Im Puc in Puchheim:Satire im besten Sinn

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Henning Venske versetzt das Publikum in einen Zustand des Zweifelns. Der brillante Künstler ist nicht zu verorten

Von Valentina Finger, Puchheim

Wenn Henning Venske alles so meint, wie er es sagt, sollte er Deutschland schnellstens verlassen. Die deutsche Politik scheint ihm in ihrer Gesamtheit zuwider zu sein, am Fernsehangebot findet er nichts Gutes. Freunde dürfte er hierzulande wohl auch keine haben, falls er über jeden so herzieht wie über die Mächtigen der Bundesrepublik. Aber er meint es ja nicht so, das ist ja alles eigentlich nur Show. Oder etwa doch nicht? In diesem angespannten Zustand des Zweifelns lässt der Satiriker sein Publikum bei seinem Auftritt im Puchheimer Puc verweilen, wo er am Freitag sein aktuelles Programm "Satire - gemein, aber nicht unhöflich" präsentierte.

Am meisten zielt er bei seinem provozierenden Auftritt auf die politischen Parteien und ihre Vertreter ab. Bei seinen Charakterisierungen und Vergleichen zeigen sich das vielschichtige Denken und die verbale Geschicklichkeit Venskes. Dem Justizminister Heiko Maas spricht er die Ausstrahlung eines noch nicht missbrauchten Ministranten zu. Kanzlerkandidat Martin Schulz ist für ihn der personifizierte deutsche Fachkräftemangel. Und der Grünen-Politiker Winfried Kretschmann sei so langweilig, dass er seiner Meinung nach in einer nur mäßig gelungenen "Macbeth"-Inszenierung nicht einmal einen Busch spielen dürfte.

Obwohl der Satiriker in seinen Ausführungen mehr als genug Platz für Spitzen gegen die AfD - "Adolfs fiese Dumpfbacken" - findet, ist es das deutsche System an sich, das im Fokus von Venskes Angriffen steht. Man kommt nicht umhin, zu spekulieren, auf welcher Seite der Wahl-Hamburger selbst steht. Angela Merkel hat er nicht gewählt, so viel verrät er schon mal. Linksradikal erscheinen viele seiner Ansichten, wenn es denn die seinen sind.

Doch die Frage, ob er, der sich mit seiner oftmals extremen Rundum-Kritik am Deutschtum als Anti-Deutscher inszeniert, überhaupt einen Stimmzettel ausfüllt, muss, wie so viele Uneindeutigkeiten in seinem Programm, unbeantwortet bleiben.

Satire lotet Grenzen aus und überschreitet sie. Damit reicht ihre Schlagkraft über herkömmliches Kabarett hinaus. Das ist okay, denn darin hat die Satire ihre Daseinsberechtigung. Doch bei einigen Aussagen Venskes bleibt einem das Lachen nicht nur im Hals stecken, sondern vergeht einem temporär ganz. Beim Thema Flüchtlingskrise bezeichnet er zum Beispiel Thomas de Maizière als "unkultivierten Rassisten", der sogar Jesus Christus abschieben würde, weil er Palästinenser ist.

Horst Seehofer diagnostiziert er indirekt den Wunsch, sich dem Ku-Klux-Klan anzuschließen. Und das Habgier-Motiv hinter dem Anschlag auf den Bus von Borussia Dortmund setzt er mit der alle Mittel ausnutzenden Profitgeilheit abendländischer Regierungen gleich.

Bei solchen Anschuldigungen ist die Grenze dessen, was Satire darf, überschritten, könnte man nachvollziehbar urteilen. Doch wer hat das Recht zu entscheiden, wo die Grenze des Dürfens zu ziehen ist? Henning Venske gilt in seinen satirischen Äußerungen als radikal. Das ist wahr. Der Westen und seine Protagonisten sind in seinem Programm der Teufel, der verantwortlich ist für das Leid der ganzen Welt.

Wo man als Zuschauer selbst politisch steht, merkt man schnell, je nach dem, welche seiner Behauptungen einem am meisten aufstoßen. Doch wo Henning Venske zu verorten ist, weiß man nicht.

Satire, so sagt er selbst, ist eine Kunstform. Was er macht, ist eine kontroverse, oft unangenehme, aber hochgradig intelligente Kunst auf einem Bildungsniveau, das seinesgleichen sucht.

Wie men im Puc erleben konnte, ist Venske eine faszinierende Figur, die im Wechsel Bewunderung für seine sprachliche Brillanz und Ablehnung für seine extremen Statements hervorruft. Die Gedanken kommen nicht eine Sekunde lang zur Ruhe. Man denkt mit, die ganze Zeit. So funktioniert Satire.

© SZ vom 15.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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