Hörbach:Schatzjäger

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Mit einem sicheren Händchen für aufstrebende Künstler hat Kreisheimatpfleger Toni Drexler in Althegnenberg eine Talentschmiede gegründet. Eine Reise in die Vergangenheit

Von Julia Bergmann, Hörbach

Damals, das waren noch Zeiten. Wer jung war und etwas auf sich hielt, trug lange Haare und Jeans mit Schlag, fuhr 2CV und entsagte der biederen Tristesse des Spießbürgertums. Abends traf man sich auf ein freundschaftliches Beieinandersein und ein kühles Halbes. Am besten in einer der Kleinkunstbühnen, die Anfang der Siebzigerjahren in München aus dem Boden schossen. Etwa das MUH, das Song Parnasse oder das Robinson, später traf man sich auch im Frauenhofer. "Das waren richtige Szene-Lokale", erinnert sich Toni Drexler, "Da war keiner über 30." Jeden Abend war was geboten, jeden Abend neue Musiker und zwischen den Künstlern und dem Publikum gab es keine Barrieren. "Oft war auch mein Bruder dabei und sein Freund, der Hansi Well", sagt Drexler. Irgendwann war es dann so weit und der Hansi stand selbst auf der Bühne und spielte seine gerade eingeübten Stücke auf der Gitarre vor. "So leidlich", sagt Toni Drexler und schmunzelt. Aber mit Erfolg, denn schon bald war Hansi Well im MUH ein gern gesehener Interpret.

"Irgendwann hab ich mich dann gefragt, warum ich das immer nur in der Stadt anschauen kann", erzählt der Kreisheimatpfleger. Und da habe er dann nicht lang gefackelt. Drexler wollte die Kleinkunst, ja dieses ganz besondere Lebensgefühl in seine Heimat nach Hörbach bringen. Schnell ließ sich ein passender Ort finden: das Wirtshaus Sandmeier. Es galt nur noch die Wirtsleute zu überzeugen. "Weil Kleinkunst war kein Begriff auf dem Land." Also organisierten Drexler und seine Freunde am 26. April 1974 einen Kleinkunstabend im Keller der Sandmeirs mit Interpreten wie Helmut Eckl und Rainer und Dietmar Panitz. Das Wirtsehepaar war begeistert. Das Hörbacher Montagsbrettl war geboren. Bald darauf begann Drexler, die Abende als Reihe zu konzipieren.

Der Mundartdichter Helmut Eckl war damals einer der Protagonisten. Seine Texte waren etwas völlig Neues, kein Vergleich zur früheren Heile-Welt-Dichtung. "Die Inhalte waren böse, politisch, teilweise g'schert", so Drexler. "Das hat damals zu heftigen Auseinandersetzungen in der Szene zwischen den Alten und den Jungen geführt." Man war jung und wild und nahm kein Blatt vor den Mund. Drexler organisierte die Brettl-Abende mit großem Erfolg, die Wirtschaft war immer rappelvoll und er ständig auf der Suche nach neuen Interpreten. Auch Hansi, Stofferl und Michael Well, die später als Biermösl-Blosn zu Ruhm kommen sollten, waren bald schon fester Bestandteil der Abende.

Erst später, in den Achtzigerjahren, hielt das klassische Kabarett Einzug in die Kleinkunstbühnen. "Das waren eigentlich zwei völlig unterschiedliche Welten", erinnert sich der Gründungsvater des Brettls. "Kabarett war zuvor etwas, wo man in Anzug und langem Kleid hinging, das Publikum kam aus dem arrivierten Bürgertum." Erst durch Interpreten wie Siegfried Zimmerschied, der in seiner Heimat Passau als Enfant terrible bekannt war und seiner scharfen Zunge einen Blasphemie-Prozess zu verdanken hatte, oder durch Dieter Hildebrandt und Jörg Hube habe sich das geändert. Auch sie hatte Drexler zu Beginn ihrer Karriere nach Hörbach geholt. "Das waren fulminante Abende", erinnert er sich. Ebenso Ottfried Fischer, Gerhard Polt und Georg Ringsgwandl waren damals zu Gast in Hörbach. Und Drexlers Engagement hat sich ausgezahlt: die einst unbekannten Interpreten sind später gerne nach Hörbach zurückgekehrt.

