Jesenwang:Das Ende der Provokationen

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Zwei Jahrzehnte lang bekämpfen sich die Bürgervereinigung Fluglärm und der Betreiber des Flugplatzes Jesenwang. Inzwischen zeigen sich beide Seiten mit dem Erreichten zufrieden. Die Initiative zieht zum 25-jährigen Bestehen Bilanz

Von Gerhard Eisenkolb, Jesenwang

25 Jahre nach der Gründung der Bürgervereinigung Fluglärm (BI) ist es um die streitbaren Interessenvertreter der Anwohner des Flugplatzes in Jesenwang ebenso ruhig geworden wie um die dort aktiven Flieger. Man hat die Sturm- und Drangzeit hinter sich und ist erwachsen geworden. Beide Seiten haben gelernt, sich zu arrangieren. Sie sind weggekommen von einem jahrelangen, an den Nerven zehrenden Kleinkrieg, der geprägt war von gegenseitigen Anzeigen, Beschuldigungen, teilweise Beleidigungen und zahllosen juristischen Auseinandersetzungen. Immer wieder standen auch Vorwürfe wie der von übler Nachrede oder von Straftaten im Raum. Beispielsweise der von Fliegern, Mitglieder der BI hätten in Jesenwang Flugzeuge angezündet. Oft ging der Streit bis in den persönlichen Bereich. Ihr Maximalziel hat keine der beiden Seiten erreicht, aber dennoch zeigen sich beide Parteien mit dem Erreichten zufrieden.

Deshalb begnügt sich die Bürgervereinigung, deren Vorsitzender Michael Acker in deren aktivsten Zeiten sogar an der Spitze der Interessenvereinigung Bayerischer Fluglärminitiativen mit insgesamt 40 Gruppierungen stand, inzwischen mit der Wächterfunktion. Der Verein sieht nunmehr seine Hauptaufgabe darin, zu verhindern, dass der Jesenwanger Sonderlandeplatz irgendwann doch noch vergrößert wird. "Wir waren sehr erfolgreich", lautet das Fazit von Acker nach 25 Jahren ehrenamtlicher Arbeit. Um zu ergänzen, mit der aktuellen Situation könne man durchaus leben. Schließlich habe die BI die Schließung des Flugplatzes nie gefordert.

Ähnlich entspannt sieht auch der derzeitige Flugplatzbetreiber Max Walch jun. die Situation. Er verweist darauf, dass die Auseinandersetzungen durchaus etwas Gutes gehabt hätten. Die lange umstrittene Rechtssituation des Landesplatzes sei nun geklärt. Der Betrieb sei rechtens, ebenso wie das Verursachen von Fluglärm. Provokationen würden unterlassen und auch der "böse Hass" sei verschwunden, beteuert Walch. Das liegt auch an einem geänderten Verhalten der Piloten. Diese würden mehr Wert auf die Einhaltung von Mindestflughöhen legen und es vermeiden, Ortschaften zu überfliegen. Und Piloten würden vor allem nicht mehr über die Fluglärmgegner schimpfen.

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(Foto: Johannes Simon)

Oldtimer der Lüfte und auf Rädern sind am Samstag wieder auf dem Flugfeld in Jesenwang zu bewundern.

Seit sich Flieger und Mitglieder der Bürgerinitiative arrangiert haben, ist es um den lange umstrittenen Sonderlandeplatz ruhig geworden.

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(Foto: Ortwin Scheider)

Zu den nach wie vor ungelösten Problemen gehört der Lärm von tankenden Helikoptern der Polizei und von Rettungsdiensten, die in Jesenwang landen.

Am besten findet es Walch, dass die Provokationen verschwunden sind und man sich nicht mehr gegenseitig aufschaukelt. Inzwischen rede man vernünftig und freundlich miteinander, ohne dass Bösartigkeiten gesagt würden. " Kritik kann die Qualität steigern", sagt Walch zu den konstruktiven Beschwerden des BV-Vorsitzenden. Erfahre er gleich, wenn mal ein Flugzeug zu tief fliege, könne er dem Vorwurf unverzüglich nachgehen und den Schuldigen gegebenenfalls umgehend maßregeln. Mit dieser Art von Kritik könne er gut leben, meint der Flugplatzbetreiber.

Im Gründungsjahr der BI sah das 1990 noch anders aus. Damals gab es in Jesenwang noch weit mehr als 40 000 Flugbewegungen im Jahr. Damals befürchteten die Vereinsgründer die Umwidmung des Sonderlandeplatzes in einen Verkehrslandeplatz mir festen Öffnungszeiten. Auf einem solchen Verkehrslandeplatz hätten, so die Fluggegner, nach der Schließung anderer Kleinflughäfen alle Flüge der Allgemeinen Luftfahrt in der Region München abgewickelt werden sollen. Unter die Bezeichnung Allgemeine Luftfahrt fallen Flugzeuge mit einem Gewicht von bis zu zwei Tonnen, die tagsüber im Sichtbetrieb geflogen werden. Und damals hatten auch Hobbyflieger noch eine stärkere Lobby als zurzeit. Zudem gab es Überlegungen, den Platz in Jesenwang, der immer noch an Geburtsfehlern krankt, zu erweitern.

