Gröbenzeller Hofflohmarkt:Höflicher Konsum

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Andrea Juricev (Mitte) hat den Keller ausgeräumt und vor dem Haus am Fasanenweg drapiert. (Foto: Günther Reger)

Beim Gröbenzeller Hofflohmarkt geht es nicht nur darum, Schnäppchen zu machen, sondern auch darum, die Nachbarn zu treffen und sich zu unterhalten. Kurioses gibt es dennoch zu entdecken

Von Felix Reuß, Gröbenzell

Wer lediglich zum Flohmarkt geht, um Geld gegen Ware zu tauschen, der macht - und das wird beim Gröbenzeller Hofflohmarkt am Sonntag deutlich - etwas falsch. Bei vielen Gegenständen, die hier am Hofflohmarkt ausgestellt sind, machen sich die Verkäufer ein wenig lustig über sich selbst. Und bringen damit auch die Käufer zum Lachen. Bis es schließlich nicht mehr nur um die Bezahlung geht, sondern um das Miteinander.

Einige haben es ja auch nicht leicht, in ihrem Keller mal für Platz zu sorgen. Das alte Porzellangeschirr, das seit 20 Jahren dort steht, wechselt eben nicht so schnell den Besitzer - obwohl es mal als "elegant" bezeichnet und für den Sonntagskaffee genutzt wurde. So wird der ganze Krempel über die Jahre durchgeschleppt und dessen Preis immer weiter gesenkt, bis er entweder auf dem Sperrmüll landet oder doch einen Interessenten glücklich macht. Was der Käufer dann mit nach Hause nimmt, ist für ihn ein Neuerwerb - für die Person hinter dem Tresen bleibt es oft ein Erinnerungsstück. Erinnerung an eine besondere Person oder die stürmischen Zeiten, die man verbracht hat und mit denen das gute Stück auf ewig verbunden sein wird.

Da gibt es zum Beispiel die Schwestern Barbara und Regine in der Bahnhofstraße. Sie präsentieren ein reichhaltiges Angebot, von Kindersachen über einen in die Jahre gekommenen Diaprojektor bis hin zur Pflanzenpresse. Letztere erinnere sie an die Berge, da es diese Presse war, in die ihre Oma die beim Wandern gepflückten Blumen gelegt hat. Während Barbara das Teil in der Hand hat, kehrt sie gedanklich wieder auf die Wanderwege und die Wiesen in den Alpen zurück und erzählt. Zu jedem Ausflug in die Berge gab es damals einen Blumeneintrag, sodass die Presse ihren Zweck auch als "Fotoalbum" erfüllte. Zuordnen könne sie die Blumen auch heute noch, meint sie. "Es ist interessant zu sehen, wann wir wo unterwegs waren".

Zum Gröbenzeller Hofflohmarkt werden viele solcher Erinnerungsstücke von den Anwohnern ausgestellt, selbst ein großer, schwerer Eichenschrank. Denn die Verkäufer stellen beim "Garage Sale" - wie es im Amerikanischen genannt wird - ihre Gegenstände bei sich Zuhause aus. Ob im Vorgarten oder im gemeinsamen Hof, für den Transport ist meist nur maximal eine Treppe zu überwinden. Dies ist einer der Vorteile, die Vuk Latinovic gesehen hat, als er vor drei Jahren erstmals die Idee eines Hofflohmarktes in Gröbenzell in die Tat umsetzte. Dem leidenschaftlichen Flohmarkt-Besucher ist besonders wichtig, dass es "nicht nur ums Kaufen, sondern ums Erleben" geht. Da der Ort nicht nur durch die S-Bahnstrecke geteilt wird, sollte es eine Veranstaltung geben, die für ein besseres Miteinander sorgt. "Darum gibt es auch zwei Hofflohmärkte pro Jahr, einen im Norden und einen im Süden."

Latinovics Engagement trägt Früchte, denn die mehr als 100 Stände sind gut besucht. An den meisten wird über weit mehr gesprochen, als den Sammelpreis für die 15 Comicbücher, es wird sich auch einfach unterhalten. "Beim Hofflohmarkt ist man nicht nur Verkäufer, sondern Gastgeber. Es spielt sich mehr auf der persönlichen Ebene ab", sagt Latinovic, der seit dem Vormittag mit dem Fahrrad von Stand zu Stand unterwegs ist. Er vergleich die Situation mit Kindern, die Kaufmannsladen spielen. Das laufe auch im Käufer-Verkäufer-Prinzip ab, vielmehr gehe es dabei jedoch ums Feilschen und miteinander interagieren. Aufmerksames Beisammensein statt körperlosem Konsumieren quasi.

Einen Stand hat an diesem Tag auch Barbara aus dem Weiherweg. Unter anderem zwei schwarz bezogene Autositz-ähnliche Stühle, die obendrein noch einen Lautsprecher eingebaut haben, stehen bei ihr in der Einfahrt. "Diese Lautsprechersitze sind wie eine Heimkinoanlage. Du merkst den Bass, aber deine Nachbarn nicht", meint ihr Schwiegersohn grinsend. Gleich darauf kommt Barbara mit einem Kartoffelschäl-Handschuh wieder, der wohl für die missglückte Revolution der Kartoffelküche steht. Mit dem Spruch "Acht Sekunden zum Schälen" wirbt der Hersteller, Barbara ist sich allerdings sicher, dass sie das auf konventionelle Art besser hin bekommt. Trotzdem hofft sie, dass sich noch ein Besucher findet, der da anderer Meinung ist.

© SZ vom 09.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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