Gröbenzell:Sachlich gegen Rechtsextremisten

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Der Politikwissenschaftler Uwe Peter gibt Tipps, wie man mit Vertretern der "Identitären Bewegung" umgehen kann

Von Fabiana Braunstorfer, Gröbenzell/Fürstenfeldbruck

Sie sind jung, häufig gebildet, internetaffin - und werden vom Verfassungsschutz als klar rechtsextrem eingestuft: Die Identitäre Bewegung (IB) war Thema eines Abends, zu dem die Gröbenzeller Volkshochschule und die Bayerische Informationsstelle gegen Extremismus (Bige) ins Bürgerhaus eingeladen hatten. Der Politikwissenschaftler und Regierungsrat Uwe Peter diskutierte mit etwa dreißig Kursteilnehmern über die Identitäre Bewegung und den Umgang mit ihr.

Seit Anfang 2018 gibt es im Landkreis Fürstenfeldbruck eine Ortsgruppe der Identitären, wie man auf ihrer Website nachlesen kann. Sie posteten ein Bild ihrer ersten Stammtischsitzung, die sie im Turn- und Sportverein (TuS) Fürstenfeldbruck abhielten. Margot Simoneit, Sprecherin des Bündnis "Fürstenfeldbruck ist bunt - nicht braun" erinnert sich an die damalige Gegendemonstration, an der sie teilnahm.

Es ist laut Uwe Peter wichtig, dass Bürger "nicht wegschauen" und die rechtsextremistische Gefahr "proaktiv und sachlich angehen". Besonders an Schulen und Universitäten sei Aufmerksamkeit gefragt. Der Verfassungsschutz könne aufgrund der Meinungsfreiheit nicht viel tun. Wenn die Aktivisten aber "Gegenwind" spürten - beispielsweise, wenn Privatpersonen sie am Infostand ansprächen - könne das zum Nachdenken anregen. "Junge Menschen sind oft beeinflussbar", sagte Uwe Peter. Das gelte nicht nur auf dem Weg ins rechtsextremistische Milieu - sondern auch auf dem, der von dort wieder hinausführt.

Auf die Frage, wie viele Mitglieder die Bewegung im Landkreis Fürstenfeldbruck habe, möchte der Verfassungsschutz nicht antworten. Man könne keine genauen Zahlen nennen, auch zum Schutz der Ermittlungen, sagt Sönke Meußer, Pressesprecher des Bayerisches Landesamtes für Verfassungsschutz. Aber es seien dem Verfassungsschutz diverse Aktionen im Landkreis bekannt. So habe die Gruppe beispielsweise im Januar 2018 Flyer am Büro der SPD verteilt. Im darauf folgenden April habe man Transparente mit dem Thema "Hilfe vor Ort statt Asylwahn" bedruckt. Und im Juli desselben Jahres befestigten die Aktivisten Plakate mit einer Aufzählung von Verboten in einer"Scharia-Zone". 2019 sei es zu zwei Aktionen gekommen. Die Brucker Identitären beteiligten sich laut Meußer an einem bundesweiten Aktionstag gegen "linke Gewalt". Am 16. März organisierten sie einen Infostand. Auch Simoneit erinnert sich. Da seien vor der Sparkasse aber nur "drei Hanseln" der rechtsextremen Gruppe gestanden.

In Gröbenzell stieß man wiederholt auf Aufkleber mit dem Symbol der Identitären Bewegung - dem griechischen Lambda. Das gaben während des Infokurses am Montagabend mehrere Teilnehmer an. Besonders in der Nähe von Gröbenzeller S-Bahn- und Bushaltestellen sei es zu Vandalismus der Rechtsextremen gekommen. Eine Kursteilnehmerin berichtet, der Bürgermeister habe nur mit den Achseln gezuckt, als sie nachhakte, ob man die Aufkleber nicht entfernen könne. Sie schlägt vor, gemeindeübergreifend ein "Ramadama gegen extremistische Aktionen" zu starten. Uwe Peter unterstützt den Vorschlag - das sei eine "super Sache". Eine Anwesende sagt, sie sei verunsichert. Gilt das Entfernen der Aufkleber mit einem Messer nicht auch als Sachbeschädigung? Uwe Peter rät, vor Entfernungsaktionen mit den Gemeinden und der Polizei in Kontakt zu treten. Ein gelb-schwarzer Kreis, in der Mitte ein Haken. Ihr Symbol haben die Identitären laut Peter in Anlehnung an den Film "300" gewählt, in dem die Spartaner ihre Stadt gegen eine Perser-Invasion verteidigen. Im Film tragen die Krieger das Symbol auf ihren Schilden, als sie in die Schlacht ziehen - die Identitären präsentieren es nun auf Bannern, wenn sie gegen "Islamisierung" protestieren. Die Perser seien in der Vorstellung der Identitären eine Horde von ungebildeten Geflüchteten, erklärt Uwe Peter.

Mit emotionalen Bilden, aufsehenerregenden Kampagnen und "neuen, modernen Begriffen" versuchen laut Peter die Rechtsextremen, neue Mitglieder zu gewinnen und das Narrativ einer bedrohten Kultur zu verbreiten.

Statt von "Ausländer raus" sprächen die Identitären etwa von "Remigration", statt vor einem "Volkstod" warnten sie vor dem "großen Austausch". Im Internetauftritt und auf verteilten Flyern finden sich laut Peter oftmals polemische und sogar "witzige" Sprüche, mit denen die Bewegung junge Leute anwerben wolle. Uwe Peter präsentiert Screenshots von Flyern oder Memes, die etwa die Popfigur Bud Spencer als Verteidiger der "Festung Europa" abbilden. Auch Sprüche wie "Heimatliebe ist kein Verbrechen" werden gedruckt und als Flugblätter verteilt.

Uwe Peter spielt für das Publikum ein Video ab, in dem sich die bayerischen Identitären vorstellen: 2016 hochgeladen, hat der Film fast 400 000 Klicks. In dem etwa vier Minuten dauernden Clip sieht man Naturaufnahmen und junge Aktivisten, die Statements abgeben. Den Kursteilnehmern fällt auf, dass "unter dem Deckmäntelchen der Bürgerlichkeit" an Gefühle des Zuschauers appelliert wird. Die Identitären stellen sich als Opfer dar und kritisieren gesellschaftliche Debatten wie die um Political Correctness, kommentiert eine Anwesende. Und man könne im Video eine klare Rollenverteilung erkennen: Während die auftretenden Männer mit gestärkten Hemden am Stammtisch debattierten, beklagten sich die Frauen auf einer Wiese über unsichere Zeiten. Man stellt fest, die Darstellungen und Begrifflichkeiten seien eine gefährliche Verbindung aus "Heilsversprechen" und "Sektencharakter".

Ein Teilnehmer möchte wissen: Als was ist dieses "Eigene" definiert, das die Identitären so unbedingt verteidigen wollen? "Es würde ihnen schwerfallen, das zu benennen", antwortet Uwe Peter. Es sei mit ausweichender Rhetorik mithilfe von Worten wie "Homogenität", "Kulturraum" oder "Ethnie" zu rechnen. Denn "sie wollen absichtlich nicht in die Rassismus-Ecke" geraten, erklärt Peter.

© SZ vom 21.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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