Gröbenzell:Verzwickte Verhältnisse

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Die Bahnhofstraße soll das Ortszentrum aufwerten. Über das richtige planerische Konzept wird seit Jahren gestritten. Nun könnte sich eine neue Lösung abzeichnen

Von Gerhard Eisenkolb, Gröbenzell

Die Bahnhofstraße in Gröbenzell ist mindestens seit des Siebzigerjahren aus planerischer Sicht unvollendet oder ein Torso. Auf der Ostseite stehen stattliche, bis zu sechststöckige Häuser mit Wohnungen, Läden und Gewerbebetrieben. Die Westseite mit teilweise verwilderten Gärten und dem wie ein verwunschenes Hexenhäuschen wirkenden Café Valentin steht in einem Kontrast zu den nüchtern funktionalen Punkthäusern auf der gegenüberliegenden Seite, wie er nicht größer sein könnte. Die kleinen Einfamilienhäuser hinter Jägerzäunen sehen so aus, als wäre dort irgendwann, während die Geschossbauten auf der gegenüberliegenden Seite entstanden, die Zeit stehen geblieben. Im Norden verlottert zudem noch hinter einem Baustellenzaun der leer stehende Gebäudekomplex der ehemaligen Gaststätte Grüner Baum.

An Bemühungen wechselnder Gemeinderatsgremien, die westliche Bahnhofstraße aus ihrem Dornröschenschlaf zu wecken und in Verlängerung der Ladenzeile an der Kirchenstraße südlich der Bahngleise zu einem attraktiven, belebten Ortszentrum auszubauen, fehlte es nicht. Nur ist es bisher nicht gelungen, auch nur eine der vielen Ideen, die es immer wieder gab, umzusetzen.

In seiner jüngsten Sitzung vor den Osterferien hat der Gemeinderat nun einen neuen Anlauf gestartet, mit der Aufstellung eines Bebauungsplans das Konzept des Architektenwettbewerbs für die westliche Bahnhofstraße aus dem Jahr 2010 doch noch umzusetzen. Um zu verstehen, warum die Chancen diesmal besser stehen, zu einem Ergebnis zu kommen, hilft ein Rückblick auf die Vergangenheit.

Auf der Westseite l (links) der Bahnhofstraße in Gröbenzell hat die Gemeinde etliche Grundstücke aufgekauft. (Foto: Johannes Simon)

Die Grundstücke an der Westseite der Bahnhofstraße weisen eine Besonderheit auf, die jede großzügige städtebauliche Planung erschweren, wenn nicht ganz verhindern. Die meisten der Grundstücke sind zur Straßenseite hin sehr schmale, dafür aber umso längere Handtücher. Sie reichen weit zurück, weshalb der Abstand vieler der alten Häusern zur Straße großzügig bemessen ist. Wer dort mehrstückige Wohn- und Gewerbegebäude errichten will, was in dem als Kerngebiet deklarierten Zentrumsbereich von der Gemeinde seit Langem angestrebt wird, hat wegen der geforderten Abstandsflächen zu den Nachbargrundstücken und wegen des Lichteinfalls ein Problem. Größere Gebäude lassen sich hier nicht richtig platzieren.

Eigentlich ist die erwünschte großzügige Geschossbebauung nur möglich, wenn die Nachbarn mitmachen, also der Planung zustimmen, oder wenn die Grundstücksflächen in einem gemeinsamen Umlegungsverfahren zwischen den Eigentümern neu aufgeteilt werden. Möglich ist ein solcher Eingriff ins Privateigentum jedoch nur, wenn das einvernehmlich geschieht. Und dieses Einvernehmen ließ sich während eines langen Zeitraums einfach nicht herstellen. Einige der Eigentümer oder Erbengemeinschaften waren so zerstritten, das kolportieren jedenfalls Gröbenzeller, dass jahrzehntelang keine Planung zustande kam.

Mit Klötzchenmodellen werden Planungen dargestellt, wie seinerzeit der Hotelbau am Bahnhof. (Foto: Johannes Simon)

Die Konsequenz, die erfahrene Gemeinderäte aus dieser verfahrenen Situation zogen, war einfach. Sie lautete: "Kümmere dich nicht, das ist Zeitverschwendung". Als ähnlich kompliziert und verfahren gelten übrigens die Verhältnisse in der Kirchenstraße, das wird jedes Mal im Gemeinderat angesprochen, wenn es darum geht, dort etwas zu ändern.

Dazu kommen noch andere Erschwernisse. So steht die Ausweisung der Bahnhofstraße als Kernbereich im Widerspruch zu den städtebaulichen Zielen, die die Gemeinderatsmehrheit lange verfolgte. Dies prangert die SPD-Fraktion seit Langem als Fehler an. Zudem ist es in einer Gemeinde mit dem Selbstverständnis einer Gartenstadt nicht einfach, die städtebauliche Verdichtung im Ortszentrum mit diesem Leitbild zu vereinbaren. Auch dieses Problem erschwerte lange die Planungen.

