Kabarettwettbewerb:Grandiose Wortspiele

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Das Duo Blömer/Tillack gewinnt den Kabarettwettbewerb Paulaner Solo

Von Karl-Wilhelm Götte, Fürstenfeldbruck

Liza Kos, 37, spielt die Russin, die in Deutschland "intrigiert" ist, wie sie sagt, perfekt. Sie kommt diesmal nicht in der Rolle der kurzberockten Svetlana Kalaschnikova auf die Bühne. Von russischer Sexyness erzählt sie, will aber an diesem Abend nicht selbst körperbetont damit punkten. Zum Finale des Kabarettwettbewerbs Paulaner Solo vor 600 Besuchern, schwungvoll und geistreich moderiert von Christian Springer, trägt sie Hose und einen hochgeschlossenen Pullover. Kos ist am Ende die Favoritin des Saales, sie gewinnt wie schon in der Vorrunde den Publikumspreis. Die fünfköpfige Jury setzt sie auf Platz zwei und das Duo Bernd Blömer und Dirk Tillack auf eins.

Vor Kos und Blömer/Tillack haben Nagelritz (Dirk Langer) und Bumillo (Christian Bumeder) Jury und Publikum in jeweils 20 Minuten zu überzeugen versucht. Die Nagelritzsche Flaggensprache könnte ja Brücken schlagen zwischen Bayernfahnen in Vorgärten, Bierfahnen auf Schiffen und in Oktoberfestzelten und Nordsee-Schiffsflaggen. Und den Unterschied zwischen der Wirkung von lebensbereicherndem und erheiterndem Seemannsgarn und lebensverdüsternden Fake News könnte man besser kaum ausdrücken, als Nagelritz, 48, das tut. Doch sexistische Matrosenwitze wirken aus der Zeit gefallen. Die Zwangseinbindung von Besuchern ins Bühnengeschehen durch privateste Fragen ist zwar üblich, nervt aber auch. Geliefert werden die Pointen vom Publikum häufig auf dessen Kosten. Mit dem Verteilen von Ahoi-Brausetüten übertrieb es der Bremer.

Der Oberbayer Bumillo, 37, steckt die anfängliche Technikpanne schnell weg. Der Comedian und Kabarettist thematisiert den Irrsinn des digitalen Zeitalters wie das Generationenduell der Casio-Uhr und der Apple-Watch. Als gewiefter Poetry-Slammer beeindruckt er durch geistreiche Formulierungen, ist aber in seinem Sprechtempo so rasant, dass das Publikum all den intelligenten und originellen Gedanken und Sprüchen gedanklich nicht immer folgen kann. Der Sprung vom Poetry-Slam zum Kabarett ist da noch nicht immer gelungen. Nagelritz belegt Platz vier, Bumillo Rang drei, belohnt von der Brauerei mit 1000 und 1500 Euro.

Das Männerduo Blömer/Tillack, zwei Sportlehrer aus Westfalen, zeigt in 20 Minuten Kabarett, Pantomime und Gesang. Jurysprecher Jürgen Kirner (Couplet AG) spricht von "guter Themensetzung", die die Jury bewogen habe, das Duo auf den ersten Platz zu setzen. Für Platz eins hätte schon die erste Nummer, der "Losverkäufer", gereicht. Das grandios-ausufernde Wortspiel zwischen Losverkäufer und -käufer, bei dem man entdeckt, wie viele "Lose" es gibt in dieser Gesellschaft und wie viele die deutsche Sprache hergibt. Da ist das Arbeitslos, die Mittellose(n), aber auch die Ehrlose bis zu den Skrupellosen. Etwas mehr Vertrauen in die Wirkung von Pausen und Tempoverschiebungen ist dem Duo noch zu wünschen. Die clowneske Pantomime hinterlässt dagegen einige Ratlosigkeit. Nummer drei - eine Kritik an den Weltrettungsappellen schon an die Kleinsten - hätte wiederum genug Stoff für eine weitere Darbietung hergegeben. 2500 Euro gibt es für den ersten Juryplatz.

Liza Kos bringt nach all den Wortsalven sehr viel Ruhe in den Stadtsaal. In den ersten - aber nur in den ersten - Augenblicken ist man an die absichtlich lahme Ausdruckslosigkeit einer Hazel Brugger erinnert. Doch da hat eine das Mikrofon und das Wort ergriffen, die mit aller Ruhe höchst dynamisch ist. Eine, die ganz eigen, ganz bei sich, ganz sie selbst ist in ihrer Mehrfach-Identität als gebürtige Russin, Deutsche und in der Rolle als Türkin. Dann allerdings können all die Brüche und Wendungen in der Biografie, können all die losen Fäden zu so einem Kunstwerk wie hier geknüpft werden.

Kos kann Spannung aufbauen und dem Publikum Gelegenheit geben, nicht nur hirnbemüht hinter den Pointen herzuhoppeln, sondern jeden Satz, jedes Wort und jede Geste genüsslich zu verfolgen. Der Genuss ist groß, denn das Können ist groß; mühelos wechselt die Künstlerin vom russischen Akzent zum lupenreinen Hochdeutsch, von dort ins Türkischdeutsche, und Singen kann sie auch. Die Publikumsmehrheit würdigt ihren Auftritt zurecht mit Platz eins und 1000 Euro extra. Das Finale macht Kos um 3000 Euro reicher.

© SZ vom 30.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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