aus, verließ das Eichenauer Rathaus und bezog wieder sein Büro bei der Landeshauptstadt München. Niedermeier wurde im September 1998 zum Altbürgermeister ernannt und kehrte 2009 auf der Liste der Freien Wähler als Gemeinderat zurück in die Kommunalpolitik seiner Heimatgemeinde.

Niedermeier ist im Gemeinderat so präsent, als wäre er noch im Amt. Seine Kritik trifft immer jene, die die Vorschriften nicht ganz genau so gut kennen wie er selbst, und wenn ihm dann doch etwas zu weit geht und jemand etwas enger auslegt als es der Verwaltungsfachmann möchte, dann scheut sich Niedermeier nicht, ihn als "Tüpferlscheißer" zu bezeichnen. Niedermeier vertritt im Gemeinderat nicht nur die Freien Wähler, er spricht auch für seine Generation. Eichenauer, die den Ort so aufgebaut und geprägt haben, wie er heute ist, und die nicht wollen, dass sich noch viel verändert. Dabei ist der Altbürgermeister Neuem nicht verschlossen, aber in der Diskussion über die urbaner werdende Hauptstraße mit fünfgeschossigen Häusern versucht er seine Kolleginnen und Kollegen zu bremsen. Aber aus dem Selbst-Bestimmen ist ein Mit-Bestimmen geworden, und so zählt Niedermeier ab und an zu den Überstimmten.

In Grafrath hat der Gemeinderat im Juni 2014 Hartwig Hagenguth mit dem Titel Altbürgermeister versehen. Für die Bürger für Grafrath im Gremium sitzend, verfolgt Hagenguth die Gemeindepolitik aufmerksam und aus einer Art Oppositionsrolle heraus. Nach einer Amtsperiode als Gemeinderat will er weitermachen und hat sich auf der BfG-Liste auf Platz drei setzen lassen. "Das politische Argumentieren macht mir Spaß", sagt der 74 Jahre alte Gemeinderatskandidat. Dass er der Opposition im Grafrather Gremium angehört, ergibt sich für Hartwig Hagenguth schon allein aus der "kritischen Betrachtung" der anderen Fraktionen und des Bürgermeisters. "In die Rolle fällt man durch seine Fragen." Hagenguth sagt auch, dass es noch viele ungeklärte Probleme gebe und verweist allein auf den Bebauungsplan für den Klosterwirt - ein Dauerthema seit 1986. Es sei seitdem nicht viel passiert, der Plan liege auf Eis. Was den Stil und das Verhalten untereinander im Gemeinderat angeht, so gibt Hartwig Hagenguth die Hoffnung nicht auf, "dass manches etwas weniger aggressiv verläuft".

© SZ vom 25.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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