Kommentar:Die bessere Welt ist nicht käuflich

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Der Verstöße gegen das Tierwohl im Brucker Schlachthof müssen lückenlos aufgeklärt werden

Von Peter Bierl

Ob es sich bei den Vorfällen im Brucker Schlachthof um systematische Misshandlungen oder Einzelfälle handelt und wer verantwortlich ist, müssen die Behörden lückenlos ermitteln. Dabei stellt sich die Frage, ab wie vielen Einzelfällen man von einem System spricht. Für Laien schwer nachvollziehbar ist, dass niemand etwas mitbekommen haben soll, denn die Anlage ist klein und übersichtlich. Eigentlich zu eng, wie Allings Bürgermeister moniert.

Das offizielle Kontrollsystem hat versagt, und damit gerät das Landratsamt in den Fokus. Die Politiker müssen Konsequenzen ziehen, flapsige Bemerkungen helfen der geschundenen Kreatur nicht. Ganz traurig ist die Taktik der Betreiber, sich als Opfer einer Kampagne zu gerieren oder die Videoaufzeichnungen als unerhörten Eingriff anzugreifen.

Die einzigen Opfer waren bisher die Tiere, leidensfähige Lebewesen wie wir. Die Videoaufnahmen wären überflüssig gewesen, wären die Betreiber ihrer Verantwortung gerecht geworden. So muss man dem Whistleblower im Schlachthof und den Tierrechtlern dankbar sein. Denn sie haben aufgedeckt, dass die Betreiber ihren selbst gesteckten Ansprüchen auf ein ethisches Schlachten nicht gerecht wurden.

Die Grundidee des Metzgerschlachthofes ist gut: Für die Tiere werden Transportwege verkürzt, bäuerliche Betriebe und Handwerker unterstützt. Der Betrieb hilft Biobauern, Metzgern und Direktvermarktern, in einer Marktnische zu überleben, aber sie stehen in einem Konkurrenzkampf. Für sie geht es um die Existenz, das ist ein prinzipiell systemisches Motiv für Vergehen. Schon die Teilprivatisierung der Kontrollen wurde 1999 mit niedrigeren Gebühren gerechtfertigt. Die große Fleischindustrie mit ihren Billig-Lohnsklaven an den Pranger zu stellen, mag nicht falsch sein. Aber die Vorfälle im Brucker Schlachthof zeigen, dass die Parole "small is beautiful" ebenso fragwürdig ist. Klein ist kein Qualitätsmerkmal, Begriffe wie ökologisch und regional sind wie Zertifikate und Labels unter anderem auch Marketingbegriffe. Es würde den Verbraucher überfordern, in jedem Fall deren Wahrheitsgehalt detailliert zu überprüfen. Die Quintessenz der Brucker Vorfälle: eine bessere Welt ist nicht käuflich.

© SZ vom 11.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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