Kommentar:Kaum mehr als Floskeln

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Die Kreis-FDP kritisiert die Corona-Politik, bleibt selbst aber Lösungen schuldig

Von Peter Bierl

Liberale missverstehen den Menschen als Homo oeconomicus, ohne soziale Voraussetzungen zu berücksichtigen. Dazu passend, fordert die Kreis-FDP in einem offenen Brief an Merkel und Söder mehr Eigenverantwortlichkeit in der Corona-Krise, ohne zu sagen, was das konkret bedeutet. Wie soll Eigenverantwortlichkeit aussehen, wenn alle Schulen wieder geöffnet würden und Kinder und Jugendliche sich in Bussen und Bahnen drängen? Das Gleiche gilt für Kundschaft, die in die Innenstädte strömt, sobald die Geschäfte öffnen, und Masseninfektionen finden derzeit gerade dort statt, wo Unternehmen in Eigenverantwortung agieren, zuletzt bei einem Eisfabrikanten in Niedersachsen, unlängst bei Airbus in Hamburg und immer wieder in den Schlachthöfen.

Dass man "vor die Welle kommen" müsse, wie auf einer Pressekonferenz der Kreis-FDP verkündet, ist eine Floskel, die keiner braucht. Der Vergleich mit der Feuerwehr, die sich auf Einsätze mit allerlei Übungen vorbereiten kann, ist so was von schief, und richtig peinlich wird es, wenn in dem offenen Brief die hiesigen Verbote und Sanktionen gerügt werden, aber der Eichenauer FDP-Bürgermeister Südkorea und Taiwan als Musterbeispiele anführt. Dort greift der Staat rigider in Grundrechte ein und der Datenschutz bei den Corona-Apps ist eher Nebensache.

Ja, es gibt eine Menge zu kritisieren an Regierungen, die den Sommer verdaddelt haben, statt sich auf die zweite Welle der Corona-Pandemie vorzubereiten; die sich kaum um Lohnabhängige, prekär Beschäftigte, Flüchtlinge und Obdachlose kümmern; die Unterstützungen für Kleinbetriebe und Selbständige säumig auszahlen, aber große Unternehmen mit Steuermilliarden retten.

Alle Parteien können sich an der Nase fassen, weil ihre Politik am Ende dazu geführt hat, dass Krankenhäuser und Altenpflege nach den Maximen der Wirtschaftlichkeit geführt und entsprechend unterbesetzt sind und Patienten vernachlässigt werden. Die Kinder ärmerer Familien, deren Schicksal jetzt so wortreich beklagt wird, waren schon vor Corona abgehängt und als bildungsfern abgestempelt. Jeder ist eben seines Glückes Schmied, werden die Besserverdienenden sagen.

© SZ vom 18.02.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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