Kandidaten für den Tassilo 2018:Talentsuche an der Bar

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In ihrem Live-Musik-Pub fördern Regina Mühlthaler und Michael Wilke seit zwei Jahren Nachwuchskünstler aus der Region.

Von Julia Bergmann, Fürstenfeldbruck

Wenn Regina Mühlthaler zu sprechen beginnt, erfüllt ein angenehmer Alt den Raum, leicht rauchig, fast schon ein Tenor. Früher war das anders, die Stimme traf mit Leichtigkeit die ganz hohen Töne, konnte im Singen einen Bogen über drei Oktaven spannen. Früher, das war mit 13, als Mühlthaler noch mit einer Karriere als Opernsängerin liebäugelte. Gekommen ist es dann doch ganz anders, aber die Liebe zur Musik ist geblieben. Heute führt die 51-Jährige "Jeaney's Live Music Pub", eine der wenigen Brucker Kneipen, in denen Livemusik gespielt wird.

"Das Wichtigste ist uns, dass wir kleinen Bands aus der Region die Möglichkeit geben, ihre Musik auf einer Bühne und vor Publikum zu spielen", erklärt Mühlthaler. Einmal pro Monat haben junge Künstler dazu bei der Open Stage Gelegenheit. Regionale und überregionale Bands spielen außerdem zweimal pro Woche live in dem kleinen Lokal an der Münchner Straße. Die Nachfrage unter den Musikern ist enorm. Bis zum Juni ist das Pub bereits jedes Wochenende ausgebucht. Derzeit zählt Michael Wilke, der für die Akquise und das Booking zuständig ist, Anfragen von etwa 100 Bands, die er auf das Winterhalbjahr vertrösten musste. Weil sich Mühlthaler und Wilke mit ihrer Arbeit um die Förderung junger Musiker aus der Region verdient machen und das kulturelle Leben der Stadt wesentlich mitgestalten, sind sie für den Tassilo-Kulturpreis der Süddeutschen Zeitung nominiert.

Eine Erfolgsbilanz, von der er und Mühlthaler kurz nach der Eröffnung im Sommer 2016 lediglich träumen konnten. Damals hatte der Laden an der von außen betrachtet reizlosen Münchner Straße bereits eine deutliche Verwandlung durchlaufen. Sechs Jahre zuvor hatte Mühlthaler das Lokal als Spielothek von ihrem ehemaligen Lebensgefährten Michael Wilke übernommen. "Ich fand, es muss in Bruck wieder mehr für kleine Künstler gemacht werden", sagt sie. Die Spielothek allein reichte kaum, um über die Runden zu kommen, und schon lange spielte sie mit dem Gedanken, etwas Neues zu wagen. Immerhin begleitete sie die Leidenschaft für Musik schon seit frühester Kindheit. Gemeinsam mit ihrem Vater Sebastian Mühlthaler ist sie während ihrer Jugendjahre sogar regelmäßig aufgetreten. "Mit bayerischer Volksmusik", sagt sie und lacht. Ungewöhnlich für eine Frau, die sich heute als Altpunkerin bezeichnet. Weil sie selbst Bühnenerfahrung hat, wisse sie auch, was dazu gehört, sich vor einem Publikum zu präsentieren. "Ich habe Respekt vor jedem Künstler, der das macht", sagt sie.

Auch Wilkes Musikleidenschaft begann früh. In jungen Jahren lernte er Gitarre zu spielen, "auf einer zwölfsaitigen Gitarre", sagt er mit einem versonnenen Ausdruck im Gesicht. Gemeinsam mit einem Freund zog er als Straßenmusiker durch die Städte, bis ihnen eines Tages ihr komplettes Equipement gestohlen wurde. "Von dem Moment an habe ich 35 Jahre lang nicht mehr gespielt", sagt er. Bis ihn eines Tages auf einer Hochzeit ein Musiker in seinen Bann zog. Gemeinsam mit ihm griff er 2014 wieder zur Gitarre und die Musik war in sein Leben zurückgekommen.

Die Idee zur Livemusik-Location war über die Jahre sowohl für Wilke als auch für Mühlthaler zum Lebensziel geworden, und so packten beide mit an, um Umbau, Installation der Elektrik und Renovierung schnell voranzutreiben. Das unliebsame Wandgemälde einer nackten, auf einer Palme liegenden Schönheit war nach der Renovierung endlich verschwunden.

Wo sich die Sonnenanbeterin einst rekelte, hängen jetzt auf dunkelrot gestrichener Wand die Fotos der Bands, die bisher auf der kleinen Bühne im Pub aufgetreten sind. Mittlerweile waren es so viele, dass Mühlthaler, will sie die Galerie weiterführen, die nachfolgenden Künstler an die Decke heften muss. Die Fotos zeigen Gruppen, wie die niederländische Pop-Punk-Band "Coral Spring", die auf ihrem Weg zum slowenischen Punk-Rock-Holiday-Festival kurz entschlossen einen Stopp in Fürstenfeldbruck eingelegt hatte. Oder die Folk-Punk-Band "Kobberneggisch", die ihre Texte auf fränkisch singt. Auch bei den Open-Stage-Veranstaltungen jeden ersten Donnerstag im Monat treten oft außergewöhnliche Musiker auf. Die Songwriterin Alisha Prettyfields, zum Beispiel, oder Allegría Mannhardt. Einige der Nachwuchskünstler trauen sich im Jeaney's sogar zum ersten Mal auf die Bühne. "Manche begreifen es auch als Sprungbrett", sagt Wilke. Immerhin gebe es einige Bands, die nach ihren Open-Stage-Auftritt für Folgegigs gebucht wurden - auch in anderen Clubs in der Region.

Einen festgelegten Musikstil gibt es in Jeaney's Live Music Pub nicht. Auf eine ausgewogene Mischung legt Mühlthaler wert. "Wir sind offen für alles", sagt sie. Wilke, der in der Akustik-Coverband "Maikay" spielt, hat als Musiker entsprechende Kontakte. "Man ist vernetzt und vieles läuft auch über Mundpropaganda", sagt er. Es scheint zu funktionieren. Denn bis Juni finden in Jeaney's Live Music Pub an jedem Wochenende zwei Konzerte statt. Zwar gibt es mittlerweile einige Wirte im Landkreis, die ebenfalls auf Livemusik setzen, allerdings nicht in der Frequenz, wie ihn der kleine Pub an der Münchner Straße bietet. Und dann noch bei grundsätzlich freiem Eintritt. "Am Ende der Auftritte geben wir einen Hut herum, in dem jeder einen kleinen Obolus für den Künstler legen kann", sagt sie. Die Gage, die so für die Musiker zusammenkomme, sei bisher immer in Ordnung gewesen. Die Gema-Gebühren und die Getränkerechnung für die Künstler übernimmt Mühlthaler.

Komplett von der Spielothek wollte sich Mühlthaler allerdings nicht trennen. Auch nach der Renovierung blieb ein großer Bereich mit Spielautomaten und ein separater Dart-Raum erhalten. Dass die doch recht eigenwillige Kombination von Bühne und Spielothek funktionieret, davon ist Mühlthaler überzeugt. Immerhin sind Livemusik-Bereich und Automaten optisch durch Vorhänge voneinander getrennt. Die Spielothek-Besucher stören sich nicht an der Livemusik und für die Musikliebhaber zählt ohnehin nur eines: das der Sound passt. Und darauf, dass der passt, haben Wilke und Mühlthaler bisher immer geachtet.

© SZ vom 03.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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