Kabarettabend:Drohnenkrieg im Kinderzimmer

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Stephan Zinner plaudert in Gröbenzell über die Familie

Von Karl-Wilhelm Götte, Gröbenzell

Stephan Zinner kam auf die Bühne und suchte sofort den Kontakt zum Publikum. "Schön, mal wieder vor normalen Leuten zu spielen", führte sich der Kabarettist im Gröbenzeller Stockwerk sympathisch ein. "Politiker können doch sehr zach sein." Etwa 150 Besuchern lachten erstmals an diesem Abend amüsiert laut auf. Hatte Zinner doch eine Woche zuvor beim Politiker-Derblecken auf dem Münchner Nockherberg im Singspiel erneut den CSU-Politiker Markus Söder gedoubelt.

Im Stockwerk musste er niemanden doubeln, auch keine dunkle Perücke tragen. Dort zeigte er sein Talent als witziger Geschichtenerzähler und Musiker. Bekannt ist der 41-jährige, gebürtige Trostberger als Schauspieler in Film und Fernsehen. Einst gehörte er zum Ensemble des Salzburger Landestheaters und der Münchner Kammerspiele.

In Gröbenzell ging es dem Wahlmünchner in seinem Programm "Wilde Zeiten" um das Thema Hektik und Stress. "In München ist immer Volldampf. Die Menschen kommen mir vor, wie ein Schnellkochtopf ohne Ventil." Geschichten erzählte Zinner vorrangig über sein Privatleben. Dabei ging es auch um seine Frau und seine drei Kinder. Sein großer Sohn Gregor ist ein Gamer, der sein Zimmerfenster mit schwarzen Vorhängen verdunkelt und ein Headset auf dem Kopf trage, als ob er einen Drohnenkrieg steuere. Zinner erzählte von einer Campingreise nach Italien, wie er sich mit dem Zeltaufbau abquälte und seine Frau seinen Aufbau wortlos abnahm. "Die schaut nur und dann weiß ich, es ist nur ein guter Vierer", schilderte der Kabarettist den Vorgang amüsant. Wir erfuhren, dass Zinners Ehefrau Ärztin ist, aus Dresden kommt und eine "Frostbeule" ist. Sie legt schon mal eine Folie auf die neue Coach, ist aber auch die bessere Autofahrerin, so Zinner. Mit ihren unzähligen Cremes könnte man eine größere Elefantenherde großflächig eincremen, meinte Zinner noch und der Saal lacht. Diese Spitzen gegen seine Frau waren nichts für Feministinnen, doch die waren auch nicht da.

"Das Programm ist von meiner Frau abgenommen", versuchte er allen anderen Kritikern, die darüber nachdachten, ob er seine Ehefrau vorführte, den Wind aus den Segeln zu nehmen. Zinner ist ein Erzähltalent, der witzig und unterhaltsam rüberkommt, aber ein bisschen weniger privat wäre besser.

In die gedankliche Tiefe geht er nicht. Auch "politisieren", wie er sagt, will er nicht. Das überrascht, hat er doch mit der Figur Söder seit 2006 guten Kontakt. Leider übertreibt es Zinner mit seinem Trostberger Dialekt, so dass Zuschauer, die nicht ganz so sattelfest im Bairischen sind, so manche Pointe nicht erfassen und nicht mitlachen können. Das frustriert, wie es Zinner frustrierte, als er davon erzählte, wie er einen Pflichtbesuch bei einer "Esoterik-Frau" absolvieren musste. "Gleich am Eingang gab es Sternzeichenkontrolle", so Zinner verwirrt, aber witzig. Nach längeren Erzählpassagen greift er zur Gitarre und singt. Auch hier beherrscht er alle Genres; spielt Blues oder Country, hier auch mit nachdenklichen Texten. Dem Publikum gefällt dieser Wechsel. Seine Schauspielkunst imponiert immer dann, wenn Zinner seine Geschichten mit eindrucksvoller Mimik und Tönen begleitet, besonders wenn er ein Live-Rollenspiel einer "Herr der Ringe"-Gruppe in der U-Bahn nachspielt.

© SZ vom 07.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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