Aus dieser Zeit sind Drexler nicht nur jahrelange Freundschaften, sondern auch Erinnerungen an viele unbezahlbare Momente geblieben - auch an die "Katastrophen-Brettl". Die Sache etwa mit Micky Malör. "Der Name war Programm", sagt Drexler. "Schon als sie angekommen ist, war ihr die Bühne zu klein und die Unterkunft hat auch nicht gepasst." Gedämpfter Stimmung zogen Drexler und sein Bruder Jakob los, um das Klavier für den Auftritt von Zuhause zu holen. "Wir haben es auf den Anhänger gehievt und mein Bruder hat es mit seinem alten Golf zum Wirtshaus gefahren. Noch während der Fahrt fing das Auto Feuer." Unter größter Anstrengung konnten sie das Instrument noch rechtzeitig zur Bühne bringen, um dann von der Künstlerin zu hören: "Das Klavier könnt ihr in der Pfeife rauchen. Ich spiel heut Abend nicht." Während Drexler erzählt, spiegeln sich die Facetten der emotionalen Achterbahnfahrt noch heute auf seinem Gesicht. "Ich hab Blut und Wasser geschwitzt, das Haus war ausverkauft und ich konnte die Leute ja nicht wegschicken." Also zückte er sein Adressbuch, telefonierte sämtliche Künstler ab und erreichte irgendwann Jörg Hube, der zwar noch von einer Reise nach Kanada unter Jetlag litt, aber trotzdem einsprang. Und Hube hat, wie könnte es anders sein, das Publikum, das wegen Malör gekommen war, restlos begeistert.

"Das Klavier war immer unser Schwachpunkt", erzählt Drexler. Weil selbst der Klavierverleih eines Abends versagte, habe er in seiner Not versucht, auf einem nahegelegenen Bauernhof eines zu leihen. Das Bauernehepaar war von dem Anliegen wenig begeistert. "Das war zu der Zeit, als Euroschecks noch modern waren und zufällig hatte ich einen einstecken. Ich habe zur Bäuerin gesagt, nennen Sie mir einen Betrag und wenn ich nicht wieder komme, können Sie den Scheck einlösen." Die Bäuerin, nicht auf den Mund gefallen, pokerte mit 3000 Mark hoch und Drexler unterschrieb. "Zwei Tage später habe ich das Klavier unversehrt zurückgebracht. Ich habe den Eindruck gehabt, ihr wär's lieber gewesen, ich wär' nicht zurück gekommen."

Neben Katastrophen, über die man bald wieder lachen konnte, gab es für das Brettl auch ernste Zeiten. Während der Achtzigerjahre habe sich das Geschäft stark verändert. Das Interesse an Kleinkunst und Kabarett stieg rasant und mit ihnen die Gagen. Bald schon wurden in Bruck, Germering und Puchheim die großen Veranstaltungszentren eröffnet, die sich auch um die Künstler bemühten und Platz für viel mehr Gäste boten. "Das Geschäft wurde unsicherer", erzählt Drexler. Durch gute Kontakte, das richtige Händchen für neue Künstler und nicht zuletzt durch die Gründung des Fördervereins konnte sich das Brettl bis heute halten. Natürlich sei auch das Publikum mitgealtert. Dass so viele der Bühne über die Jahre treu geblieben sind, freut Drexler ungemein, aber er würde gerne auch ein paar junge Gesichter im Publikum sehen. Woran das mangelnde Interesse der Jugend heute liegt, kann er nicht sagen. Am Humor fehle es wohl nicht. "Vielleicht ist unser Name nicht modern genug?", meint er. Oder vielleicht wollen die Jungen mehr Partystimmung. Willkommen sei jedenfalls jedes neue Gesicht. Vor ein paar Jahren habe sich immerhin der Vorstand etwa mit Markus Peters, der für die Organisation des Brettl-Festivals zuständig ist, schon verjüngt. Damit habe sich auch die Auswahl neuer Interpreten verändert, was gut sei, meint Drexler "Das freut mich, weil ich damit die Hoffnung habe, dass es mit dem brettl weitergeht."

© SZ vom 05.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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