Jahresrückblick 2021:Das Virus bestimmt, wo's lang geht

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Vieles, was im Jahr 2021 im Landkreis Fürstenfeldbruck passiert oder auch nicht klappt, ist auf die Folgen der Pandemie zurückzuführen. Weder die sozialen noch die wirtschaftlichen Folgen sind absehbar

Von Erich C. Setzwein, Fürstenfeldbruck

Über die Inzidenzzahl von 126,81 aus der ersten Januarwoche werden die meisten in dieser letzten Woche des Jahres nach den Zahlen der vergangenen Wochen nur milde lächeln können. Es herrscht Lockdown zu Beginn des Jahres 2021, niemand geht zum Essen, niemand tanzt in den Clubs, und auch Reisen ins Ausland sind noch tabu. Es ist gerade einmal ein Jahr her, dass 2020 in Stockdorf die Seuche ankam, es ist gerade einmal einige Wochen her, dass die Auslieferung des ersten Impfstoffs gegen die sich rasant ausbreitende Krankheit Sars-Cov 2 angekündigt und in ersten raren Dosen auch verimpft wurde.

Ohne negatives Testergenis geht fast gar nichts mehr. (Foto: Leonhard Simon)

Nun kann also das Vakzin gespritzt werden, die älteren Menschen und medizinisches Personal sind als erstes dran. Die Ärzte sind fleißig, 800 Menschen sind bis zum Neujahrstag schon geimpft, als die Impfaktion im neuen Impfzentrum offiziell anläuft. Und die Kreispolitik ist schon so euphorisch, dass sie an ein zweites Impfzentrum im westlichen Landkreis denkt. Doch dazu wird es nicht kommen. Wie zu vielem nicht im zweiten Corona-Jahr.

Die Senioren

Vor allem die Bewohnerinnen und Bewohner der Alten- und Pflegeheime sowie Menschen mit Behinderung stellen jene Gruppe dar, die als "vulnerabel" gilt, die also am verletzlichsten ist und gegen die Viruskrankheit geipmft werden soll. Was erst am Ende dieses Jahres gesetzlich geregelt werden wird, nämlich die verpflichtende Impfung des Pflegepersonals, wäre schon im Januar geboten gewesen. Denn unter anderem im Laurentiusheim der Diakonie in Fürstenfeldbruck stecken sich Bewohner zwischen ihrer ersten und der zweiten Impfung mit dem Coronavirus an. Mutmaßlich übertragen haben es Beschäftigte, die sich um Weihnachten 2020 herum selbst angesteckt hatten.

Dass die Zahl der alten Menschen, die sich impfen lassen, ständig steigt, hat mit der Aufklärung zu tun. Unter den Senioren sei die Impfbereitschaft sehr hoch, "sie liegt in jedem Heim bei über 90 Prozent", sagt Impfarzt Matthias Skrzypczak im Februar. Vor der Impfung, so seine Begründung dafür, sei viel Zeit in die intensive Information nicht nur der Bewohner, sondern auch der Angehörigen, Betreuer und Hausärzte in den Heimen investiert worden.

Gegen die Einschränkungen wird in Olching protestiert. (Foto: Leonhard Simon)

Die Skeptiker und Gegner

Kaum eine Gelegenheit lassen Ärzte und Politiker aus, auf die Impfangebote hinzuweisen. Die Informationsmöglichkeiten sind vielfältig, die Desinformationskampagnen von Impfgegnern, sogenannten Querdenkern wie Radikalen aber auch. Die Motive sind teils völlig unterschiedlich, viele auch nicht ehrenwert. Die "Amperfeen", wie sich eine Gruppe in Olching nennt, ruft seit einem Jahr gegen die staatlichen Einschränkungen zum Protest auf und hat weiter guten Zulauf bei ihren Kundgebungen. Den Demonstrierenden geht es vordergründig um die Wiederherstellung angeblich abhanden gekommener Grundrechte. Eines der wichtigsten, das Recht auf Versammlungsfreiheit, nutzt die Gruppe Wochenende für Wochenende aus und muss dabei allerdings auf Auflagen, wie etwa das Tragen von Masken oder den damals noch üblichen Faceshields ertragen.

Die Masken

Auch im Landkreis Fürstenfeldbruck wird vom 12. Januar an das Tragen von FFP2-Masken im Nahverkehr und beim Einkaufen Pflicht. Anders als im Vorjahr sind die Apotheker und Händler vorbereitet und haben ausreichende Mengen auf Lager. Während sich, wie erst im Laufe des Jahres bekannt wird, einige wenige nicht schämen, Millionen-Provisionen für Maskendeals zu kassieren, fordern die Sozialverbände im Landkreis, an die Armen zu denken. Die hätten nicht genügend Geld, sich teure Masken zu kaufen. Auch Hans Friedl, Landtagsabgeordneter der Freien Wähler aus Alling, meldet sich zu Wort: Er sei vom "Schnellschuss" überrascht worden sei. "Hartz-IV-Empfänger müssten die FFP2-Masken umsonst kriegen, was in der Kürze der Zeit kaum machbar sein dürfte". Als dann die Pandemie scheinbar den Rückzug antritt und die leichteren OP-Masken als Schutz verordnet werden, werden die Anfang des Jahres noch teuren FFP2-Masken verramscht. Am Wühltisch im Discounter decken sich nun jene billig ein, die ahnen, dass Corona noch lange nicht vorbei ist.

