Kaufhaus im Internet:Wochenmarkt 2.0

Lesezeit: 2 min

Brucker Netz startet im zweiten Anlauf mit Lieferservice für Lebensmittel. Etwa 130 Produzenten, Dienstleister und Händler aus dem Landkreis nutzen die Internet-Plattform bereits für die regionale Online-Vermarktung

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Das Brucker Netz ist so etwas wie die regionale, geschrumpfte und politisch korrektere Variante von Amazon. Dem Riesenkonzern wird mangelnde Steuermoral nachgesagt. Und der Einzelhandel klagt, Amazon grabe ihm das Waser ab. Andererseits finden manche Kunden es praktisch, sich Waren direkt ins Haus liefern zu lassen. Das Brucker Netz, das jüngst "runderneuert" und um ein zusätzliches Angebote erweitert worden ist, versucht, das beste aus zwei Welten zu kombinieren - lokale Geschäfte und Internet. Einer der Geschäftsführer ist BBV-Stadtrat Andreas Rothenberger.

Der 41-Jährige ist promovierter Philosoph. Er weiß also, wie das Leben so spielt und dass man bei der Gründung eines Unternehmens einen langen Atem braucht, um sich in die schwarzen Zahlen zu arbeiten. Während des Studiums jobbte er in Kneipen. Und bis vor einem Jahr stand er nebenher noch am Grill des Klubhouses und war für die Burger zuständig. Denn das Geld brauchte er für den Neustart seiner Vermarktungsplattform im Internet. Die Idee klingt ziemlich schlüssig: Das Brucker Netz bündelt regionale Produzenten, kleine Läden und Dienstleister, für die ein eigener Internetauftritt zu aufwendig ist. Kunden können per Mausklick zentral bestellen, die Ware wird dann persönlich zugestellt. Oder per Post, sofern die Kunden nicht im Landkreis wohnen.

Zweigleisige Strategie: Wochenmarkt für Lebensmittel, Kaufhaus für Produkte und Dienstleistungen (die Homepage des Brucker Netzes). Foto: Screenshot (Foto: screenshot)

Was in der Theorie einleuchtend klingt, erwies sich in der Praxis als gar nicht so einfach, das zeigt der Blick zurück: Die 2014 entwickelte Idee eines Online-Kaufhauses für die Brucker Einzelhändler mündet zwar zwei Jahre später in die Gründung eines Start-ups. Die freilich verläuft holprig. An der Programmierung der Webseite liegt es nicht. Da hilft ein Profi mit: Co-Geschäftsführer Markus Ströhle, der Bruder von Andreas Rothenberger (der vor einigen Monaten den Familiennamen seiner Frau angenommen hat). Der damaligen Neugründung gelingt es, mehr als 60 Händler und 30 Dienstleister ins Boot zu holen. Bereits Ende 2016 können sich die beiden Brüder dann aber nicht über geschäftliche Details der Vermarktung einigen und lassen das Projekt erst einmal in den Dornröschenschlaf entschlummern. Im Rückblick räumt Rothenberger offen ein: "Einer der Gründe dürfte gewesen sein, dass viel zu wenige Artikel online waren und potenzielle Kunden zu selten fündig wurden."

Beirren lässt sich der Vater von drei Kindern aber nicht. Bereits im folgenden Jahr wagt er den Neuanfang, für den er als neuen Geschäftspartner Philippe Scharioth, 38, gewinnt. War das Brucker Netz ursprünglich bundesweit die zweite Plattform dieser Art, so gibt es mittlerweile um die 25. Die meisten kämpfen mit ähnlichen Problemen wie Rothenberger und sein Kompagnon. Die beiden grübeln, wie sie es diesmal besser machen können. Und so kommt es zur Wiederbelebung einer Idee, die Rothenberger bereits 2016 durch den Kopf gegangen war: ein zusätzlicher Online-Wochenmarkt für Lebens- und Genussmittel, die im Landkreis angebaut oder produziert werden, als Ergänzung zum Online-Kaufhaus. Der Grundgedanke auch hier: kurze, umweltschonende Wege vom Erzeuger zum Verbraucher. Stammen die angebotenen Lebensmittel nicht aus dem Landkreis, soll dies kenntlich gemacht werden. Mit Transparenz kennt sich Rothenberger aus - im Stadtrat ist er Referent für Bürgerbeteiligung. Das Angebot ist nicht als Konkurrenz zu Hofläden und Wochenmärkten gedacht, sondern als Ergänzung. Rothenberger ist zuversichtlich. "Die Abläufe passen", sagt er einen Monat nach dem Neustart, "jetzt können wir mit dem Marketing beginnen. Ein paar Minuten zuvor hat er den 25. Lieferanten für den Wochenmarkt gewonnen: Mit Jäger und Wildfleisch-Lieferant Max Sedlmair aus Nannhofen habe er gerade per Handschlag den Vertrag abgeschlossen.

© SZ vom 26.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: