Haushaltsverabschiedung:Brucker Investitionsstau

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Der Stadtrat lässt das Zahlenwerk trotz hoher Verschuldung passieren. Es hagelt Kritik am Oberbürgermeister. Viele Politiker sehen in Erich Raff den Hauptverantwortlichen dafür, dass Projekte wie Viehmarktplatz oder Eishalle nicht vorankommen

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Jonglieren mit siebenstelligen Zahlen: klingt so spannend wie die zweihundertste Folge der Lindenstraße - und entpuppt sich am Dienstagabend doch als Tatort. Der Brucker Stadtrat stimmt über den diesjährigen Haushalt ab. Es ist bereits nach 22 Uhr, als die Sitzung unterbrochen wird und in Grüppchen noch einmal das Für und Wider abgewogen wird. Die BBV, nach der CSU zweitstärkste Fraktion, hat zuvor deutlich gemacht, dass sie noch unschlüssig ist. Am Ende stimmt sie doch zu.

Mit 26 gegen die zwölf Stimmen von SPD, Grünen sowie FDP und ÖDP wird der 84 Millionen Euro schwere Haushalt also beschlossen. Offen ist, ob die Kommunalaufsicht das im Vergleich zum Vorjahr um etwa zwei Millionen Euro gestiegene und erneut defizitäre Zahlenwerk passieren lässt. Überschattet wird die gesamte Haushaltsdebatte von der sehr deutlichen Kritik an Stadtverwaltung und Oberbürgermeister. Nur die CSU hält sich zurück, alle anderen Fraktionssprecher waschen Erich Raff (CSU) ordentlich den Kopf und machen vor allem ihn für einen "Investitionsstau in Bruck" verantwortlich. Besonders deutlich wird Herwig Bahner, der 2017 von der CSU zur FDP gewechselt ist. Wäre der Haushalt durchgefallen, hätte dies eine mehrmonatige Hängepartie bedeutet und einen Stillstand bei der Besetzung offener Stellen und Ausschreibungen. Trotz aller Skepsis stimmen deshalb auch bekennende Kritiker letztlich zu.

Vor der finalen Haushaltsberatung war ein Sparvorschlag des OB, der den Bau von Kita und Sozialwohnungen extern vergeben und die Stadt damit um acht Millionen Euro entlasten wollte, mehrheitlich von der Tagesordnung genommen worden. Denn dies würde sich unter anderem auf die Schulplanung auswirken und bedarf eingehender Beratungen in den Fachausschüssen, so die Mehrheitsmeinung.

Die Stadtspitze

OB Erich Raff spricht von einem Haushalt ohne Spielraum. Dass die Auslagerung des Sozialwohnungsbaus an eine Kreis-Wohnbaugesellschaft abgelehnt wird, wertet er als Zeichen für eine "Generalabrechnung" in dem bereits anlaufenden Kommunalwahlkampf. Angesichts einer Neuverschuldung von 40 Millionen in vier Jahren bringt Kämmerin Susanne Moroff "erhebliche Bedenken" zum Ausdruck. Sie wirbt ebenfalls für die Auslagerung der beiden Bauprojekte. Eine Gesellschaft könne schneller planen und sei nicht ans Vergaberecht gebunden. In der Anhebung der Steuersätze sieht sie lediglich "ein allerletztes Mittel", um mehr Geld einzunehmen.

Finanzreferent Walter Schwarz

Walter Schwarz (SPD) geht sehr hart ins Gericht mit Raff. Würde man das Konzept für Kita- und Wohnungsbau noch umwerfen, dann würde das bedeuten, Planungskosten in sechsstelliger Höhe "zum Fenster rauszuwerfen". Er kreidet der Stadtverwaltung Fehler bei der Erstellung des Haushaltsentwurfs an, die trotz seiner Ermahnungen nicht korrigiert worden seien: "Da müsste der OB eingreifen. Sind ihm die Mängel egal oder kapiert er es nicht?"

Brucker "(Dauer-)Baustellen": Der Waldfriedhof soll mit Sanitäranlagen ausgestattet werden. (Foto: Günther Reger)

Andreas Lohde (CSU)

"Die fetten Jahre sind vorbei", konstatiert CSU-Fraktionschef Andreas Lohde. Man lebe "seit Jahren auf Pump". Sorgen bereiten ihm die Personalkosten, die in fünf Jahren von 17 auf 23,6 Millionen Euro anwachsen. Und das noch ohne den Posten Kinderbetreuung und den durch die Unterbringung von bis zu tausend Asylsuchenden am Fliegerhorst bedingten Mehrbedarf. Vergleichbare Städte kämen mit weniger Personal aus, sagt Lohde, der fest mit dem Einspruch der Kommunalaufsicht rechnet. Dennoch wolle die CSU Projekte wie Friedhof, Schule West oder Feuerwehrhaus nicht weiter hinausschieben.

