Handball:Denkwürdiger Super-Samstag

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In Fürstenfeldbruck und Gröbenzell wollen 1500 Zuschauer zwei Spitzenspiele sehen

Von Heike A. Batzer und Ralf Tögel, Fürstenfeldbruck/Gröbenzell

Das Sieger-Selfie ist ja schwer in Mode gekommen. Sportmannschaften formieren sich jubelnd und ekstatisch noch in der Kabine zum Gruppenfoto, um das Erfolgserlebnis anschließend über die sozialen Medien in die Welt hinauszuposaunen. Neu ist, dass es Sieger-Selfies auch bei einem Unentschieden gibt. Fürstenfeldbrucks Handballer waren am Samstagabend so begeistert von sich und ihrem 22:22-Remis, dass sie von dringendem Mitteilungsbedürfnis über den gefühlten Sieg befallen wurden. Die Punkteteilung ausgerechnet mit dem unangefochtenen Spitzenreiter in Deutschlands Handball-Liga drei, TV Hüttenberg, konnte man nicht unbedingt erwarten.

Obwohl sie im Hinspiel mit 18:31 Toren untergegangen waren, hatten Fürstenfeldbrucks Handballer, als Tabellenzweite erste Verfolger Hüttenbergs, an diesem Super-Samstag zumindest heimlich schon mit einer Art Überraschung gegen den Zweitliga-Absteiger geliebäugelt, der bis Mitte der Achtzigerjahre zum Establishment der ersten Bundesliga gehörte und 2011 dort noch einmal ein einjähriges Gastspiel gab.

Einen Schlagabtausch Erster gegen Zweiter bekamen die Fans dann zu sehen - und das gleich zweimal am selben Abend im Landkreis. Denn auch nebenan in Gröbenzell war die Konstellation die gleiche: Spitzenreiter Ketsch gegen den Zweiten HCD Gröbenzell. Der Ausgang war für die HCD-Handballerinnen freilich weniger erfreulich, sie zogen sich beim 33:36 ihre erste Heimniederlage zu. Auch diese Partie hätte durchaus einen anderen Ausgang finden können, zweieinhalb Minuten vor Schluss stand es noch 32:32. Riesiger Freude gaben sich deshalb die Gäste aus dem Rhein-Neckar-Kreis samt Anhang hin und feierten ausgelassen in der Fremde, während die Gröbenzellerinnen nur noch vereinzelt in der Halle waren. Die TSG Ketsch war mit zwei Bussen angereist, hatte das linke Tribünendrittel komplett okkupiert und dieses nach dem Spiel in eine Partyzone verwandelt. Die "Kurpfalz-Bären", wie sie sich selbst nennen, tanzten mit ihren Fans um die Wette, rote Luftballons wirbelten durch die Luft, Erinnerungsfotos wurden geschossen - galt es doch den besonderen Moment festzuhalten. Hendrik Pleines und den Seinen war es auch kein Trost, dass sie eine famose Leistung geboten hatten, der HCD-Trainer war einfach nur "sehr enttäuscht".

Wer sich beeilte am Samstagabend, konnte beide Spiele sehen. Einfach war das indes nicht, denn in der Wittelsbacher Halle von Fürstenfeldbruck waren eine Dreiviertelstunde vor Beginn so gut wie alle Sitzplätze weg, da war die Partie in Gröbenzell noch nicht zu Ende. 900 Zuschauer drängten zum drittletzten Heimspiel der Saison und fügten dem Brucker Handball-Märchen ein weiteres Kapitel hinzu. Aus dem in Kunstnebel getauchten Seiteneingang liefen die Spieler zu Spotlight in die ansonsten dunkle Halle ein, zum zweiten Mal in der Saison wurden dazu ihre Namen in bunten Lettern auf den Hallenboden projiziert. Später erreichte die Stimmung nie da gewesene Ausmaße, das Publikum erhob sich vier Minuten vor dem Ende von den Bänken, feuerte seine Mannschaft an und schickte den Hüttenbergern ein gellendes Pfeifkonzert hinterher, wenn diese am Ball waren. Das zeigte Wirkung: Die TuS-Handballer machten letzte Kraftreserven verfügbar und holten noch drei Tore bis zum finalen Unentschieden auf.

"Eine megageile Kulisse", freute sich Fürstenfeldbrucks 37 Jahre alter Trainer Martin Wild hinterher in bestem Jugendjargon. "Die Leute haben uns nach vorne gepeitscht. Ich kriege jetzt noch Gänsehaut." Dass am Ende alle Zuschauer standen und in rhythmisches Klatschen einstimmten, "klar, das bekommst du unten in der Halle mit", sagte ein ebenso begeisterter Christian Haller, der zuvor im Brucker Rückraum gerackert hatte. Auch auf Facebook überschlugen sich die Kommentare: "Überragend", "ein Wahnsinnsabend", "der Hammer". "Es ist der wie zu erwartende Hexenkessel in Fürstenfeldbruck", übermittelten zwischenzeitlich die Gäste via Facebook. Auch für die von 600 Zuschauern begleitete Partie in Gröbenzell gab es Komplimente in den sozialen Medien: "Spitzenspiel auf höchstem Niveau", "Werbung für den Frauenhandball". Trainer Pleines war nicht nach Fröhlichkeit zumute ("Ganz bittere Niederlage"), während die weiterhin unbesiegten Handballerinnen aus Ketsch ihre Luftballons für das Siegerfoto in die Kamera hielten.

© SZ vom 21.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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