Gröbenzell:Zu Besuch beim Kummerkasten der Nation

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Puchheims Bürgermeister Norbert Seidl lässt sich von Inspektionsleiter Karlheinz Pangerl die Ausstattung eines Polizeiwagens erklären. (Foto: Günther Reger)

Puchheims Bürgermeister Norbert Seidl erkundigt sich über die Situation der Polizei-Inspektion

Von Verena Niepel, Gröbenzell

"Wir müssen noch auf die Kollegin warten, die ist gerade mit drei anderen zu einer bewaffneten Gefährderansprache ausgerückt", kündigt der Leiter der Polizei-Inspektion Gröbenzell, Karlheinz Pangerl, an. "Gefährderansprache" meint die Überprüfung einer Person, bei der kein konkreter Verdacht besteht, die aber verdächtigt wird, möglicherweise eine Tat planen zu können. Um mehr Verständnis für Begriffe wie diesen zu entwickeln und die Arbeit der Polizei besser kennen zu lernen, war Puchheims Bürgermeister Norbert Seidl bei der Gröbenzeller Dienststelle zu Besuch. Jeden Monat besucht er unter dem Motto "Topic - Bürgermeister vor Ort" eine öffentliche und soziale Einrichtung.

Um auch einmal in die Aufgaben der Beamten rein zu schnuppern, möchte der Rathauschef mit Streifefahren. Solange die Einheit von der Gefährderansprache aber noch nicht zurück ist, bleibt Zeit für ein Gespräch mit dem Polizei-Hauptkommissar. Der sitzt wie so oft hinter einem großen Schreibtisch, von dem aus er die Büroarbeit erledigt. "Eigentlich bin ich lieber auf der Straße unterwegs", betont Hauptkommissar Pangerl. Doch der Sechzigjährige verbringt inzwischen viel Zeit in seinem Büro. Das liegt zum einen daran, dass seit seiner Anfangszeit viel mehr am Computer gearbeitet wird und dass es durch den Stellenabbau bei der Polizei mehr zu tun gibt. In Gröbenzell ist der Personalbedarf derzeit gerade mal zu knapp 80 Prozent abgedeckt. Auf die verringerte Anzahl an Beamten kommt, auch durch ein erhöhtes Sicherheitsbedürfnis der Bürger, mehr Arbeit. "Die Polizei ist der Kummerkasten der Nation. Wir bekommen alles rein", erklärt er.

Daraufhin dreht er die Lautstärke der zwei Funkgeräte auf seinem Schreibtisch runter, aus denen immer wieder Sprachfetzen durch das beständige Rauschen dringen. Vieles wie kompliziertere Fälle der Cyberkriminalität oder Tötungsdelikte sind Angelegenheiten des LKA, doch trotzdem muss die Polizei als erste Anlaufstelle alles aufnehmen. Hinzu kommt, dass in Gröbenzell 17 Prozent der registrierten Fälle eigentlich in die Zuständigkeit der Münchner Polizei fallen. Schuld daran ist die Lage der Dienststelle direkt an der Durchfahrtsstraße Richtung München. Was die Beamten unter Pangerl alles stemmen müssen, davon haben viele zu wenig Ahnung. Eingeschlossen Bürgermeister Seidl. "Ich möchte ein Gefühl dafür bekommen, wie es bei der Polizei zugeht, damit ich besser vermitteln kann", erklärt er.

Der Dienstellenleiter findet es "ganz toll", dass sich der Bürgermeister so engagiert und erklärt, was die größte Schwierigkeit bei der Ausbildung des Nachwuchses ist: "Die Crux im Großraum München ist, dass viele ausgebildet werden, aber vom Einsatzdienst keine Ahnung haben. Es kommt hier in der Gemeinde vor allem darauf an, dass man weiß, wie man mit den Bürgern umgehen muss. Deswegen haben wir einen Einweißungsbeamten für jeden Auszubildenden."

Gerade die jungen Polizisten aus der Oberpfalz und Franken, die zur Unterstützung nach Gröbenzell kommen, haben anfangs keine Berührungspunkte mit der Gemeinde. Dabei wird etwa bei der Überwachung von Rechtsradikalen großer Wert auf Hinweise von Bürgern gelegt. "Man muss schon ein Gespür dafür haben, das fehlt besonders bei jungen Kollegen, die die Leute hier nicht kennen", erklärt der Hauptkommissar. Seiner Ansicht nach gibt es da den meisten Klärungsbedarf.

Um mehr Aufklärung ging es schließlich auch dem Bürgermeister bei seinem Besuch, deswegen sprach er abschließend den Umgang mit Flüchtlingen bei der Polizei an. "Schon in der Polizeischule lernt man, dass alle gleich zu behandeln sind", so Pangerl. Wichtig findet er aber, dass den Flüchtlingen beigebracht wird, dass die Polizei in Deutschland "nicht rein knüppelt", wie es oft in den Herkunftsländern der Fall ist. Die allgemeine Situation hier ist aber nicht besonders besorgniserregend, darüber sind sich der Polizist und der Politiker einig. Norbert Seidl drückt es so aus: "Es ist ja nicht so, dass es hier irgendeine Katastrophe gibt."

© SZ vom 13.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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