So ist immer noch nicht geklärt, wie hoch Geschossbauten im Zentrum sein dürfen, um noch zum Charakter der Gartenstadt zu passen. Zudem war schon vor fast 20 Jahren bemängelt worden, dass es in Gröbenzell für das Zentrum keine zukunftsorientierte, strukturierte Planung gebe, sondern alles nur Stückwerk sei. Es wurden immer wieder Einzelprojekte genehmigt, ohne zu berücksichtigen, wie sich diese auf die Entwicklung des Zentrums als Einheit auswirkten.

Seit Jahren leistet die Gemeinde schrittweise ihren Beitrag dazu, diese Erschwernisse aus dem Weg zu räumen. So hatte bereits der Vorvorgänger von Martin Schäfer (UWG), also Bernd Rieder (CSU), damit begonnen, systematisch Grundstücke in der Bahnhofstraße aufzukaufen. Da seine Nachfolger diese Politik fortsetzten, gehört der Gemeinde inzwischen der größte Teil der Flächen. Von insgesamt 22 915 Quadratmetern Baugrund auf der Westseite besitzt die Gemeinde etwa 13 400, in privater Hand befinden sich nur noch 9521 Quadratmeter. Das erleichtert die unverzichtbare grundstücksübergreifende Planung. Zudem will die Gemeinde Planung und Umgestaltung des Ortszentrums aus einem Guss mit Mitteln aus der Städtebauförderung finanzieren und damit auch mit Fehlern der Vergangenheit aufräumen.

Eigentlich war die Gemeinde vor elf Jahren in der Bahnhofstraße sogar schon einmal weiter als sie jetzt ist. Schäfers Vorgänger Dieter Rubenbauer (CSU) hatte wiederum von seinem Vorgänger Rieder einen rechtsgültigen, fertigen Bebauungsplan geerbt. Dieser ähnelte dem jetzigen Vorhaben in einem Punkt. Soweit möglich waren mehrere Grundstücke zusammengefasst und zusammen überplant worden. Es gab also Baugruppen, aber keinen so massiven Geschosswohnungsbau, wie er jetzt vorgesehen ist. Dieses Konzept kippte der Gemeinderat auf die Initiative von Rubenbauer hin einstimmig. Womit Rubenbauer nicht rechnete: Seine neuen Planungsüberlegungen fielen am 22. Juni 2007 bei einer Sonderbürgerversammlung durch. Kritiker warfen später Rubenbauer vor, das Rieder-Konzept durch eine Investorenplanung ersetzt zu haben. Statt das Rubenbauer-Vorhaben durchzuwinken, endete die Sonderbürgerversammlung mit einem Paukenschlag. Die Versammlung beschloss nämlich, dass die Gemeinde einen Architektenwettbewerb machen solle, dass ein Kreisverkehr gebaut werden müsse und dass kein Laden eine größere Verkaufsfläche als 400 Quadratmeter haben dürfe und dass in der Bahnhofstraße ein Betreutes Wohnen gebaut werden solle. Das Betreute Wohnen war bereits im unter Bürgermeister Rieder verabschiedeten Bebauungsplan vorgesehen gewesen.

Mit dieser Sonderbürgerversammlung begann eine längere Auseinandersetzung in der Bürgerschaft und im Gemeinderat über die umstrittene Planung. Über ein von den Grünen gestartetes und von der SPD mitgetragenes Bürgerbegehren schafften es die Gröbenzeller, dass ihre Vorstellungen letztlich bei einem Architektenwettbewerb und einer Bürgerwerkstatt umgesetzt wurden. Allerdings haperte es damit, das entsprechende Baurecht für vorgesehene Wohnungen, Geschäfte im Erdgeschoss, eine Wohngemeinschaft für Demente und einen wiederholt diskutierten Hotelturm mit bis zu sieben Stockwerken zu schaffen.

Der Gemeinderat blieb weiter zerstritten und die CSU-Fraktion warf ihrem CSU-Bürgermeister vor, untätig zu sein, was Rubenbauer sein Amt kostete. Man einigte sich auf den Kompromiss, Teilbebauungspläne zu schaffen, um zumindest schrittweise voranzukommen.

Vor diesem Hintergrund verfolgt Schäfer ein ehrgeiziges Ziel. Gelingt es ihm, seinen Bebauungsplan durchzubringen, könnte schon im nächsten Jahr gebaut werden. Das meinen zumindest Optimisten. Schäfer selbst ist zurückhaltender, er weiß um die Tücken seines Vorhabens.

© SZ vom 24.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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