Gröbenzell:"Ungemütlich wie in Gefängniszellen"

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Mit dem Entfernen der Holzmöbel aus den Flüchtlingsunterkünften sind auch persönliche Gegenstände verschwunden

Von Manfred Amann, Gröbenzell

Die unlängst vom Landratsamt wegen Brandschutzes und zur Vorbeugung gegen Krankheiten angeordnete "Entrümpelungsaktion" in den Gröbenzeller Flüchtlingsunterkünften hat sowohl bei den Asylbewerbern als auch bei den Helfern Unverständnis und Empörung ausgelöst. Auch weil offensichtlich wenig rücksichtsvoll vorgegangen und viel Druck ausgeübt worden sein soll.

Asylhelfer Kurt Behrens, der unter anderem seit Anfang 2015 fast täglich einem zehnjährigen Buben aus Nigeria bei den Hausaufgaben hilft, erzählt dazu eine Geschichte, die zwar banal klingt, seiner Ansicht nach aber zum Ausdruck bringt, dass die Aktion und ihre Auswirkungen Betroffenheit und große Verunsicherung ausgelöst haben. Geblieben sei "verbitterte Resignation", beklagt der Pädagoge im Ruhestand. Der nigerianische Bub, der zusammen mit seinem Vater in einem Containerzimmer lebt, sollte als Deutschhausaufgabe über den Inhalt eines der Bücher schreiben, das er mit Behrens im Sommer gelesen hatte: "Der Kleine Wassermann" und "Lukas der Lokomotivführer".

Da sich der Schüler nicht mehr so gut erinnerte, riet ihm sein Betreuer, noch einmal in die Bücher zu schauen. Bedrückt habe der Junge daraufhin geäußert: "Das geht aber nicht, denn seit die Regale weg sind, finde ich meine Bücher nicht mehr". Der Junge sei sehr engagiert und lerneifrig, man habe ihm angemerkt, dass es ihn bedrückt, die Hausaufgabe nun nicht so erledigen zu können, wie er es sich gewünscht hätte, sagt sein Betreuer, der die Entrümpelung aufs Schärfste verurteilt. In den Wohnzimmern sei es nun "ungemütlich wie in Gefängniszellen", stellt er fest und äußert die Vermutung, dass mit der Entrümpelungsaktion den Asylbewerbern ganz bewusst das Leben in Deutschland "so miserabel wie möglich" gemacht werden soll: "Nur keine Privatsphäre, nur ja keine Gemütlichkeit".

Die Entfernung des Kleiderschranks und der Holzregale für Bücher, Ordner und Privates habe die Situation in den Räumen untragbar gemacht. Plastiktüten mit Kleidung, Kartons mit privaten Habseligkeiten und Vorräten an Lebensmitteln: "Dazwischen ist Hausaufgaben machen fast unmöglich", kritisiert der Helfer und weist auch die Verlautbarung aus dem Landratsamt zurück, dass alle Flüchtlinge der Anordnung zur Entrümpelung freiwillig Folge geleistet hätten und dass es keine "Zwangsentsorgung" gegeben hätte. "In Wahrheit hat nicht ein einziger Asylbewerber seine privaten Möbel ohne Zwang abgeliefert", weiß Behrens aus Gesprächen mit Betroffenen und Helferkollegen. Es werde so viel von der "abendländischen Wertegemeinschaft" und von "Leitkultur", gesprochen, wobei vor allem die Achtung vor jedem Menschenleben im Mittelpunkt stehe, egal aus welchem Land jemand komme, welche Hautfarbe er habe und welcher Religion er angehöre. In den ersten Artikeln des Grundgesetzes und der Bayerischen Verfassung seien diese Grundrechte festgeschrieben.

© SZ vom 23.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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