Jesenwang:Die vielen Formen der Liebe

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Eine Ausstellung in Jesenwang beschäftigt sich mit der wohl grundlegendsten Frage der Menschheit. Die Antworten reichen von abstrakten Figuren bis zu erotischen Gemälden

Von Edith Schmied

Liebe. Kaum ein Wort ist so oft benutzt und wiederholt missverstanden worden. Allein 6387 Zitate und 1856 Gedichte listet das Internet zu diesem Thema auf. Eines davon hat Elke und Hermine Heinrich nachhaltig beeindruckt. In Erich Kästners "sachlicher Romanze" kommt die Liebe abhanden wie ein Stock oder Schirm - damals unvorstellbar für die beiden Teenager. Der Traum von einer eigenen Ausstellung zu diesem Thema blieb bis heute. Jetzt ist er für die beiden Schwestern Wirklichkeit geworden. "Aus dem Konjunktiv ist ein Indikativ geworden", begrüßt Hermine ihre Gäste in ihrer Galerie in Jesenwang. Sie ist ganz gerührt von dem Ansturm. Und weil man Liebe nicht nur in Bildern und Skulpturen, sondern vielmehr noch vielseitiger in Worten abbilden kann, steht am Beginn eine szenische Lesung unter dem Motto "Liebe, Liebe".

Was Elke, die Schauspielerin, da aus den unterschiedlichsten Medien ausgewählt hat ist so vielseitig wie unterhaltsam, aber auch nachdenklich, melancholisch und traurig, mitunter bitterböse und sarkastisch. Es ist geradezu eine poetische Collage. Elke spannt den Bogen von den alten Griechen zu neuzeitlichen Medien. Bei Wikipedia heißt es nüchtern, "Liebe ist Biochemie und keine Herzensangelegenheit, das Gehirn der Ort des Geschehens". Weiter gehts mit einer Reihe von Gedichten, mit der Bibel und der Botschaft, "ohne Liebe bist du nichts". Schließlich folgt die fehlgeleitete, aufopfernde Liebe Eva Brauns zu Adolf Hitler. Eva, eine stramme Befehlsempfängerin, am Tag vor ihrer Hochzeit und zwei Tage vor dem gemeinsamen Freitod, ist erfüllt von dem Stolz endlich den Namen Frau Hitler tragen zu dürfen - und sei es nur für einen Tag. Eine beeindruckende Szene. Im Kontrast dazu steht die käufliche Liebe im Puff, dem Ort an dem sich Männer von falschen Gefühlen erholen. Etliche Liebesbriefe runden die Collage ab. Manch einer fährt angeblich nur weg, um Liebesbriefe zu bekommen und zu schreiben. Einen ganz anderen Stellenwert erhält ein persönlicher Brief des eigenen Opas aus der Gefangenschaft, den die Besucher auch im Original lesen können.

Manuel Lichtwanderer verortet das Thema Liebe auf seinen Bildern im erotischen Bereich. Seine Protagonistin Lilith rekelt sich einmal lasziv auf dem Boden. (Foto: Günther Reger)

Hermine Heinrich erweist sich als höfliche Gastgeberin. Die gelernte Hebamme stellt nur ein Bild aus. Es zeigt eine gemütliche Holzhütte mit blühendem Obstbaum, davor ein Paar in eher freundschaftlicher Umarmung. Nägel mit blutenden Spitzen bringen die Idylle ins Wanken. Das Thema "Liebe" spiegelt sich zwangsläufig in der Dualität Paaranordnungen wieder. Bei Ute Richter sind es zwei "Kamasutra" genannte identische Holzteile in Schwarz und Weiß. Wer Lust hat, kann die Objekte immer wieder neu arrangieren. Richters zahlreiche Ton-, Speckstein- und Holzobjekte bilden den Gegenpol zur Malerei. Kennzeichen der im Raku-Brand hergestellten Figuren sind die schlanken, schmalen, fast gebrechlichen Körper. Ebenso schmal, nur biegsamer in Tanzposition, hat die Grafikdesignerin Jennifer Petz die Figuren auf der Einladungskarte gestaltet. Die Acrylbilder verströmen fernöstliche Atmosphäre. Beziehungsmäßig sind alle Varianten möglich, Mann - Frau, Frau - Frau, Frau allein.

Dagegen setzt Christa Geiger auf eine eindeutige Paarbeziehung. Ein älteres Paar beim letzten Walzer, oder auf einem roten Wägelchen, dem verwirrenden Schienenstrang bis ans Ende der Welt folgend. Manuel Lichtwanderer sieht das Ausstellungsthema eher im erotischen Bereich. Seine Protagonistin, "Lilith", exotisch, bronzefarbene Haut, rekelt sich ihren Liebhaber erwartend auf dem Boden. Daneben schlendert sie durchs Paradies, allerdings scheint ihr der der Apfel aus der Hand zu gleiten. Etwas aus dem Rahmen fallen die Bilder der Koreanerin Pilsook Jang. Kein Paar, kein Kuss, keine Umarmung, nicht ein Mal die Signalfarbe Rot. Die Fantasie des Betrachters ist gefragt. Ansatzweise ist in den verschwommenen Bildern ein Gesicht zu erkennen. Tine Ostheimers Bilder sind im Urlaub entstanden. Mit dem Überbegriff "Körper" lassen sich ihre Werke dem Ausstellungsthema zuordnen. Auf zwei blutroten Blutbildern scheinen ovale Kreise zu pulsieren, die räumliche Perspektive ist förmlich zu spüren. Ebenso plastisch wirken die Zellstrukturen auf einem weiteren Bild.

Die Ausstellung vermittelt anschaulich, wie variabel das Thema Liebe gesehen werden kann. Die szenische Lesung mit Elke Heinrich als Einstimmung sollte man sich nicht entgehen lassen. Galerie Heinrich, Jesenwang, Landsberger Straße 8. Öffnungszeiten: Mo 01.08./08.08., Mi 03.08./10.08. jeweils 11-13 Uhr, 15-17 Uhr. Do 04.08./11.08., Sa 06.08./13.08., jeweils 16-20 Uhr. So 07.08., 11-13 Uhr. Lesung: Do 04.08., Sa 13.08.(Finissage) jeweils 20 Uhr.

© SZ vom 04.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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