Tommy Beer (BBV)

Enttäuscht äußert sich BBV-Fraktionschef Tommy Beer darüber, dass die Pläne für den Viehmarktplatz zwei Jahre lang nicht vorangekommen seien und die Kosten fürs Sportzentrum III durch die Verzögerung erneut steigen. Beim Thema Sozialwohnungsbau wirft Beer dem OB vor, die Stadträte unter Druck zu setzen mit seinem Vorschlag - zumal im jüngsten Fachausschuss kein Bauexperte anwesend und eine Sitzung ganz abgesagt worden war. Beers Vorwurf: Dem OB "mangelt es an politischem Gespür" Das habe sich auch bei der vereitelten Abstimmung über die Sparkassenfusion, bei der viel zu späten Debatte um den Landratsamtsanbau und beim "eigenmächtigen Aktionismus" bei der Montage von Zusatzschildern an den nach belasteten NS-Größen benannten Straßen gezeigt. Bei Eishalle und Radverkehrskonzept sieht Beer ebenfalls keine Bewegung.

Der südliche Teil des Viehmarktplatzes (rechts) soll attraktiver und autofrei werden, der nördliche Teil (links) bleibt vorerst ein Parkplatz. (Foto: Günther Reger (Archiv))

Philipp Heimerl (SPD)

SPD-Fraktionssprecher Philipp Heimerl klagt über Projekte, die gar nicht umzusetzen sind und über Beschlüsse übers selbe Thema, durch die alles "ins Unendliche verzögert" wird. Sein Schluss: "In dem Haushalt steht zu viel" - und entsprechend auch zu viele Millionensummen, durch die die Stadt formal tief in die roten Zahlen getrieben wird. Es fehle an der klaren Linie. Stattdessen verfolge der Oberbürgermeister sein millionenschweres "Lieblingsprojekt Rathausneubau", während bei der Eishalle nichts vorangehe. Der Haushalt sei "in vielen Teilen konfus".

Christian Stangl (Grüne)

Ins gleiche Horn stößt Christian Stangl, von den Grünen: "Gerade bei der Umsetzung von Beschlüssen und fertig geplanten Vorhaben" fehle es der Stadtführung an klarer Linie und Engagement. Das zeigt sich Stangl zufolge darin, dass die Verschuldung der Stadt zum Jahreswechsel bei 27 Millionen Euro lag und gleichzeitig 14 Millionen in der Kasse waren. Dass sich bis 2022 die Schulden mehr als verdoppeln sollen, sei "auf keinen Fall die Lösung". Stangl spricht Raff die Eignung als "Brückenbauer" zwischen den Fraktionen ab. Er liege manchmal sogar mit seiner CSU über Kreuz und bleibe Ergebnisse schuldig, so auch beim Viehmarktplatz oder der Verwertung des Grundstücks der alten Schule am Niederbronner Weg. Es fehle an "Entschlusskraft, Fantasie und unternehmerischem Handeln". Ausgerechnet im sozialen Wohnungsbau, der sich letztlich rechne, herrsche Stillstand. Stangls vernichtendes Fazit: "Das strukturelle Problem in Bruck hat einen Namen: Erich Raff. Schlimmer kann es nicht werden."

Herwig Bahner (FDP)

Den Finanzplan bis 2022 bezeichnet Herwig Bahner (FDP) als "nicht mehr nur ernüchternd, sondern schon erschreckend" und als "Bankrotterklärung der Brucker Stadtpolitik". Man blicke zurück auf "acht verlorene Jahre des Stillstands. Geplante Investitionsmaßnahmen würden nur zu 30 Prozent umgesetzt - "echt rekordverdächtig". Ihn ärgert, dass auch die von ihm mit vorgeschlagene Überarbeitung des Schulkonzepts, die viel Geld gespart hätte, verworfen wurde und dann bei den Schulen trotzdem nichts vorangehe.

Alexa Zierl (Die Partei und Frei)

"Und täglich grüßt das Murmeltier", sagt Alexa Zierl angesichts der erneut tiefroten Zahlen. Sie glaubt freilich, dass hier mal wieder zu schwarz gesehen wird. Die Erfahrung lehre, dass viel mehr Geld verplant werde, als anschließend verbaut werden kann. Nicht einmal die Hälfte der eingeplanten 20 Millionen Euro würden letztlich benötigt, prognostiziert Zierl. Einige wichtige Projekte seien gleichwohl durchaus umgesetzt oder begonnen worden - wie die Sozialwohnungen an der Parsevalstraße und die Erweiterung der Schule Nord. Setzte man nur das an, was sich realisieren lässt, dann geht es Zierl zufolge ganz ohne zusätzliche Kredite: "Unsere Leistungsfähigkeit ist besser als dargestellt."

Franz Neuhierl (Freie Wähler)

Dass vieles nicht abgearbeitet worden ist im vergangenen Jahr, stört auch Franz Neuhierl gewaltig. Der Haushalt "hängt irgendwie in der Luft", sagt der Sprecher der Freien Wähler. Vor allem die Informationspolitik der Stadtspitze sei unbefriedigend - dabei zielt Neuhierl ausdrücklich auch auf die Kämmerei. Manches erfahre man als Stadtrat "nur zufällig". Und das, obwohl der Stadtrat zu kontrollieren sowie die Richtung vorzugeben habe und sich die Verwaltung dann erst um die Ausgestaltung kümmern sollte. "Der OB muss da eingreifen", fordert Neuhierl.

© SZ vom 31.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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