Jesenwang:Cowboys und Dirndlmädchen

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Zum Abschluss des Willibaldsritts durchqueren die Teilnehmer zu Pferde das Jesenwanger Wallfahrtskirchlein. Dort werden sie gesegnet. (Foto: Günther Reger)

Die Teilnehmer des Willibaldsritt sind eine bunte Mischung aus Freizeitreitern, Brauchtumspflegern und wenigen Menschen in echter Tracht. Sie und etwa 4000 Zuschauer haben ihre Freude an der Tradition

Von Ingrid Hügenell, Jesenwang

Über dem Ort liegt eine festliche Erwartung, die anzeigt, dass gleich etwas Besonderes passiert. Aus allen Richtungen kommen Menschen zusammen: Mitglieder der Musikkapellen, Zuschauer, die örtliche Prominenz. Hufgeklapper ist zu hören. Neben dem Gemeinschaftshaus in der Ortsmitte von Jesenwang haben sich schon die 20 Teilnehmer des Stutenmilchgestüts und des Ländlichen Reit- und Fahrvereins Moorenweis mit ihren Pferden aufgestellt. Gegenüber auf einem Hügel stehen sechs Alpakas. Sie laufen nicht mit beim Jesenwanger Willibaldsritt, sondern schauen nur zu. Antonio, das weiße Alpaka, möge besonders die Blasmusik, sagt seine Besitzerin.

Etwa 300 Pferde und Ponys aller Größen, vom etwa kniehohen Shetlandpony über das schwere Kaltblut bis zum stolzen Warmblut sind dabei. Außerdem einige Hunde und auch zwei Esel. Manche ziehen Wagen oder eine der beiden Kutschen, einige werden am Halfter geführt. Die meisten tragen Reiter und vor allem Reiterinnen durch den Ort an der Michaelskirche vorbei zur kleinen gotischen Willibaldskirche etwas außerhalb des Orts. Etwa 4000 Zuschauer sind gekommen.

Den Zug führen drei Reiter mit einem Kreuz an. Es folgt die Musikkapelle Grafrath-Kottgeisering, die fröhliche Blasmusik spielt. Drei weitere Kapellen lockern den Zug auf. Der katholische Pfarrer Wolfgang Huber und Gemeindereferentin Marina Ebener sitzen auf Schimmeln, die von jungen Frauen geführt werden. Die evangelische Pfarrerin Sabine Huber bekennt sich dazu, dass sie nicht reiten kann und fährt im Wagen der katholischen Ministranten mit. Der Zug ist bunt gemischt. Auch Westernreiter sind dabei und ein Wagen, dessen männliche Besatzung sich "De Allerscheenan" nennt, was auf einige Selbstironie hindeutet. Wenige tragen Tracht, viele Reithosen oder Jeans und T-Shirt. Zwischendurch sieht man einzelne Mädchen und junge Frauen, die im Dirndl zu Pferde unterwegs sind. Manche der Truhenwagen werden sonst wohl bei Leonhardifahrten verwendet. Jedenfalls steht auf ihnen: "Hl. Leonhard, bitt für uns". Eigentlich ist ja auch Leonhard der Viehpatron, Willibald galt eher als Schutzheiliger des Adels. Dass er in Jesenwang als Beschützer der Pferde fungiert, dürfte einzigartig sein und ist wohl dem Umstand geschuldet, dass es dort eben die Willibaldskirche schon gab, als 1712 in der Umgebung eine gefährliche Pferdeseuche wütete. Seither findet, mit wenigen Ausnahmen, jährlich der Willibaldsritt statt, heuer zum 296. Mal.

Gebetet, wie sonst bei Wallfahrten üblich, wird hier allerdings nicht. Schließlich gab es um 8 und um 10.30 Uhr schon Gottesdienste. So haben die Mitfahrer Zeit, aus den Wagen zu winken. An der Willibaldskirche wird keine Messe mehr gelesen. Vielmehr sprechen Bürgermeister Erwin Fraunhofer und Reinhold Bocklet, Vizepräsident des Landtags (beide CSU), ein paar Worte. Bocklet erinnert daran, dass der Freundeskreis Sankt Willibald heuer mit dem Heimatpreis des bayerischen Landtags ausgezeichnet worden ist. Dann segnet Pfarrer Wolfgang Huber, nun wieder zu Fuß, Menschen, Pferde und auch die Hunde, "denn es sind alles Gottes Geschöpfe". Den Abschluss bildet der Ritt durch die Kirche, der den Veranstaltern zufolge einzigartig in Europa, wenn nicht in der Welt ist. Etwa zehn Meter geht es ganz hinten quer durchs Kirchenschiff, wo Tiere und Menschen noch einmal gesegnet werden.

Dann wird unter den Kastanien zur Blasmusik weiter gefeiert. Dort haben schon während des Zuges Leute gesessen, gegessen und getrunken. Die leiblichen Genüsse dürfen eben nicht zu kurz kommen.

© SZ vom 09.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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