Jugendhilfe:Reparatur und Prävention

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Der Kreis muss erneut für die Jugendhilfe mehr Geld ausgeben. Der Etat beläuft sich auf 28 Millionen Euro. Kreisjugendreferent Stefan Floerecke kritisiert den Bund dafür, dass dieser viele Aufgaben überträgt

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

Einen Großteil seiner Ausgaben muss der Landkreis auf die Jugendhilfe verwenden. Wie 2018 sind auch für nächstes Jahr knapp 28 Millionen Euro eingeplant. Dem stehen nur etwa sechseinhalb Millionen an Erträgen gegenüber, weshalb der Kreis am Ende für 21,5 Millionen Euro gerade stehen muss. Das sind vier Prozent mehr als im Vorjahr. Da der Jugendhilfeetat jährlich um etwa eine Million anwachse, stelle er sich die Frage, "wie wir als Landkreis das dauerhaft stemmen wollen", merkte in der Sitzung des zuständigen Fachausschusses des Kreistags Jugendreferent Stefan Floerecke (CSU) an. Die Ausschussmitglieder benötigten dennoch nur fünf Minuten, um den zweistelligen Millionenbetrag zu genehmigen.

Floerecke erinnerte daran, dass "der überwiegende Anteil Pflichtaufgaben des Landkreises sind". Das heißt, der Kreis hat keine Möglichkeit, sich dafür oder dagegen zu entscheiden, sondern muss die Kosten gemäß den gesetzlichen Vorgaben übernehmen. Wie etwa bei den Inobhutnahmen, bei denen das Jugendamt von einer "massiven Fallzahlensteigerung" spricht. Waren es im Vorjahr 46 Kinder und Jugendliche gewesen, die infolge einer Krisensituation vorübergehend vom Jugendamt aus ihren Familien genommen wurden, so sind es in den ersten drei Quartalen 2018 bereits 65 - und damit nach einem Dreivierteljahr schon 40 Prozent mehr als im Vorjahr. Das habe auch damit zu tun, dass mehrere größere Familien betroffen waren, erläuterte die stellvertretende Kreisjugendamtsleiterin Nadine Karl der SZ. Zudem seien Bevölkerung und Fachkräfte deutlich mehr sensibilisiert als früher, was sich auch daran zeigt, dass sich die Gefährdungsmeldungen im Vergleich zum selben Zeitraum im Vorjahr verdoppelten. Das Jugendamt versucht dann, möglichst viele Kinder in Bereitschaftspflegefamilien unterzubringen. Floerecke dankte ihnen ausdrücklich: "Wir sind froh, dass wir Familien im Landkreis haben, die diese Aufgabe übernehmen." Sonst müsse man die Betroffenen in Schutzstellen oder Heimen unterbringen, was für den Kreis wiederum höhere Kosten bedeuten würde.

Ebenso wenig steuerbar wie die Zahl der Inobhutnahmen sind die Zuschüsse zur Kindertagesbetreuung, die der Landkreis jenen Familien zahlt, deren Einkommen zu gering ist, um eine Kitaplatz allein zu finanzieren. Knapp 3,7 Millionen Euro sind dafür 2019 eingeplant. Fast ausgeschöpft waren Ende September auch bereits die Mittel für die Schulbegleitung, die als sogenannte Eingliederungshilfen vom Landkreis zu zahlen sind. Einen Schulbegleiter in Anspruch nehmen können nach gutachterlicher Bestätigung Kinder und Jugendliche mit einer seelischen Behinderung, die ihre Teilhabe am Leben beeinträchtigt. Schulbegleiter helfen ihnen, damit ihre Teilnahme am Unterricht möglich wird. 2013 waren dafür 260 000 Euro im Kreisetat eingeplant, sechs Jahre später sind es bereits 900 000 Euro. Die Eingliederungshilfen steigen damit auf 7,8 Millionen Euro. Insgesamt verdoppelten sich die Kosten im Jugendhilfebereich binnen eines Jahrzehnts von 13,7 Millionen im Jahr 2013 auf nunmehr 28 Millionen Euro.

Damit Problemlagen erst gar nicht entstehen, dafür wurden Präventionsangebote eingerichtet. Der Landkreis hat den Ansatz dafür auf 900 000 Euro erhöht, was freilich nur einen kleinen Teil an den gesamten Jugendhilfekosten ausmacht. Zur Prävention zählen die neu in den Kommunen eingerichteten Familienstützpunkte, das Frühförderprogramm Opstapje, die Koordinierende Kinderschutzstelle (Koki), der Spieleverleih und das Alkoholpräventionsprogramm "Hart am Limit" (Halt). Institutionelle Einrichtungen wie Erziehungsberatungsstelle, Kreisjugendring, das Programm Kim, das sich an Opfer sexualisierter Gewalt richtet, das Neugeborenenbesuchsprogramm "Willkommen im Leben" sowie die Jugendsozialarbeit an Schulen erhalten insgesamt 2,3 Millionen Euro.

Laut Gesetz soll die Jugendhilfe junge Menschen in ihrer Entwicklung fördern und Benachteiligungen vermeiden helfen, sie soll schützend eingreifen, wenn Gefahr für das Kindswohl besteht, und Eltern bei der Erziehungsarbeit unterstützen. Der Gesetzgeber müsse sich Gedanken darüber machen, wie sich die Jugendhilfe im Landkreis aufstellen solle, sagte Stefan Floerecke noch. Denn Bund und Länder würden "die schwarze Null" anpeilen, aber "der Landkreis soll die Kosten tragen". Landrat Thomas Karmasin (CSU) gab sich darob wenig optimistisch und sprach beispielhaft davon, dass die eine Arbeitsgruppe des Bundes den Kommunen Entlastungen in Höhe von fünf Milliarden Euro verkünden und eine zweite Arbeitsgruppe den Kommunen dafür weitere Leistungen aufbürden würde, so dass "die fünf Millionen hier nicht ankommen". Nach Möglichkeit wolle er mit dem Bund gar nichts zu tun haben.

© SZ vom 27.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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