Asylbewerber:Rathaus wird Flüchtlingsnotquartier

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Gröbenzell bietet dem Landkreis den Gebäudekomplex im Zentrum für eine Übergangszeit zur Miete an. Die beiden Seitentrakte bestehen aus ehemaligen Wohnhäusern. Deren Umnutzung gilt als unproblematisch

Von Gerhard Eisenkolb, Gröbenzell

Haben alle Mitarbeiter der Gröbenzeller Gemeindeverwaltung Ende September ihre Büros und Schreibtische im Rathaus im Ortszentrum geräumt, sollen dort umgehend neue Nutzer einziehen. Die Räume, in denen zuvor Abteilungen wie das Einwohnermeldeamt residierten oder Bauanträge bearbeitet wurden, werden wohl Flüchtlinge beziehen. Die kurzfristige Einrichtung der Notquartiere ist zumindest das gemeinsame Ziel von Landrat Thomas Karmasin und dem Zweiten Bürgermeister Martin Runge (Grüne)

. Der Stellvertreter von Bürgermeister Martin Schäfer (UWG) hatte Karmasin bereits vor einigen Tagen angeboten, den vom 1. Oktober an leer stehenden Komplex mit drei Gebäuden für eine Übergangszeit anzumieten. Da im Landkreis ein Mangel an Flüchtlingsunterkünften herrscht, werden seit Ende Juni auch Schulturnhallen mit den von der Regierung von Oberbayern nach einer Quote zugewiesenen Asylbewerbern belegt. In diesem Zusammenhang hatte der Landrat vor einigen Tagen bei einer Pressekonferenz angekündigt, bei Bedarf auch öffentliche Gebäude, Tiefgaragen und Kulturzentren zu beschlagnahmen und in Notquartiere für Flüchtlinge umzuwandeln.

Bereits an diesem Montag besichtigte der Landrat mit einem Stab von Bauexperten und für die Unterbringung der Asylbewerber zuständigen Mitarbeitern das Gröbenzeller Rathaus. Laut Drittem Bürgermeister Axel von Walter (SPD), der in dieser Woche die Amtsgeschäfte führt, sei der Ortstermin sehr produktiv verlaufen. Die Prüfung, ob und gegebenenfalls wie viele Menschen in dem alten Rathaus wohnen können, ist noch nicht beendet. Als unproblematisch gelten die beiden aus ehemaligen Wohnhäusern bestehenden Seitenflügel. In den beiden Altbauten sind noch Reste der ehemaligen Wohninfrastruktur vorhanden. Ein Rückbau in den ursprünglichen Stand könnte also zügig und ohne größeren Aufwand erfolgen.

Die Gemeinde hatte in erster Linie diese beiden Seitentrakte im Auge, als sie anbot, hier die dringend benötigten Notquartiere zu schaffen. In der Poststraße in unmittelbarer Nachbarschaft wird ein weiteres von der Gemeinde erst vor kurzer Zeit erworbenes Wohn- und Geschäftshaus in den nächsten Wochen umgebaut, um dort Asylbewerber unterzubringen. Die Gemeinde hatte das Anwesen mit einer Nutzfläche von 330 Quadratmetern erst vor einigen Monaten erworben, um dort eine Dependance der beengt untergebrachten Rathausverwaltung einzurichten. Für diesen Zweck wird das Haus nicht mehr benötigt.

Der Landkreis will laut Axel von Walter aber auch den Rathaus-Mitteltrakt, einen Stahlbetonbau aus den Siebzigerjahren, anmieten, um dort Betten für Flüchtlinge aufzustellen. Da für eine Wohnnutzung andere Brandschutzbestimmungen gelten als für Büros, sind im Vorfeld einer Entscheidung noch viele bautechnische Fragen zu klären. Klappt es, kurzfristig Wohnraum im alten Rathaus zu schaffen, "hätte man für den Winter eine tolle Unterkunft", meinte Bürgermeisterstellvertreter von Walter am Mittwoch. Auch über die Dauer des Mietverhältnisses wurde am Montag gesprochen. Von Walter hält einen Zeitraum von einem Jahr für realistisch. Diese Zeit benötigt die Gemeinde, um die Planung für den Abriss und den Neubau voranzubringen. Das gesamte alte Rathaus hat eine Bruttogeschossfläche von rund 2700 Quadratmetern.

Eine Landratsamtssprecherin bezeichnete das Angebot der Gemeinde als eine Option von vielen. So sei am Montag auch über Grundstücke und weitere Häuser, die die Gemeinde dem Landkreis zur Verfügung stellen kann, gesprochen worden.

Erst im Juli hatte der Gemeinderat einstimmig beschlossen, das alte Rathaus abzureißen, um Platz für einen Neubau zu schaffen. Bis dieser steht, zieht die komplette Verwaltung in ein für fünf Jahre angemietetes Bürogebäude an der Danziger Straße. In der Sitzung vor den Ferien war noch nicht über mögliche Zwischennutzungen bis zum Abriss diskutiert worden.

Einen ähnlichen Gedanken wie Runge hatte Detlef Arzt, Sprecher der neuen Bürgerinitiative "Mehr Demokratie, Transparenz und Bürgerbeteiligung in Gröbenzell". Angesichts des Mangels an Flüchtlingsunterkünften bezeichnet er es als naheliegend, das alte Rathaus für diesen Zweck zu nutzen. Die Überlegungen von Arzt gehen allerdings weiter. Er fragt, ob der Landkreis angesichts der Notlage den Abriss des alten Rathaus noch genehmigen darf. Eine Verschiebung des Abrisses hätte laut Arzt den Vorteil, die bislang unterbliebene Planung dessen, was neu entstehen soll, und die Kalkulation der hierfür erforderlichen Kosten seriös und unter Einbindung der Bürger anzugehen.

© SZ vom 13.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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