Kommentar:Reich, aber nur relativ

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Die Kaufkraft im Landkreis ist statistisch höher, als in den meisten anderen deutschen Städten, sagt eine Studie. Das heißt aber nicht, dass sich die Menschen hier automatisch mehr leisten können

Von Gerhard Eisenkolb

Der Landkreis hat nicht nur eine hohe Lebensqualität. Die Menschen, die hier wohnen, sind zudem auch noch reich - zumindest sind sie relativ reich. Zwar gibt es höchstwahrscheinlich hier mehr Arme, die jeden Euro zweimal umdrehen müssen, als Superreiche, aber eben auch immer noch sehr viele Menschen, die über ein überdurchschnittlich hohes Einkommen verfügen. Mit Hilfe der Statistik lässt sich aus so einer Einkommensverteilung errechnen, dass vom Baby bis zur Kleinstrentnerin jeder der hier lebt, 2017 theoretisch über eine Kaufkraft von etwa 28 000 Euro im Jahr verfügt. Wäre es so, herrschten paradiesische Zustände. Noch ein Punkt verwässert eine solche Kaufkraft-Statistik. Im Landkreis sind leider nicht nur die Einkommen spitze, sondern auch die Kosten.

Das spürt jeder, der ein Arbeitsleben lang sparen muss, um sein Wohneigentum zu finanzieren. Das spüren aber auch diejenigen, die angesichts steigender Mieten auf vieles verzichten müssen. Die Schattenseite dieser Entwicklung bekommen inzwischen auch hiesige Unternehmen zu spüren. Sie finden kaum noch Fachpersonal, weil deren Mitarbeiter sich hier keine Wohnung leisten können. Langfristig hat das auch für diejenigen Folgen, die hier ihr Geld ausgeben wollen. Es wäre zudem hochinteressant zu wissen, welchen Teil der höheren Kaufkraft die höheren Lebenskosten auffressen. Unterm Strich dürfte für viele nicht mehr viel übrig bleiben. Was letztlich heißt, dass die angeblich Reichen doch nicht ganz so reich und Arme noch ärmer sind als in anderen Regionen.

Die Interpretation der Kaufkraft-Statistik legt noch eine andere Schlussfolgerung nahe. Billiger Wohnraum dient nicht nur denjenigen, die zuziehen wollen oder müssen, sondern auch denjenigen, die bereits hier wohnen und am liebsten hätten, dass alles so bleibt wie es ist. Die größte Herausforderung der nächsten Jahre wird darin bestehen, den Schwerpunkt der Siedlungsentwicklung weg vom Einfamilien- und Reihenhaus hin zu moderatem, bezahlbarem Geschosswohnungsbau zu lenken und trotzdem die hohe Lebensqualität des Wohnens im Münchner Westen zu erhalten.

© SZ vom 04.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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