Impfzentrum Fürstenfeldbruck:Überzeugungsarbeit auf Dari und Urdu

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Beratungsgespräche vor der Impfung gehören für Arusu Formuli zur täglichen Routine. Sie ist seit der Inbetriebnahme des Impfzentrums in Fürstenfeldbruck im Frühjahr diesen Jahres dabei. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Die 33 Jahre alte Ärztin Arusu Formuli berät im Impfzentrum Fürstenfeldbruck und beim Außeneinsatz mit mobilen Teams viele Menschen mit Migrationshintergrund. Oft kann die gebürtige Afghanin sie ohne Dolmetscher ansprechen

Von Erich C. Setzwein, Fürstenfeldbruck

Wenn sich hinter Arusu Formuli die Tore des sogenannten Ankerzentrums Fürstenfeldbruck schließen und sie in die Augen der Kinder schaut, dann sieht sie sich selbst dort stehen. Das kleine Mädchen 1994 im bayerischen Erstaufnahmelager, umgeben von Mauern und Stacheldraht. Weil sie weiß, wie es ist, als Geflüchtete nach Deutschland, nach Bayern zu kommen und es in der Folgezeit mit viel Ehrgeiz, Mut und Zuversicht in Schule und Studium zu einem Hochschulabschluss und in diesem Jahr dann zu einer Approbation zu schaffen, hilft der in Afghanistan geborenen, heute 33 Jahre alten Frau in der Asylbewerberunterkunft. Es hilft ihr zum einen, den Kindern zu sagen, dass sie es schaffen können, wenn sie in Deutschland bleiben dürfen, und es hilft ihr bei den Gesprächen mit Asylbewerberinnen und Asylbewerbern, wenn es um den Schutz vor dem Coronavirus und Covid-19 geht. Oft erklärt sie es in der Muttersprache der Geflüchteten. Arusu Formuli ist Impfärztin, gehört seit März dieses Jahres zum Team des bayerischen Impfzentrums in Fürstenfeldbruck und spricht neben Hochdeutsch, Englisch und Persisch das in Afghanistan gesprochene Dari, und sie versteht Französisch und das pakistanische Urdu.

In welcher Sprache sie es auch verdeutlicht, egal, ob im Impfzentrum oder im Außeneinsatz in der Asylbewerberunterkunft oder in anderen Außeneinsätzen, Arusu Formuli kann sehr überzeugend sein. Sie berät Menschen, die sich gegen Covid-19 impfen lassen wollen, sie nimmt sich die Zeit dafür, die nötig ist, und in den meisten Fällen, sagt sie, würden die Menschen auf sie hören. Neuerdings aber sind etliche dabei, die bis zu dem Zeitpunkt, an dem die dünne Nadel in den Oberarm fährt und das Vakzin in den Muskel gespritzt wird, eigentlich Impfverweigerer waren. Auch wenn Arusu Formuli auf sicher fast alle Theorien und Mythen als Biologin und Medizinerin die passenden Antworten parat hätte, so werden ihr alle jene dennoch nicht zuhören, die bis zur Spritze über die Impfung nur von "Blödsinn" plappern und deren Verhalten manchmal "garstig" sei.

Formuli lebt seit vielen Jahren in Puchheim und ist im Impfzentrum in einem großes Team, das seit März unter der Regie des Bayerischen Roten Kreuzes arbeitete und nun dem Gesundheitsamt unterstellt ist. Als Formuli nach abgeschlossenem Medizinstudium ihre Zulassung als Ärztin erhielt, sei an den Münchner Kliniken gerade für Assistenzärzte ein Aufnahmestopp gewesen. "Ich wollte aber arbeiten, ich wollte mithelfen", sagt die junge Frau, Das Rote Kreuz hatte im Frühjahr Stellen für medizinisches Personal im neuen Impfzentrum ausgeschrieben, worauf sich Arusu Formuli bewarb und auch genommen wurde. Als Schichtleitern lernte sie alle Arbeitsbereiche kennen und ist sich wie alle Ärzte im Impfzentrum nicht zu schade, in der Telefonzentrale zu arbeiten, Termine zu machen und Patienten zu registrieren.

Die fundierte, kenntnisreiche Beratung ist denn auch das Wichtigste, um Menschen, die noch keine Corona-Impfung haben, zur Einsicht zu bewegen. Neben Formuli gibt es auch Gynäkologinnen, die alle Fragen rund um Impfung und Schwangerschaft beantworten können, oder Kinderärzte, die zu Impfungen für junge Menschen Aussagen treffen können. Wichtig dabei: die aktuellen, sich täglich ändernden Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (Stiko) zu kennen und am besten auch die Impfverordnung drauf zu haben. Arusu Formuli sagt, sie habe sie auswendig gelernt.

Arusu Formuli hat es oft mit Gerüchten zu tun, mit Mutmaßungen oder einfach nur Unwissen, wenn sie Gespräche führt. Vor allem im sogenannten Ankerzentrum werde die Angst geschürt, die Impfung mache unfruchtbar. Fürchterlich für Frauen, aber wohl noch mehr für Männer. Die Ärztin sagt, sie könne bei den Gesprächen nur auf sich verweisen. Sie sei zwei Mal geimpft, es gehe ihr gut und sei sicher, auch Kinder zu bekommen. Das wirke. Sie wirbt um Verständnis, sie will mit Argumenten punkten und kann nach manch hartnäckigem Gespräch ihre Patienten auch überreden, sich aus Überzeugung und nicht aus Opportunismus impfen zu lassen.

Wenn sich Arusu Formuli, deren Vorname "Wunsch" bedeutet, etwas wünschen dürfte, dann vielleicht das, dass mehr dieser Zweifelnden oder Verunsicherten zu ihr und ihren Kolleginnen und Kollegen ins Impfzentrum kommen und das Aufklärungsgespräch suchen. Sie dürften verstanden werden, es werden ja viele Sprachen gesprochen.

© SZ vom 20.11.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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