Kabarett in Fürstenfeldbruck:Tiefenentspannte Wurschtigkeit

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Die Well-Brüder aus'm Biermoos und Gerhard Polt feiern in ihrer unnachahmlichen Weise 40-jähriges Bühnenjubiläum. Die beiden ausverkauften Vorstellungen in Fürstenfeld sind ein Heimspiel

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Es ist wie ein Wiedersehen mit alten Freunden. Da sind sie, die drei Well-Brüder aus'm Biermoos: Stofferl Well mit der Ziehharmonika, Karl Well mit der Klarinette, Michael Well mit der Tuba. Neben ihnen, natürlich: Gerhard Polt. Alles wie immer. Ist ja auch der offizielle "Jubiläumsabend zu 40 Jahren Polt/Well". Nur dass diesmal eine coronabedingte Zwangspause von gut einem Jahr hinter diesem Quartett liegt. Mehr als 500 Zuschauer sind am Sonntag in den Stadtsaalhof von Fürstenfeld gekommen, ebenso viele waren bereits nachmittags bei der ersten Vorstellung da. Sie sehen und hören begnadete Musiker und einen Polt, der einfach so ist wie man ihn von seinen zahlreichen Gastspielen im Landkreis kennt: einfach saugut.

Bei dem 79-jährigen Münchner weiß man, was man bekommt. Kein Feuerwerk der Überraschungen. Keine langen Anläufe, die in der Pointe gipfeln. Keine sorgsam gedrechselten Wortgirlanden. Seit einigen Jahren touren die vier durch die Lande, mit einem Programm, das im Kern beim Bewährten geblieben ist. Der Mann hinter dem Kern des Bewährten trägt einen Trachtenjanker, eine randlose Brille auf der Nase und hat die Hände in den Hosentaschen seiner Jeans. Ein griesgrämiger und mundfauler Herr Mustermann, wie man ihn in irgend einer vertaubten Amtsstube oder am schummrigen Dorfstammtisch vermuten könnte. Diese kindlich anmutende Naivität, dieses Staunen, diese Unbedarftheit, diese tiefenentspannte Wurschtigkeit. Die Geschichten, erzählt im schwerfälligen Hochdeutsch eines Bayern, unterbrochen manchmal von einem gackernden Lachen, beginnen oft bieder und unspektakulär. Dabei schaufelt Polt gerne mit den Händen durch die Luft. Und am Ende haut es die Zuschauer gerade wegen dieses Minimalismus' fast vom Stuhl. Wie macht er das nur?

Da passt Polts Satz: "I sog des ohne... Ding." Im konkreten Fall widmet er sich dem Wesen des Grattlers, mit dem er es "drunt in Antalya" am Buffet ("zum Speibn") zu tun bekommt. Grundsätzlich habe er aber gar nichts gegen Menschen. Außer, wenn die als Nachbar daherkommen. Dann wird's "grenzwertig" - vor allem wenn die Auswertung der eigenen Drohnenaufnahmen ergibt, dass dieser gemeinsam mit seinen Gästen 87 Bratwürstchen auf den Grill gelegt hat. Und das mitten im Lockdown! In seiner Rolle als indischer Pfarrer warnt Polt davor, den Garten Eden mit dem Biergarten gleichzusetzen. Und er weiß nicht so recht, wer des Glaubensbeistands hierzulande bedarf: "I'm shepherd, but in Bavaria no sheep!". Als Augenzeuge eines Badeunfalls notiert er akribisch acht Hilferufe und schimpft darüber, dass ihm unterlassene Hilfeleistung vorgeworfen wird. Sind doch auch noch andere da. Außerdem habe man es halt schlicht versäumt, den See beizeiten zuzuschütten und als Parkplatz auszuweisen. Dann wäre niemand ertrunken.

Zustimmung gibt es linker Hand, sofern sich die Well-Brüder mal nicht bei ihrer Stubenmusi 2.0 an den Instrumenten abarbeiten. Das Repertoire der virtuosen Musiker enthält seit der Trennung vom einstigen Frontmann der Biermösl Blosn, Hans Well, nicht mehr ganz so viele politische Spitzzüngigkeiten. Eher klassisches Kabarett als beißende Gesellschaftskritik. Natürlich bekommt die CSU trotzdem ihr Fett weg. Der ganze Maskenskandal um Nüsslein, Sauter und Gauweiler - "unter Strauß wär's nie passiert." Weil sie, nicht weit entfernt, in Günzlhofen aufgewachsen sind, wissen sie natürlich, dass das Landratsamt in Bruck seit Neuestem ein Parkdeck ohne Dach, dafür aber mit Reifenwärmern hat. Und sie empfehlen eine UNO-Blauhelmmission auf dem Volksfestplatz, für den Fall, dass der Streit ums Trafohäuschen auf dem Schulgelände weiter eskaliert.

Der Stadtsaalhof von Fürstenfeld ist zwei Mal ausverkauft. (Foto: Günther Reger)

Vor allem wenn Christoph alias Stofferl, Karl und Michael zu den Instrumenten greifen, setzen sie die Akzente, so wie man das kennt von den 15 Geschwistern und längst auch von deren Kindern. Bevor sie als "Superspreader" in die Alphörner stoßen, greifen sie zu Trompete, Ziehharmonika, Gitarre, Kontrabass, Blockflöte, Drehleier und allem, dem sich Töne entlocken lassen - notfalls geht es aber auch a cappella. Als Stofferl eine Saite der Harfe reißt wechselt er sie "unterm rollenden Rad", wie man das bei der Bahn sagen würde. Mit dem Unterschied, dass Stofferls Reparatur zügig erledigt ist und es fast nahtlos weitergehet im D-Zugtempo.

Abgesehen von solchen Überraschungen sitzt jeder Handgriff und jedes Wort und jeder Ton. Es ist ein bewährtes Konzept. Stofferl in seiner Lederhosn steht bei den Auftritten mit Polt eigentlich - aus Zuschauerperspektive - immer ganz außen, weil das Trumm von Harfe ganz außen am wenigsten im Weg rumgeht. Karl steht in der Mitte, weil er immer in der Mitte steht. Und der weißhaarige Michael steht ganz rechts. Das macht so Sinn. Das ist halt so. Würden Michael und Karl Platz tauschen, dann würde es Karl nämlich die Ohren wegblasen. Man steht besser nicht dort, wo das trichterförmige Schallstück der Tuba hinzeigt. Außer man kann ein paar Meter Sicherheitsabstand halten und hat die Ruhe weg. So wie Polt.

Unterstützt wird Polt von den virtuosen Well-Brüdern (von links) Stofferl, Karl und Michael. (Foto: Günther Reger)

Am Ende eines höchst unterhaltsamen Abends, coronabedingt ohne Pause, bleibt die Erkenntnis, dass die Welt besser wäre ohne viele ältere weiße Männer. Vier aber dürfen bleiben. Die tun der Welt gut.

© SZ vom 28.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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