Die Lehrer müssen Untericht auf Distanz abhalten. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Das Handwerk

In zweieinhalb Monaten Lockdown und ohne professionellen Haarschnitt sind so manche Mähnen gewachsen. Am 1. März erst dürfen die Friseure öffnen, als körpernahe Dienstleistungen wieder erlaubt werden. Die Meisterinnen und Meister sprechen sich ab, halten Kontakt und geben sich Tipps, wie sie mit den Hygienevorschriften umgehen. Es ist ein aufwendiges Verfahren, personal- und zeitintensiv, aber nach Einschätzung der Innungsobermeisterin Bettina Zellhuber aus Olching lohnt es sich, die Regeln zu befolgen und alles sehr sauber abzuarbeiten.

Während das Friseurhandwerk aus der Zwangspause kommt und sich wieder auf Kunden freut, hat es beim Bauen keine Unterbrechung gegeben. Wer mit Arbeitern spricht, erfährt, dass bei ihnen Corona keine Rolle spielt. Wie auch?! Abstände, wie sie vor den Supermarktkassen markiert sind, können auf Baustellen kaum eingehalten werden. Aber ja, heißt es, zum Testen gehe man schon.

Das können die Malteser in Germeringer Testzentrum an der Kleinfeldstraße bestätigen. Die Bauarbeiter kommen regelmäßig in Kleinbussen und lassen den Nasen- oder Rachenabstrich über sich ergehen. Matthias Brandstaeter leitet die Teststation und wird in diesem Jahr erleben, wie nach einem launigen Sommer die Kapazitäten heruntergefahren werden, als wäre das Pandemie-Ende ganz nah. Doch es steht die Bundestagswahl an, da soll niemand verschreckt werden.

Handel und Gewerbe

Bislang hatte es nie eines Beweises bedurft, wie die Globalisierung sich auf die Unternehmen im Landkreis auswirkt und welche Abhängigkeiten geschaffen werden. Denn alles lief ja glänzend. Doch Woche für Woche, Monat für Monat wird den Einkäufern der Firmen immer bewusster, dass wichtige Bauteile fehlen oder Geräte nicht geliefert werden können. Die Unternehmen seien " mit noch nie dagewesenen Herausforderungen und Aufgaben konfrontiert", sagt Michael Steinbauer, Vorsitzender des IHK-Regionalausschusses Fürstenfeldbruck im Rückblick auf das Jahr. "Weltweite Lieferengpässe, Materialknappheit sowie gestiegene Rohstoff- und Energiepreise treffen derzeit vor allem das produzierende Gewerbe und den Handel in unserem Landkreis."Die Folge: IHK-Betriebe wie auch Handwerker können Aufträge nicht vollständig erledigen, irgendein Trumm fehlt immer. Vor allem die Firmen, die auf Chips und elektronische Bauteile angewiesen sind, verzweifeln langsam ob der immer wieder verschobenen Liefertermine.

Bis Anfang März hat der Einzelhandel schließen müssen. Nun sind die Reserven aufgebraucht, die Lager aber noch voll. von Winterschlussverkauf war keine Rede. Manche Betriebe haben es mit einem kleinen Online-Shop versucht. Viel sei dabei nicht herumgekommen, wie der Vorsitzende des Handelsverbandes in Fürstenfeldbruck zusammenfasst. Im Dezember dann kommen die nächsten Verschärfungen: Nur wer geimpft oder genesen ist, darf einkaufen gehen. In den Supermarkt darf jeder, mit Impfnachweis oder ohne.

Die Gastronomie

Die Lokale sind geschlossen, die Umsätze bei Null und die Stimmung noch etwas darunter. Die Wirtinnen und Wirte haben den Jahreswechsel nicht mit der Bewirtung ihrer Gäste verbracht, sie haben still gehalten. Doch Ende Februar ist die Geduld genauso erschöpft wie die Bankkonten. Eine "Öffnungsperspektive mit Sicherheit und Lebensfreude" verlangen die Mitglieder im Hotel- und Gaststättenverband von der Politik und protestieren auf ihre Art: Wer mag, stellt einen gedeckten Tisch vor sein Restaurant oder ein gemachtes Bett von sein Hotel. Aber es wird noch bis Ende Mai dauern, bis die Außengastronomie wieder öffnen darf und in der Folge die Gäste auch wieder drinnen in den Gasthäusern Platz nehmen und genießen dürfen. Die Verluste sind trotz staatlicher Hilfe nicht auszugleichen. Das ist die eine Seite. Die andere ist die, dass Personal fehlt. Viele Servicekräfte haben sich umentschieden und arbeiten nun in anderen Berufen. Was bleibt, ist ein durchwachsener Sommer und die schlechte Aussicht auf weitere Einschränkungen.

© SZ vom 27.12.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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