Frühstück der Gröbenzeller Grünen:Ohne Diskussion

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Claudia Roth bleibt in Gröbenzell Antworten schuldig

Von Karl-Wilhelm Götte, Gröbenzell

Claudia Roth hat etwa 50 dicht beschriebene Karteikarten, sicherlich genug für einen stundenlangen Redemarathon, vor sich ausgebreitet. Am vergangenen Freitag war die Grünen-Vizepräsidentin des Bundestages noch in Schorndorf im baden-württembergischen Landtagswahlkampf unterwegs gewesen, am Samstag kam sie nach Gröbenzell in den Fairtrade-Ort zum "Fairen Frühstück" der Grünen. Die Politikerin begann während ihrer Rede vor 40 Besuchern die Karteikarten von links nach rechts zu legen, doch sie machte es relativ gnädig: Roths Rede dauerte eine Stunde. Eine Zwischenfrage beantwortete sie nicht und Zeit für eine Diskussion blieb auch nicht, weil sie zum nächsten Termin musste.

Zunächst hatte die Grünen-Wahlkreis-Bundestagsabgeordnete Beate Walter-Rosenheimer von ihrem Besuch im Berliner TTIP-Leseraum berichtet. "Ich habe meine Vorbehalte bestätigt gefunden", verriet sie. Mehr könne sie nicht sagen, sonst drohe ihr wegen Geheimnisverrats drei Jahre Gefängnis. Einen Boykott des Leseraums, wie ein Besucher vorschlug, hielt sie für keine gute Idee. Der Satz von Grünen-Landratskandidat und Rechtsanwalt Markus Rainer erstaunte: "Wenn Linke und Grüne geschlossen was veröffentlichen würden, möchte ich sehen, ob sie die dann ins Gefängnis stecken." Bei Claudia Roth war TTIP, das geplante Freihandelsabkommen der EU mit den USA, kein Thema. Sie lobte ihren Parteikollegen und Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, für dessen auf "Menschenrechten basierende Politik" und den "gelungenen Verbund von Ökologie und Ökonomie". Danach kam sie auf die Flüchtlingskrise zu sprechen und wiederholte Statements aus diversen Fernseh-Talkrunden. Dazu gehörte das Beklagen von "nationalen Egoismen in unserem liberalen Europa" und die angeblich von Österreich initiierte "koordinierte Verantwortungslosigkeit" gegenüber Griechenland. "Europa verliert seine Seele", so die 60-jährige Politikerin pathetisch. Sie sei auch für die Reduzierung der Flüchtlingszahlen; konkrete Vorschläge machte Roth jedoch nicht.

Es folgten die gewohnten Attacken auf die CSU-Granden Seehofer, Dobrindt und Söder. Als "entgrenzt und bodenlos" bezeichnete Roth die Aussage Seehofers von der "Herrschaft des Unrechts" in Deutschland. Auf der einen Seite herrsche "Herzenswärme" im Lande und dann gäbe es das "dunkle Deutschland", zum Beispiel in Sachsen. Bei den Fluchtursachen kam Roth auf die große Armut in der Welt zu sprechen und auf einen Welthandel der reichen Nationen, der die Armut in Afrika noch potenziere. Sie beklagte, dass 62 Milliardäre genauso viel Reichtum besäßen wie der Rest der Menschheit. Eine Antwort, wie dieser Zustand möglicherweise durch mehr Steuergerechtigkeit geändert werden könnte, blieb sie schuldig.

Auch als eine Besucherin, die angesichts der Bemerkung von Sigmar Gabriel (SPD), man müsse nicht nur Flüchtlinge, sondern auch deutsche Arme mit einem Solipaket unterstützen, danach fragte, ob Roth bereit sei, die Sanktionen gegen Harz IV-Empfänger aufzuheben, beantwortete sie nicht. Die Hartz-Gesetze hatten SPD und Grüne, darunter auch Roth, 2003 bis 2005 im Bundestag durchgesetzt. Gabriel kommentierte Roth wie folgt: "Schlimm, was er von sich gegeben hat." Abschließend formulierte sie noch ihr eigenes Credo: "Vernunftsorientierte reale Politik ist notwendig."

© SZ vom 29.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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