Hoch über Fürstenfeldbruck:Höhenflüge an der langen Leine

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Auf der Fürstenfelder Kletterinsel kann man den eigenen Schweinehund kennen und besiegen lernen.

Stefan Salger

Angst, schlotternde Knie? Ach was, dachte sich der Fallschirm- und Bungee-Jumping-erprobte Reporter. Eine all zu große Herausforderung kann so ein Hochseilgarten doch kaum sein. Also auf zum Selbstversuch.

Und dann das: Die Beine wackeln immer heftiger und das dünne Drahtseil schwankt nach links und rechts. Hochmut kommt vor dem Fall. Nur gut, dass dieser Fall nicht allzu tief wäre. Denn die Brucker Kletterinsel ist mit einem narrensicheren Zwei-Karabiner-Sicherungssystem ausgestattet. Das Schlimmste, was passieren könnte, wäre ein sanfter Fall in den Gurt. Eine Blamage wäre aber auch das nicht.

Etwa eine Stunde dauert es, die beiden Touren in der zweiten Etage zu absolvieren. Da liegt die halbstündige Sicherheitseinweisung schon hinter den kleinen Gruppen, die sich vor der Holzhütte mit Geräteausgabe und Getränkeausschank zusammengefunden hatten. Dabei wird der Umgang mit den Karabinern erklärt. Ist einer geöffnet, um ihn an der nächsten Übung einzuhaken, dann wird der andere automatisch am Seil blockiert. So wird sichergestellt, dass niemand mitten auf dem Parcours plötzlich ohne Sicherung dasteht. Das "Klack-klack" wirkt fast beruhigend.

Es ist eine Gratwanderung in fast zehn Meter Höhe - mit Ausblick über die Amper. Über schwankende Planken und Seile geht es voran, einmal muss man sich sogar nur an den Händen ein kurzes Stück an Leitersprossen vorwärtshangeln. Im Selbstversuch wird sehr deutlich, was in so einem Hochseilgarten gefragt ist: Ruhe, Selbstbewusstsein und Übersicht. Schritt für Schritt geht es über jede Etappe bis zur nächsten Plattform-und immer wieder über den inneren Schweinehund hinweg. Wenn da beim Balancieren nicht diese zitternden Knie wären. Und doch ist es ein gutes Gefühl, dass es hier allen ähnlich ergeht. Sicher, die Jugendlichen sind oftmals etwas flotter unterwegs als die älteren Semester. Aber auch sie kommen ins Schwitzen, wenn der Flying Fox naht.

Mit dem Rücken zum Abgrund steht ein Mädchen auf der Plattform. "Einfach die Arme ausbreiten und nach hinten fallen lassen", sagt der Instruktor mit dem gelben Helm. Einfach? Es kostet Überwindung, sich so bedingungslos den Konstrukteuren des Hochseilgartens und der Haltbarkeit der Gurte auszuliefern. Nach drei Anläufen und weiteren Ermunterungsversuchen fasst sich das Mädchen ein Herz, lässt sich nach hinten fallen und saust auch schon, am Seil hängend, der gut zehn Meter entfernten, sanft ansteigenden "Landebahn" entgegen. Und wirklich: Es passiert nichts, alles geht gut. So wie bei allen Teilnehmern, die sich an diesem Tag an die persönliche Mutprobe wagen.

Kurz vor dem Ende des Parcours wartet die größte Herausforderung: Die letzten fünf Meter bis zum Ziel müssen überwunden werden. Wie aber soll das funktionieren mit Hilfe dieser rund 30 Zentimeter breiten Holzscheiben, die an langen Seilen hängen? Spätestens als der Reporter heillos verworren zwischen Himmel und Erde hängt, ist er froh, dass der Fotograf längst unterwegs ist zum nächsten Einsatz. Aber künstlerische B-Noten werden hier auch gottlob nicht vergeben. Der Weg ist das Ziel, und Umwege sind nicht nur erlaubt, sondern gewollt: Jeder solle in seinem Tempo seine ganz eigene Strategie entwickeln, sagt der Instruktor, der einen mit einem feinen Lächeln im Gesicht beobachtet hat.

Kurze Zeit später gibt ein Junge, der die Sache viel ästhetischer bewältigt hat, dem nachfolgenden Vater den gut gemeinten Tipp: "Papa, spring einfach von einem Teller zum nächsten!" Jener streicht dann aber zur Hälfte der Distanz die Segel und lässt sich ins Seil fallen. "Das wird morgen einen schönen Muskelkater geben", sagt er noch. Derweil sitzen Julia, Jasmin, Daniel und Dennis in dem kleinen Biergarten im Schatten der Bäume und stärken sich an der mitgebrachten Brotzeit. Sie bereiten sich auf ihre dritte und vierte Tour, dann in der zweiten Etage, vor. Anja Podewils und Christian Salvermoser aus Dachau haben ihre Neffen und Nichten für einen Nachmittag mitgenommen.

Der jüngste von ihnen ist quasi schon ein alter Hase: Bereits zum dritten Mal ist der neunjährige Daniel hier. Kann ihn da überhaupt noch etwas schrecken. "Neee", sagt er selbstbewusst-auch wenn die Übung mit dem großen, auf Rollen laufenden Skateboard schon anspruchsvoll sei und ein gehöriges Maß an Gleichgewichtssinn erfordert. Jener Gleichgewichtssinn ist der 20-jährigen Julia heute irgendwie abhanden gekommen. Es ist wie vertrackt, sie ist schon ein paarmal im Gurt gelandet.

Christian Salvermoser dagegen hat sich seine Premiere in einem Hochseilgarten eigentlich schlimmer vorgestellt. "Ein bisschen fühlt man sich wie Indiana Jones", sagt er und lacht. Man werde von Übung zu Übung immer selbstsicherer, diese Erfahrung hat die 17-jährige Jasmin gemacht-auch wenn beim Flying Fox rückwärts dann doch der innere Schweinehund die Oberhand behielt.

Zwei Besucher sitzen bereits seit zwei Stunden oben auf dem Amperdamm und scheinen fast andächtig dem ständigen "Klack-klack" der Karabiner zu lauschen. Renate und Jens Jensen kommen aus Ottobrunn. Ihr Sohn Walter Jensen hat die Kletterinsel gemeinsam mit Richard Gladiator bauen lassen. Während die beiden Chefs unten Gurte und Helme oder Getränke ausgeben, beobachten Renate und Jens Jensen ihre Enkel Christian, 20, und Thomas, 14. "Mich würde es ja schon mal reizen, das selbst auszuprobieren", sagt Renate Jensen. Aber das Knie spiele da leider nicht mehr mit.

Dass sich jemand nur aufs Zuschauen beschränkt, ist die Ausnahme. An guten Tagen waren laut Gladiator etwa 150 Personen in der Kletterinsel aktiv-100 Ausrüstungen können gleichzeitig genutzt werden. Bis zu sieben Betreuer sorgen dann für Sicherheit. Nur ganz selten kommt es vor, dass einen Besucher irgendwo in schwindelnder Höhe der Mut verlässt und er abgeseilt werden muss. Brucks Oberbürgermeister Sepp Kellerer gehörte jedenfalls nicht dazu. Bei der Eröffnung vor zwei Monaten hatte er auf dem ersten Parcours gezeigt, dass ein Politiker ganz gut ohne Höhenangst und wackelige Knie auskommt.

© SZ vom 25.06.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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