Gröbenzell:Stresstest für Grabsteine

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Unter Druck: Alexander Pangerl prüft, ob ein Grabstein die Frostperiode gut überstanden hat. (Foto: Günther Reger)

Kälte und Wärme können die Standfestigkeit von Grabsteinen beeinträchtigen. Deswegen rücken jedes Jahr Prüfer der Gröbenzeller Friedhofsverwaltung aus. Um zu bestehen, müssen die Steine und Kreuze einem Gewicht von 50 Kilogramm standhalten

Von Sebastian Mayr, Gröbenzell

Der Grabstein von Grab 93a wackelt nicht. Nach zwei, vielleicht drei Sekunden piepst das Grabsteinprüfgerät, das Alexander Pangerl gegen die Rückseite des Steins drückt. Das Gerät ist ein weißes Rohr mit einem Gummiaufsatz auf der einen Seite und vier Griffen auf der anderen. Man kann es zu zweit bedienen oder allein. Pangerl macht es alleine. Brigitte Asanger, die ihn begleitet, erledigt den Papierkram. Sie nimmt auf, welche Grabmale sicher stehen und wo nachgebessert werden muss.

In dem weißen Rohr befindet sich eine Feder, die den Druck erkennt, der auf ihr lastet. Sind 50 Kilo erreicht, piepst das Gerät. So viel Druck muss ein Grabmal aushalten, ohne nachzugeben. So wie der Grabstein von Grab 93a. So wie die meisten der 2764 Grabmale auf dem Gröbenzeller Friedhof. Die ältesten sind so alt wie der Friedhof selbst, der 1955 angelegt wurde.

Am Dienstagmorgen haben Pangerl, der den Friedhof betreut, und Asanger, die in der Friedhofsverwaltung arbeitet, mit der Überprüfung begonnen. Bis Donnerstagnachmittag werden sie damit beschäftigt sein. Danach bekommt jeder, der einen wackligen Grabstein besitzt, eine Benachrichtigung der Gemeinde. "Es sieht dieses Jahr nach einem guten Schnitt aus", sagt Asanger. Zehn Grabsteine haben nach zwei von drei Tagen dem Druck nachgegeben, es gibt nur wenige Wackelkandidaten. Im letzten Jahr hatten fast 25 Steine mit dem gelben Aufkleber beklebt werden müssen, der vor der Unfallgefahr warnt.

Asanger ist 54 Jahre alt, gelernte Großhandelskauffrau und seit 25 Jahren im Gröbenzeller Rathaus beschäftigt - die meiste Zeit im Einwohnermeldeamt. Seit 2008 betreut sie die Friedhofsverwaltung, den Friedhof selbst sieht sie nur selten. Ihre Arbeit findet im Büro statt. Draußen ist sie nur, wenn es Beschwerden und Gräber zu begutachten gibt. Und wenn sie Alexander Pangerl bei der Prüfung der Standfestigkeit der Grabsteine begleitet.

Geprüft werden muss jedes Jahr. Das schriebt die Verordnung vor, nach der sich die Gemeinde richtet. "BIV-Steinmetz-Richtlinie" heißt sie. Richtlinie des Bundesinnungsverbands der Steinmetze. Sie regelt, dass der Druck an der Oberkante des Grabmals gemessen werden muss, aber nicht höher als 1,20 Meter. Bei niedrigen Steinen ist auch die Prüfung mit der Hand erlaubt. Dann wird gerüttelt. Auch Kreuze aus Holz und Metall werden von Hand überprüft, genauso alle Anbauteile an steinernen Grabmalen.

Dass die Prüfungen nötig sind, liegt am Wetter. Die Sonne erwärmt die Steine, die Fugen können dadurch porös werden. Wenn es regnet, läuft Wasser hinein. Kommt dann eine Frostperiode, kann die Kälte die Wassereinschlüsse regelrecht sprengen. So wie es bei einer vollen Flasche passieren kann, die im Winter im Freien stehen bleibt. Jedes Jahr kommen Grabsteine ins Wackeln. Umgefallen ist zumindest in Gröbenzell noch nie einer. Doch zum Beispiel in Tutzing im Nachbarlandkreis Starnberg hat ein umstürzender Stein vor ein paar Jahren einen Mitarbeiter der Friedhofsverwaltung getroffen. Die Prüfungen sollen für Sicherheit sorgen.

Früher wurde dabei grundsätzlich einfach an den Steinen gerüttelt. Bewegte sich ein Grabmal, galt es als instabil. Doch diese Methode war für die Besitzer immer wieder Anlass, den Friedhofsgärtnern die Schuld zu geben. Der Grabstein sei erst durchs Rütteln locker geworden, hieß es dann. Jetzt lädt Alexander Pangerl Leute, die ihm diesen Vorwurf machen, auf den Friedhof ein und zeigt, wie er die Standfestigkeit prüft. Die Vorwürfe verklingen dann meistens. Pangerl hat sogar eine Schulung besucht, um zu lernen, wie man das Grabsteinprüfgerät bedient und welche Bestimmungen für die Grabmäler gelten. Vor zwei Jahren war das, als er begonnen hat, den Friedhof zu betreuen.

Alexander Pangerl ist Quereinsteiger, so wie Brigitte Asanger. Für das, was er jetzt tut, gibt es eine spezielle Ausbildung, die zum Friedhofsgärtner. Der 30-Jährige ist gelernter Steinmetz und hat später im Verkauf und als Landschaftsgärtner gearbeitet. Viele Bereiche seiner jetzigen Arbeit hat er dabei schon kennengelernt, manche waren zumindest damit verwandt. "Ich ziehe aus meinem gelernten Beruf schon Vorteile hier draußen", findet Pangerl.

Jetzt pflegt er die Friedhofswege, kümmert sich um Verkäufe und schaut den Bestattern über die Schulter. Bei einem roten Grabstein in der Nähe von Grab 93a reicht der gelben Warnhinweis nicht aus. Da Grabmal wackelt stark, schon Pangerls erster Blick auf den Gedenkstein hat ihn das vermuten lassen. Zu warten, bis ein Handwerker die Befestigung erneuert hat, ist zu riskant. In den nächsten Tagen wird der gelernte Steinmetz Holzstempen vor und hinter dem Grabstein in den Boden treiben, sie mit einer Kokosschnur zusammenbinden und den Stein damit fixieren. Um Grabmale aus Sicherheitsgründen umzulegen, fehlt dem Friedhof die Spezialausstattung, und ohnehin: "Die Angehörigen sehen das nicht gern, wenn der Grabstein auf einmal auf dem Boden liegt", erklärt Pangerl. In ein paar Wochen wird er wieder mit dem Prüfgerät auf dem Friedhof unterwegs sein und testen, ob die Steinmetze ihre Arbeit richtig gemacht haben.

© SZ vom 18.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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