Gröbenzell:Unendliche Tiefe des Ausdrucks

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Schumann-Streichquartett bei der Gröbenzeller Konzertreihe

Von Klaus Mohr, Gröbenzell

Es war schon ein erhebendes Gefühl für Musiker und Publikum, nach so langer Zeit wieder mal ein Konzert in ganzer Länge und mit Pause sowie einer größeren Zahl an Zuhörern erleben zu können. Als am Samstag in der Steinerschule Gröbenzell die 31. Saison der "Gröbenzeller Konzertreihe" mit dem Schumann Quartett eröffnet wurde, dann war es eigentlich der Beginn der 30. Saison, weil außer zahlreichen Planungen und Umplanungen coronabedingt nur ein einziges Konzert in der 30. Saison stattfinden konnte. Umso größer schien die Sehnsucht nach Normalität und Kultur bei denjenigen zu sein, die da waren. Und die ließen das umständliche Einlassprozedere geduldig über sich ergehen, auch wenn der Konzertbeginn dadurch nach hinten verschoben werden musste.

Das Schumann Quartett ist (fast) ein Familienunternehmen: 2007 gegründet, gehören ihm die zwischen 1982 und 1988 geborenen Brüder Erik und Ken Schumann (Violine) sowie Mark Schumann (Violoncello) an. Als Bratschistin wirkte in den ersten Jahren eine Schwester mit, seit 2012 musiziert auf dieser Position Liisa Randalu. Das Programmheft und auch die Website des Schumann Quartetts enthalten solche Informationen nur rudimentär, und auch Details zu wichtigen Lehrern findet man nur spärlich. Zwei bedeutende Namen aus der Kammermusikszene sind dann doch zu entdecken, nämlich der von Günter Pichler, dem Primarius des ehemaligen Alban Berg Quartetts, und der von Menahem Pressler, dem früheren Pianisten des legendären Beaux Arts Trios. "Dass die Musik spricht, ist das einzige, was zählt", äußerte Ken Schumann einmal in einem Interview. Es könnte der Schlüssel sein zu dem, was das Publikum in Gröbenzell in den Werken des Abends von Leoš Janáček sowie Johannes Brahms und etwas weniger im Quartett von Joseph Haydn erleben konnte.

Leoš Janáčeks erstes Streichquartett mit dem Titel "Kreutzersonate" ist ein vielfach komplexes Werk, zu dem auch Hintergrundwissen gehört. Dass man dennoch ohne allzu viel Vorwissen in den Bann der Musik gezogen werden kann, bewies die Interpretation des Schumann Quartetts. Jedenfalls schlug sich die höchste Konzentration beim Publikum am Ende in Bravo-Rufen nieder. Im Eingangssatz Adagio war von Beginn an eine Cellokantilene auf einer Art Klangkulisse der Partner inszeniert, was eine intensive Spannung aufbaute. Auch die verschiedenen Episoden, die in diesem Satz folgten, hatten eine große Tiefe des Ausdrucks. Im folgenden Satz (Con moto) wurden unwirkliche Klänge hörbar, die in den Dialog mit einer einprägsamen, durch alle Stimmen wandernden melodischen Phrase traten und dabei Dissonanzen als genuines Ausdrucksmittel wählten. Auch die beiden weiteren Sätze lebten von wechselnden, mit großer Ernsthaftigkeit und in wunderbarer Balance umgesetzten Stimmungsbildern.

Nach der Pause war das Streichquartett in a-Moll op. 51 Nr. 2 von Johannes Brahms zu hören. Die Musiker des Schumann Quartetts waren hier quasi als Architekten tätig: Sie entwarfen Verbindungslinien, arbeiteten Spannungsverläufe heraus und kombinierten sie mit dynamischen Entwicklungen. Aus der Transparenz ihres Spiels, ihrer mustergültigen Intonation und dem unnachahmlich dichten, aber nie dicken Ton entwickelten die Musiker eine exemplarische Interpretation von großer Schlüssigkeit.

Joseph Haydns Streichquartett op. 76 Nr. 3, besser bekannt unter dem Beinamen "Kaiserquartett", stand am Anfang des Programms. Auch dieses Werk gelang dem Schumann Quartett, allerdings blieb die Stimmigkeit weit hinter der der anderen Werke zurück: Die Leidenschaft des Musizierens stand der klassischen Offenheit immer wieder im Wege, mancher auch etwas geräuschhafte Bogenansatz wirkte zu vehement. Großer Applaus zum Schluss, dem eine Mendelssohn-Fuge als Zugabe folgte.

© SZ vom 28.09.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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