Integration:Orientierung in der neuen Arbeitswelt

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Stephan Reinhold (links) im Gespräch mit Schülern der Integrationsklasse, darunter Mahmoud Alhamod (zweiter von rechts). (Foto: Johannes Simon)

Den meisten Flüchtlingen ist die duale Ausbildung fremd. Die Praktikumsbörse der Bürgerstiftung organisiert Betriebsbesuche, um Berufsschüler und Firmen zusammenzubringen

Von Ingrid Hügenell, Germering

Muheb Azizis Augen leuchten, als er auf seinem Handy die sorgfältig ausgeführte Ansicht einer Windmühle zeigt, die er auf dem PC gezeichnet hat. Der Afghane ist 21 Jahre alt, lebt seit zweieinhalb Jahren in Deutschland und würde gerne Bauzeichner werden. Derzeit besucht er die Berufsschule in Fürstenfeldbruck. In deren Integrationsklassen werden junge Flüchtlinge auf eine Ausbildung vorbereitet. Die Praktikumsbörse der Bürgerstiftung für den Landkreis bietet seit diesem Schuljahr jungen Flüchtlingen die Möglichkeit, bei Besuchen in Firmen die vielfältigen Möglichkeiten kennenzulernen, die die Arbeitswelt bietet. Gleichzeitig können Betriebe so Auszubildende bekommen.

An der Berufsschule und an der FOS/BOS würden momentan etwa 100 junge Flüchtlinge unterrichtet, sagt Anja Wöldering, die an der Berufsschule für die Geflüchteten zuständig ist. Am Montag haben 13 junge Männer im Alter von 16 bis 22 Jahren, darunter Muheb Azizi, die Firma CEWE in Germering besucht. Davor waren andere Schülergruppen bei der Deutschen Doka Schalungstechnik in Maisach, beim Autohaus Rasch und dem Friseursalon "Haarem" in Fürstenfeldbruck.

Die Betriebsbesuche sollten weitergehen, damit die jungen Leute noch mehr Berufe kennenlernen könnten, erklärt Detlef Köhler von der Bürgerstiftung. Betriebe, die besucht werden wollen, können sich bei der Bürgerstiftung melden. Die Berufsschüler müssen zwei Pflichtpraktika absolvieren, die Betriebsbesuche helfen, Plätze dafür zu finden. Schon die duale Ausbildung in Betrieb und Berufsschule sei den jungen Leuten meist unbekannt, sagt Wöldering. So ging es auch Mahmoud Alhamod aus Syrien, der mit seiner Frau und der 16 Monate alten Tochter in Fürstenfeldbruck lebt und hier bleiben darf. In Syrien habe er als Schichtleiter in der Traktortechnik gearbeitet. "Schon mit elf oder zwölf Jahren kann man bei uns arbeiten", sagt der 22-Jährige, aber eben ohne Ausbildung. "Ich finde super, wie das hier läuft." Almahod hat bereits einen Ausbildungsplatz als Mechatroniker in Gilching.

Azizi hat in Kabul zwei Semester Informatik, Grafik und Webdesign studiert, bevor er floh. Ob er bleiben kann, weiß er nicht. Dennoch will er gut in der Schule sein, hat sich für die Osterferien um einen Praktikumsplatz als Bauzeichner beworben. In diesem Beruf arbeite man zu 90 Prozent am Computer. "Das kann ich gut, da kann ich meine Stärken zeigen", sagt er voller Überzeugung. Dann erzählt der junge Mann von seiner Mutter, die mit seinen beiden Schwestern und dem Bruder noch in der Türkei lebe. Er sei mit Onkel, Tante und Cousins nach Bayern gekommen, der Onkel ist inzwischen gestorben. "Ich war vorher noch nie ohne Familie", sagt Azizi. "Am Anfang war es schwer. Aber ich habe ein Ziel." Er meint die Berufsausbildung.

Das könnte auch bei CEWE klappen, denn Stephan Reinhold, Geschäftsführer der CEWE Stiftung, hat den jungen Mann beim Betriebsbesuch kennengelernt und ihm versprochen, ihn bei der Personalabteilung einzuführen. Reinhold findet das Projekt "richtig, richtig sinnvoll." Er fügt hinzu: "Es soll sich auch für die Betriebe lohnen." Azizi mit seiner Vorbildung in IT kommt ihm da für eine Ausbildung als Fachinformatiker gerade recht, auch wenn CEWE sich nicht über Mangel an Auszubildenden beklagen kann.

Andere Betriebe haben aber sehr wohl freie Lehrstellen, die sie nur schwer besetzen können, und es trifft nicht nur Bäcker und Metzger, wie Franz Höfelsauer von der Kreishandwerkerschaft weiß. Sie könnten auf diese Weise Azubis finden. Dabei komme es auf gute Deutsch- und vor allem Mathekenntnisse der Bewerber an.

Weil sie nicht wissen, ob sie in Deutschland bleiben könnten, seien viele Flüchtlinge frustriert, berichtet Wöldering. Ihr liegt daran, den jungen Leuten eine richtige Berufsausbildung nahe zu bringen, damit sie nicht Hilfsjobs zu niedrigen Löhnen annehmen. "Man könnte es den jungen Leuten einfacher machen, indem man sie fördert und sie nicht fünfmal im Jahr von einer Unterkunft in die andere umziehen lässt."

© SZ vom 20.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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