Gröbenzell:Ringen um die Willkommenskultur

Lesezeit: 3 min

Die Unterbringung von Asylbewerbern treibt die Gröbenzeller um. Zweiter Bürgermeister Martin Runge hatte bei der jüngsten Sitzung Bürger selbst hinter seinem Rücken stehen. (Foto: Johannes Simon)

Gemeinde will Flüchtlinge auf eigenen Grundstücken in Fertighäusern unterbringen, die später als Sozialwohnungen genutzt werden sollen. Das Rathaus könnte als Übergangsquartier dienen. Anwohner äußern im Gemeinderat ihren Unmut darüber

Von Gerhard Eisenkolb, Gröbenzell

In der Vergangenheit sind Gemeinderatssitzungen zu Themen, die die Gröbenzeller Bürger bewegen, in der Regel im Streit mit unvereinbaren Positionen geendet. Nicht so in der Sitzung vom Ferienausschuss am Donnerstagabend zur Frage der Unterbringung weiterer Flüchtlinge im Rathaus und im Ortszentrum. Obwohl die Ankündigung, nach dem Auszug der Gemeindeverwaltung im leer stehenden Rathaus Asylbewerber einzuquartieren, Beschwerdebriefe nach sich zog, und Überlegungen, auf einem kommunalen Grundstück an der Ecke Zweigstraße/Augsburger Straße Wohncontainer aufzustellen, zu einer Unterschriftenaktion führten, blieb die Diskussion sachlich.

Zweiter Bürgermeister Martin Runge (Grüne) versicherte, die vorgetragenen Bedenken bei der Abwägung des Für und Wider verschiedener Standorte zu berücksichtigen. Es wurde aber auch darauf hingewiesen, dass es unverantwortlich wäre, angesichts des Notstands an Flüchtlingsunterkünften ein großes öffentliches Gebäude leer stehen zu lassen. Zudem der Landrat das leere Rathaus jederzeit beschlagnahmen könnte. Am Gröbenzeller Weg, die Menschen aus den Krisengebieten willkommen zu heißen, in kleinen dezentralen Einheiten unterzubringen und sie zu integrieren, rüttelte niemand.

Und es zeichnet sich eine einvernehmliche Lösung zur Unterbringung von vorerst rund 160 weiteren Flüchtlingen ab. Der von den beiden Bürgermeisterstellvertretern Runge und Axel von Walter (SPD) vorgeschlagene Kompromiss sieht folgendes Paket vor: Auf einem gemeindlichen Grundstück - für ein Areal an der Peripherie wie dem Züblingelände an der Lena-Christ-Straße waren gewisse Präferenzen erkennbar - sollen in Fertigbauweise mit einem höheren Standard langfristig zu nutzende Sozialwohnungen gebaut werden. In diese könnten zuerst die Flüchtlinge und später beispielsweise Mitarbeiter der Gemeinde oder Erzieherinnen einziehen. Der Landkreis soll bauen, die Gemeinde die Häuser später übernehmen, hieß es. Da es jedoch mindestens ein Jahr dauert, bis die Fertighäuser stehen, sollen Asylbewerber nur für diese Übergangszeit auch im Rathaus eine Bleibe finden, sofern das dafür geeignet ist. Für eine weitere Containerwohnanlage sprach sich niemand aus.

Entscheidung fiel jedoch keine. Es wurde einstimmig beschlossen, dass die Verwaltung gemeinsam mit dem Landkreis weitere Unterkunftsmöglichkeiten in und auf gemeindlichen Liegenschaften prüft und konkrete Vorschläge erarbeitet. Runge führte insgesamt sieben Optionen auf. Diese sind: der Züblinzwickel, auf dem sowieso Sozialwohnungen errichtet werden sollten, das Grundstück an der Zweigstraße, das Rathaus, zwei größere Grundstücke im Außenbereich, die obere Gröbenbachwiese und eine Wiese zwischen dem Lenz- und Fischerweg, die Verlängerung des Mietvertrags für ein Privathaus in der Jägerstraße, das dem Landkreis bereits angebotene Wohn- und Geschäftshaus der Gemeinde in der Lenzstraße sowie ein größeres Privatgebäude im Außenbereich am Gröbenbach, in das minderjährige unbegleitete Flüchtlinge einziehen könnten.