So gilt die 408 Meter lange und zwölf Meter breite Landebahn als zu kurz. Zudem endet sie im Westen unmittelbar an der Ortsverbindungsstraße zwischen Jesenwang und Adelshofen. Im Osten fällt sie an einer Hangkante relativ steil ab. Beides ist für den Flugbetrieb ein Sicherheitsproblem. In der Einflugschneise liegt zudem noch ein Wald, in den bereits mehrere Flugzeuge abstürzten. Bei den Unfällen starben auch Menschen.

Solche Sicherheitsrisiken standen lange im Zentrum der Auseinandersetzungen. Und in diesen Auseinandersetzungen verfügte die BI über ein Faustpfand, das wie ein Stachel wirkte. Das ist ein Sperrgrundstück, das am Ende der Landebahn unmittelbar an die Ortsstraße angrenzt und um dessen Nutzung durch alle Instanzen prozessiert wurde. Da fast alles, was auf dem 3400 Quadratmeter großen Areal angebaut wurde, als Flughindernis galt, beschäftigten sich Gerichte und Behörden selbst mit Petitessen. Richter und das Flugamt Südbayern mussten beispielsweise Fragen klären wie die, wie hoch dort das Gras stehen dürfe, zu welchen Zeiten gemäht werden kann oder ob der BI dort der Kartoffelanbau zu verbieten ist. Zum Zankapfel wurde immer wieder die Ampelschaltung zur Sperrung der Ortsstraße bei Starts- und Landungen, um Zusammenstöße mit Fahrzeugen zu vermeiden.

Obwohl die Fluglärmgegner immer noch der Meinung sind, dass die Ampel laut den Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung nicht vom Flugplatztower aus geschaltet werden dürfe, ist auch dieser Streit letztlich Schnee von gestern. Zumindest so lange, bis es dort nicht zu einem Zusammenstoß eines Fluggeräts mit einem Auto oder Radfahrer kommt. Durch eine Verlegung der Ortsstraße nach Westen wäre das Problem leicht zu beheben. Aber dafür fehlen in den Gemeinderäten von Jesenwang und Adelshofen die Mehrheiten. Zudem lehnen es die betroffenen Bauern ab, dafür Grund abzutreten.

Die Zahl der vom Statistischen Bundesamt angegebenen Flugbewegungen für das Jahr 2013 belegt, dass in Jesenwang die Freizeit- und Hobbypiloten in der Mehrheit sind. Von 32 102 Starts und Landungen entfielen 2013 insgesamt 23 644 auf den nichtgewerblichen Betrieb. Die Zahl der Flüge mit Ultraleichtgeräten (11 362) entsprach in etwa der mit klassischen Motorflugzeugen (11 486). Wobei bei letzteren fast ausschließlich Platzrunden (9614) angegeben werden. Von den insgesamt 8458 gewerblichen Flügen dienten 8316 der Schulung von Piloten. Und fast alle Schulungsflüge, der Anteil der Platzrunden summiert sich auf 8060, wurden in der Nähe des Flugplatzes abgewickelt. Der zu vernachlässigende restliche gewerbliche Flugverkehr bestand aus wenigen Rund- und Taxiflügen.

Als Ärgernis gelten die 752 Hubschrauberflüge. Nachdem der Flugplatzbetreiber vor zehn Jahren eine Tankstelle für Hubschrauber eröffnet hatte, waren die Jesenwanger nachts immer wieder von landenden und startenden Hubschraubern der Rettungsdienste aus dem Schlaf gerissen worden.

1963 hatte der Flugbetrieb noch relativ ungeordnet auf einer Graspiste mit nicht ganz 800 Starts und Landungen im Jahr begonnen. Als bis 1988 die Zahl der Flüge auf mehr als das Fünfzigfache angewachsen war, begann sich ein breiter Widerstand in der Bevölkerung zu regen.

BI-Vorsitzender Michael Acker bezeichnet im Rückblick den Hubschrauberlärm als eines der großen noch ungelösten Probleme. Als weitere Ziele führt er die Umwandlung in einen Ultraleichtflugplatz, ein Verbot nächtlicher Hubschrauberflüge, eine weitere Reduzierung des Fluglärms und eine weitere Einschränkung der Flüge an Abenden sowie an Sonn- und Feiertagen an. Die persönliche Bilanz des Vorsitzenden zeigt, dass die Auseinandersetzungen Spuren hinterlassen haben: "Wir standen ständig in der Kritik, wir wurden persönlich angegriffen und bedroht, man versuchte uns Straftaten anzuhängen. Wir haben alles überlebt, manchmal angeschlagen", bekennt Acker, der sich wohl mehr Anerkennung gewünscht hätte. Schriftführer Peter Schöberl sieht das etwas nüchterner. Er sagt: "Man wird als nützlicher Idiot betrachtet." Als ewige Nörgler hatten die Fluglärmgegner in dem ungleichen Machtspiel lange die undankbarere Rolle. Trotzdem trat die BI ebenso selbstbewusst und gelegentlich auch so schlitzohrig wie der Familienpatriarch, Flugplatzgründer, einflussreiche Kommunalpolitiker und Gewerbevertreter Max Walch sen. auf. Entspannt hat sich die Situation erst, als dessen Sohn den Betrieb übernahm. Gefeiert wurde das Jubiläum der Bürgervereinigung im Sommer nur intern bei einer Mitgliederversammlung beim Dorfwirt in Landsberied.

© SZ vom 02.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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