Nicht alle teilten die Meinung, dass es "unverantwortlich" wäre, in der jetzigen Lage ein demnächst leer stehendes öffentliches Gebäude wie das Rathaus nicht mit Flüchtlingen zu belegen. Laut Claudia O'Hara-Jung (UWG) werde intern darüber gesprochen, dass dort Platz für 120 bis 140 Personen sei. Das wäre das Ende des Gröbenzeller Wegs befürchtete die Gemeinderätin. Unter starkem Applaus der mehr als 50 Zuhörer im vollen Sitzungssaal wies Thomas Breitenfellner (CSU) darauf hin, dass wegen des moralischen und politischen Drucks aus der kurzfristigen Unterbringung im Rathaus eine mittel- bis langfristige werde. Das gefährde die Willkommenskultur und den Plan, das Rathaus in fünf Jahren abzureißen und neu zu bauen. Der CSU-Politiker zweifelte damit an der Vertragstreue des seiner Partei angehörenden Landrats Thomas Karmasin. "Absprachen mit Karmasin haben immer gehalten", konterte der SPD-Fraktionssprecher Peter Falk, der Karmasin gerne kritisiert. Laut Axel von Walter zwingt eine Verweigerungshaltung wie die der CSU den Landrat nur zur Beschlagnahmung öffentlicher Gebäude. Die bessere Alternative bestehe darin, das Heft in der Hand zu behalten und mitzureden. Er, von Walter, traue dem Landrat, vertraglich lasse sich alles regeln.

Falk forderte, die Menschen, die nach Gröbenzell kommen, wie Menschen zu behandeln und in festen Bauten, nicht in Zeltstädten unterzubringen. Zu helfen, bezeichnete auch Breitenfellner als "selbstverständlich". Markus Rainer (Grüne) hielt die Zuwanderung für notwendig und zu bewältigen. "Ich freue mich über den Zuzug", sagte er unter Applaus. Die erwarteten 800 000 Flüchtlinge in diesem Jahr seien ein Prozent der Bevölkerung Deutschlands. Cordula Braun (UWG) berichtete am Beispiel einer aus Furcht um das Lebens ihres Neugeborenen kürzlich in Panik geraten Asylbewerberin über die Folgen der Mangelverwaltung in den Unterkünften. Zur Bewältigung der Aufgabe seien kleinteilige Strukturen unverzichtbar, ebenso wie freiwillige Asylhelfer. Sonst funktioniert laut Braun überhaupt nichts.

Zu Wort kamen auch Zuhörerinnen wie Elisabeth Fischer, Mitinitiatorin der Unterschriftenaktion gegen die Unterbringung weiterer Flüchtlinge im Zentrum und generell in der dicht besiedelten Gemeinde. Sie fragte, warum in der Hauptferienzeit ein Thema wie die Belegung des Rathaus und der Bau einer Containeranlage in der Zweigstraße durchgedrückt werden sollen, ohne die Bürger vorher zu informieren. Dem widersprach Runge. Er wies darauf hin, dass bei jedem Vorhaben das "Gebot der Rücksichtnahme" gelte und die Bürger in alle Entscheidungen eingebunden werden. Nur sei noch nichts entscheidungsreif. "Ich habe die Befürchtung, dass wir ein Problem bekommen", sagte Ulrich Dichtl. Er wies darauf hin, nachts auf dem Nachhauseweg schon Provokationen erlebt zu haben. Warum sollen die im Zentrum untergebracht werden, wenn es befestigte Flächen im Außenbereich gibt, fragte Dichtl. Detlev Arzt, Sprecher der BI "Mehr Demokratie, Transparenz und Bürgerbeteiligung in Gröbenzell" verteilte ein Flugblatt mit acht Fragen. Er wollte wissen, welche Angebote zur Unterbringen von Flüchtlingen Gröbenzeller der Gemeinde gemacht haben.

© SZ vom 22.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: